Proteste gegen die Gas-Konferenz in Wien. Nach Aktionen am Samstag und Sonntag gibt es nun Demonstrationen und Sitzblockaden in der Wiener Innenstadt.

APA/TOBIAS STEINMAURER

Aktion auf dem Ring Montagfrüh.

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Polizeiaufgebot in der Wiener Innenstadt.

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Wien – So eine Aufmerksamkeit hatte die European Gas Conference (Europäische Gas-Konferenz, EGC), die heute, Montag, im Wiener Hotel Marriott beginnt, noch nie. Von 27. bis 29. März tagen Expertinnen und Experten mit Unternehmen wie OMV, BP und Shell und Vertreterinnen und Vertretern der Politik in der Innenstadt. Aktivisten und Aktivistinnen des internationalen Bündnisses Blockgas haben bereits am Wochenende durch Grünfärbung des Donaukanals, durch Straßenblockaden und Proteste beim General Aviation Terminal in Schwechat ihren Frust bekundet, dass trotz Erderhitzung noch immer über die Zukunft von Gas gesprochen wird, und auf die Notwendigkeit einer "grüneren" Welt hingewiesen.

VIDEO: Sitzblockaden gegen Europäische Gaskonferenz in Wien
DER STANDARD

Montagfrüh ging es weiter mit den Aktionen: Ab 8.00 Uhr standen sich Polizei und Protestierende sowohl neben dem Hotel am Ring wie auch in der 250 Meter davon entfernten Johannesgasse gegenüber, wo die Kundgebung teils mit Pfefferspray aufgelöst wurde. Trotz massiven Polizeiaufgebots blockieren hunderte Menschen Straßen vor dem Marriott-Hotel im Zentrum.

Die Beamtinnen und Beamten kündigten frühzeitig die Auflösung des nicht angemeldeten Protests an. Die Polizei verordnete zudem ein Platzverbot im Bereich Parkring – damit wurde von den Sicherheitsbehörden temporär der Zugang zu öffentlichen Plätzen für die Allgemeinheit untersagt. Die Proteste führten laut ÖAMTC zu Staus auf allen Zufahrten rund um den Parkring.

Was wird kritisiert?

Die Protestierenden fordern ein Ende der fossilen Lobbypolitik "hinter verschlossenen Türen" und verlangen einen "gerechten Umbau des Energiesystems". Mit Transparenten wie "European Gas Conference: Ihre Profite = unsere Krisen" und "Gas = CO2lonialism. Solidarität statt Pipelines bauen!" wiesen die Protestierenden darauf hin, "wie das profitgesteuerte Energiesystem Klimakrise, Teuerung und weitere Krisen vorantreibt".

"Die Konzerne und Investor:innen, die sich hier treffen, verschmutzen nicht nur unser Klima, sondern fesseln uns weiter an ein von fossilen Brennstoffen abhängiges Energiesystem: Das bedeutet hohe Energierechnungen für uns, aber hohe Gewinne für sie selbst. Während wir uns das Heizen nicht mehr leisten können, konnten Konzerne wie die OMV ihre Gewinne vervielfachen!", schrieb Verena Gradinger, Sprecherin von Blockgas, in einer Aussendung.

Und wer protestiert?

Das Blockgas-Bündnis ist ein internationaler Zusammenschluss von Gruppen aus verschiedenen Bewegungen, die laut eigenen Aussagen für mehr Gerechtigkeit und einen sozialen, demokratischen und ökologischen Wandel kämpfen. Auch Fridays for Future hat sich angesagt, um gegen das "'Who's who' der zerstörerischen Gasindustrie" zu protestieren.

Anwesend war unter anderem auch die bekannte Klimaaktivistin Lena Schilling, die Gründerin des Wiener Jugendrats, der eine einflussreiche Jugendbewegung aufbauen möchte. Global 2000 projizierte den Schriftzug "Stop Europe's Fossil Energy Addiction" auf die Raffinerie der einladenden OMV und auf das Konferenzgebäude. Die Umweltgruppe zeigte auf Twitter ein Foto von der nächtlichen Aktion.

Die Aktivistin Lena Schilling berichtete auf Twitter von Pfefferspray-Einsatz durch Polizeibeamte.

Pfefferspray und Steine

Der Wiener Polizei zufolge kam es zu Blockadeaktionen und koordinierten Versuchen, zum Veranstaltungsort vorzudringen. Die Aktivistinnen und Aktivisten werfen der Polizei vor, eine Demonstration gewaltsam aufgelöst zu haben.

Bei der nicht angemeldeten Versammlung von Umweltaktivisten an der Kreuzung Johannesgasse/Kantgasse kam es gegen 9.15 Uhr unter anderem zum Einsatz von Pfefferspray, als die Gruppe trotz Unterzahl versuchte, die Reihen der Exekutive zu durchbrechen – die Landespolizeidirektion (LPD) schrieb auf Twitter von "koordinierten Versuchen, zum Veranstaltungsort vorzudringen". Bei der Anhaltung der Kundgebung seien zwei Polizisten durch Widerstand gegen die Staatsgewalt verletzt worden, sagte Polizeisprecherin Barbara Gass. Zudem seien Steine in Zelten der Aktivisten gefunden und sichergestellt worden, berichtete die Polizeisprecherin.

