Moskau/Kiew/Wien – "Der Kreml hat Belarus als nukleare Geisel genommen" – so lautet die Einschätzung Kiews zu der Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Diese Entscheidung sei ein "Schritt in die Richtung der inneren Destabilisierung des Landes", erklärte der Sekretär des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrats, Oleksij Danilow.

Taktische Atomraketen des Typs Iskander sollen ab Sommer in Belarus stationiert werden.
Foto: REUTERS/Maxim Shemetov

Ähnlich äußert sich auch die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja: Russland trete als Besatzungsmacht auf, die Stationierung von Atomwaffen sei ein Verstoß gegen die Verfassung, erklärte die exilierte Siegerin der Präsidentenwahl von 2020. Die Welt müsse den Rückzug des russischen Militärs aus Belarus und das Ende der belarussischen Beteiligung am Krieg in der Ukraine fordern.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, die EU sei für den Fall der Stationierung von Atomwaffen zu weiteren Sanktionen bereit. Belarus könne dies jedoch noch stoppen.

Eskalationsabsicht

Für den Analysten des österreichischen Bundesheeres, Markus Reisner von der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt, stellt die Entscheidung Putins, in den nächsten Monaten atomwaffenfähige Iskander-M-Mittelstreckenraketen nach Belarus zu liefern und belarussische Su25-Erdkampfflugzeuge als Atomwaffenträger nachzurüsten, eine klare Eskalation im Konflikt mit dem Westen dar: "Putins Absicht ist hierbei vor allem der Versuch, neuerlich die Angst der Europäer vor einem möglichen russischen Atomwaffeneinsatz zu schüren", sagte er am Sonntag zum STANDARD. Putins Begründung für den Schritt, nämlich dass Großbritannien Uranmunition an die Ukraine liefere, hält Reisner für fadenscheinig. Schließlich verfüge Russland selbst seit den 1980er- Jahren über solche Geschoße.

"Was wir sehen, ist eine Fortsetzung von bereits in der Vergangenheit getroffenen Maßnahmen, etwa die öffentlichkeitswirksam angekündigten Übungen der russischen Atomstreitkräfte, innerrussische Verlegungen von Interkontinental-Atomraketen, weitreichende Langstreckenflüge von russischen Fernbombern oder auch der sichtbare Einsatz von russischen Atom-U-Booten auf den Weltmeeren", sagte Reisner. Das Ziel sei es, die mögliche nukleare Bedrohung in ein für den Westen unerträgliches Ausmaß zu steigern. "Dadurch soll die Unterstützung für die Ukraine zum Versiegen gebracht werden."

Vom Iran erhält dafür Moskau weitere Unterstützung. London zufolge hat Teheran weitere Kamikaze-Drohnen des Typs Shahed geliefert. Mindestens 71 seien im März in der Ukraine eingesetzt worden.

Russland und China schmieden Putin zufolge kein Militärbündnis. Die Kooperation ihrer Streitkräfte sei transparent, sagte Putin im Staatsfernsehen. (flon, vos, 26.3.2023)