"Europa bleibt technologieneutral", so lautete am Samstag die Botschaft, die der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gut gestimmt via Twitter verkündete. "Wir haben eine Einigung mit Deutschland über den künftigen Einsatz von E-Fuels in Autos gefunden", zwitscherte auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans. "Das ist es, was wir wollten und wofür wir uns eingesetzt haben", zeigte sich Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hocherfreut. Das Auto mit dem "grünen Verbrennungsmotor" bleibe erhalten. Die Industrie begrüßte die Einigung, Klimaschützer und Ökonomen beklagen einen "faulen Kompromiss". Die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) spricht von einem Schlupfloch auf dem Weg zur klimafreundlicheren Mobilität, um die "Zustimmung der Bremser und Blockierer, die einer alten fossilen Ideologie nachtrauern", zu bekommen.

Mehrheit wahrscheinlich

Ob es tatsächlich so kommt, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 neu zugelassen werden, wenn sie ausschließlich CO2-neutrale Kraftstoffe tanken, ist noch offen. Die endgültige Abstimmung aller 27 EU-Staaten soll diesen Dienstag stattfinden. Neben Deutschland standen dem Verbrenner-Aus nicht nur Österreich, sondern auch Italien und Polen kritisch gegenüber. Mit der deutschen Zustimmung gilt es aber als sehr wahrscheinlich, dass die notwendige Mehrheit erreicht wird.

Herkömmliche Treibstoffe können auch ab 2035 noch in den Tank gefüllt werden. Neufahrzeuge würden aber nur noch zugelassen, wenn sie sogenannte E-Fuels tanken.
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Europaparlamentarier der Grünen wollen den Kompromiss genau unter die Lupe nehmen. "Wir werden den Vorschlag rechtlich und politisch sehr genau prüfen", sagte der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen. Er betonte aber auch, es sei gut, dass die Hängepartie endlich beendet sei. Auch Greenpeace hat die Einigung scharf kritisiert. "Dieser faule Kompromiss untergräbt Klimaschutz im Verkehr, und er schadet Europa", so Greenpeace-Mann Benjamin Stephan. Am Ende könne die Hoffnung der Konsumenten und Konzerne, dass der Verbrenner doch nicht tot sei, noch Blüten treiben, meint auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm im Handelsblatt. "Die Menschen könnten weiter Verbrenner kaufen in der Hoffnung auf günstige E-Fuels", erklärte sie. "Das könnte es der Politik sehr schwer machen, konsequente Klimapolitik zu betreiben."

Regulierung bis 2024

Wie geht es nun weiter? Zunächst einmal wurden ein konkreter Verfahrensweg und Zeitplan verbindlich festgelegt. In einem ersten Schritt soll durch Änderung der Euro-6-Verordnung eine neue Typenklasse für E-Fuel-Autos geschaffen und dann in die Flottengrenzwertregulierung integriert werden. Bis Herbst 2024 soll die Regulierung abgeschlossen sein. Diese Fahrzeuge sollen ab 2035 also ausschließlich mit E-Fuels zu betreiben sein und bei anderen Kraftstoffen sofort abschalten.

Bundeskanzler Karl Nehammer hat am Samstag eilig eine Pressekonferenz einberufen um einmal mehr zu betonen, dass man den Kampf gegen das Verbrenner-Aus unterstützt hätte.
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Technisch ist dies laut Experten mit entsprechenden Sensoren, die zeitgerecht entwickelt werden könnten, auch machbar. Zum Tanken könnte das bestehende Tankstellennetz genutzt werden. Der deutsche Auto-Lobbyverband ADAC hat nach eigenen Angaben einen gebrauchten VW Golf mit E-Fuels betankt und mehrere Tausend Kilometer fahren lassen. Bei den technischen Eigenschaften, der Leistung und dem Fahrverhalten seien keine Unterschiede spürbar gewesen.

Wie sauber sind E-Fuels?

Die synthetischen Kraftstoffe haben also ähnliche Eigenschaften und chemische Zusammensetzungen wie konventionelle Treibstoffe. Aber abgesehen vom oft kritisierten Umstand, dass sie wenig energieeffizient sind, zu teuer und besser im Schiffs- oder Flugverkehr eingesetzt würden: Sind E-Fuels tatsächlich klimaneutral? Zumindest theoretisch können sie das sein. E-Fuels werden mithilfe von Strom aus Wasser und Kohlendioxid hergestellt. Dabei wird CO2 gebunden, das beim Verbrennen aber wieder freigesetzt wird. Es entstehen also ebenfalls umweltschädliche Abgase. Kommt der Strom komplett aus erneuerbarer Energie und das notwendige CO2 aus der Atmosphäre, wären E-Fuels klimaneutral. (Regina Bruckner, 27.3.2023)