Charles und Camilla bei einem Besuch im britischen Colchester Anfang März.

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Vielleicht bringt der heutige Montag ja noch den Lackmustest für die royale Visite: Da wird in Deutschland groß gestreikt, es fahren keine Fernzüge, auch an Flughäfen legt das Personal die Arbeit nieder. Doch so hoch wie in Frankreich in den vergangenen Wochen wird es wohl nicht hergehen. Dort waren die Proteste gegen die Rentenreform so weit eskaliert, dass der britische König Charles III. seinen für Anfang dieser Woche geplanten Antrittsbesuch auf unbestimmte Zeit verschob.

Im politischen Berlin aber geht man davon aus, dass Charles und Camilla am Mittwoch tatsächlich kommen. Damit wird Deutschland jene Ehre zuteil, die ursprünglich für Frankreich vorgesehen war: Es ist das Ziel der ersten Auslandsreise von Charles als Monarch.

Charles und Camilla waren schon gemeinsam in Deutschland, 2019 haben sie die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel getroffen. Nun wird Charles von deren Nachfolger Olaf Scholz empfangen.
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Die Auswahl traf aber nicht Charles, sondern Premier Rishi Sunak. Der will die Beziehungen zur EU verbessern, die nach dem Brexit und unter Ex-Regierungschef Boris Johnson gelitten haben.

"Der Besuch noch vor der Krönungszeremonie am 6. Mai würdigt die enge Freundschaft zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland", freut man sich im deutschen Bundespräsidialamt. Für Charles ändert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sogar das Protokoll.

Änderung im Protokoll

Normalerweise werden Staatsgäste im Park des Berliner Schlosses Bellevue, dem Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten, mit militärischen Ehren empfangen. Doch für dieses Mal wird das Zeremoniell extra an das geschichtsträchtige Brandenburger Tor verlegt.

Das ist dann, kurz nach der Landung am BER, auch die erste Gelegenheit für die Berlinerinnen und Berliner, einen Blick auf den König und seine Frau, Königin-Gemahlin Camilla, zu werfen. Durch das Brandenburger Tor ist Charles – noch als Prinz – schon bei einem Besuch im Jahr 1994 spaziert.

Überhaupt kennt er Deutschland gut, er war nach Angaben der britischen Botschaft schon 30-mal zum offiziellen Besuch hier. Schließlich hat er sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits deutsche Wurzeln.

"Charles hat sich auf eine Weise mit der deutschen Kultur auseinandergesetzt, wie es vermutlich wenige seiner Landsleute getan haben", sagt seine Biografin Catherine Mayer im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur (DPA). In Deutschland hat Charles auch mehrere Preise für Umweltschutz bekommen.

Im Ostberliner Plattenbau

Stärker in Erinnerung sind den Deutschen allerdings andere Momente. 1987 etwa waren Charles und Diana in Berlin und Hamburg, wo sie eine Hafenrundfahrt machten.

"In Berlin hatte Diana sich sichtlich genervt gezeigt, in Hamburg aber taute sie sichtlich auf und war am Abend der strahlende Mittelpunkt des Galadiners", berichtete die Welt später. Britische Medien spekulierten, dass der Trip nach Deutschland der angeknacksten Ehe gutgetan habe.

Unvergessen ist der Besuch Charles’ 1995 in einem Ostberliner Plattenbau. Der heute 74-jährige Monarch schaute in einer nach ökologischen Kriterien sanierten Wohnung in Hellersdorf vorbei. Als er im Wohnzimmer Platz nahm, wurden Rotkäppchen-Sekt und Mon Chéri gereicht.

Die Gastgeberin hatte zuvor ihr Aquarium geputzt und verriet dem Berliner Kurier: "Ich spreche oft mit meinen Fischen, so wie Charles mit seinen Pflanzen. Das macht ihn mir sympathisch."

Derart persönliche Begegnungen sind diesmal in Berlin nicht vorgesehen. Am Donnerstag ist Charles bei Regierungschef Olaf Scholz im Kanzleramt. Bilder vom König und vom Sozialdemokraten wird es natürlich geben, aber es ist keine gemeinsame Pressekonferenz geplant.

Deutsch-britische Beziehungen

Was Charles über die deutsch-britischen Beziehungen denkt, wird er danach bei einer Rede im Bundestag kundtun. Dort hat er – als erster britischer Monarch – schon im Jahr 2020 gesprochen. Am Volkstrauertag zum Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft sagte er: "Wir werden immer Freunde, Partner und Verbündete sein."

Nach dem Bundestag geht es auf einen Markt auf dem Wittenbergplatz, dies wäre erneut Gelegenheit für ein Bad in der Menge. Schluss ist dann noch lange nicht. Charles besucht auch das Ankunftszentrum für aus der Ukraine Geflüchtete im ehemaligen Flughafen Tegel und das Ökodorf Brodowin in Brandenburg.

Am Freitag begeben sich Charles und Camilla dann per Bahn von Berlin nach Hamburg. Wieder steht eine Hafenrundfahrt auf dem Programm. Zudem will das Paar am Kindertransportdenkmal vor dem Bahnhof Blumen niederlegen.

Dieses erinnert an die Rettungsaktionen der Jahre 1938 und 1939. Damals wurden tausende jüdische Kinder nach England gebracht. Sie waren in vielen Fällen die einzigen Überlebenden ihrer Familien. (Birgit Baumann aus Berlin, 27.3.2023)