Festnahmen

Die zuvor bereits umstellten Teilnehmenden wurden infolge mit Absperrgittern blockiert, zahlenmäßig war die Exekutive den rund 50 Protestierenden weit überlegen. Die Diensthundestaffel und die Sondereinheit Wega unterstützen bald die anwesenden Beamtinnen und Beamten. Die LPD Wien begründete das weitere Vorgehen per Twitter, dass wegen "schwerer gemeinschaftliche Gewalt" (Paragraf 274 StGB) eingeschritten werde, und daher Identitätsfeststellungen vorgenommen werden müssten. Mit ersten Festnahmen wurde gegen 10.00 Uhr begonnen. Die zweite, nicht angemeldete Kundgebung am Parkring in unmittelbarer Nähe des Tagungshotels konnte hingegen ungehindert weiter gehen, und wurde in eine "Marschkundgebung" umgewandelt.

Laut Gass stehen am Montag und in den kommende Tagen "mehrere Hundert Beamte" im Einsatz, nicht nur bei den aktuellen Kundgebungen in der Nähe des Konferenzorts.

Extra angereist

Aktivistinnen und Aktivisten von Don't Gas Africa (DGA), einer afrikanischen zivilgesellschaftlichen Kampagne, reisten wegen der Proteste extra nach Wien. DGA-Sprecher Dean Bhekumuzi Bhebhe teilte vorab mit: "Millionen von Menschen verlieren ihr Zuhause, haben keinen Zugang zu Nahrungsmitteln, sind in ihrer Gesundheit bedroht und rutschen wegen der Fossilindustrie in immer größere Armut ab. Anstatt Förderrechte für fossile Brennstoffe an multinationale Konzerne zu verkaufen, sollten die afrikanischen Staats- und Regierungschef:innen in saubere, erneuerbare Energien investieren, die den Menschen auf dem ganzen Kontinent direkt zugutekommen, ohne ihre Gesundheit zu schädigen."

Der "massive Polizeinsatz" zeige, "wie stark versucht wird, die Deals der fossilen Konzerne im Mariott-Hotel hinter verschlossen Türen geheim zu halten", teilte Blockgas-Sprecherin Gradinger mit. Auch Greenpeace verurteilte die "unverhältnismäßige Polizeireaktion".

Weitere Proteste geplant

Die Protestierenden wollen die Konferenz während ihrer gesamten Dauer stören, dafür seien Menschen extra aus aller Welt angereist. Anselm Schindler, Sprecher von Blockgas, schreibt: "Es kann nicht sein, dass sogar Vertreter:innen des Energie- und des Finanzministeriums sowie der EU-Kommission an solchen Lobby-Events teilnehmen. Wir wollen als Gesellschaft gemeinsam über die Zukunft unseres Energiesystems entscheiden können. Als ersten Schritt dorthin müssen Leonore Gewessler und Magnus Brunner die Gaskonferenz aus Wien werfen, anstatt Vertreter:innen ihrer Ministerien dorthin zu schicken."

Über die Konferenz

Warum wird von den Veranstaltern so ein Geheimnis um diese Konferenz gemacht und die Öffentlichkeit ausgeschlossen? "Weil sie Angst haben, dass diese Proteste dadurch noch befeuert werden," sagte ein Vertreter der Gasindustrie, der früher regelmäßig an der Konferenz teilgenommen hat, namentlich aber nicht genannt werden will, dem STANDARD. Heuer ist er nicht dabei, denkt aber, dass die Konferenz instrumentalisiert wird.

Erstmals ausgerichtet wurde die führende Gaskonferenz Europas 2010 von dem in London ansässigen Energy Council als eine Art mittelosteuropäischer Gazprom-OMV-Austausch. Der Fokus ist mittlerweile ein anderer, die Themen heuer kreisen um verflüssigtes Erdgas (LNG) und Wasserstoff. Zu Wort kommen Energiekonzerne und Banken. Vertreter und Vertreterinnen von Vattenfall bis OMV, von Blackrock bis Raiffeisen finden sich auf der Rednerliste, auch Abgesandte der WU-Kommission, des deutschen Kanzleramts und des österreichischen Energieministeriums sind unter den rund 250 teilnehmenden Gästen. Als Redner treten unter anderem Gottfried Steiner, CEO des Central European Gas Hub (CEGH), und Jonathan Stern vom Oxford Institute for Energy Studies auf.

OMV-Chef Stern: "Kooperation statt Eskalation"

OMV-Chef Alfred Stern, der am Dienstag eine Keynote-Rede bei der Konferenz halten wird, zeigt Verständnis für die Forderung nach einem raschen Ausstieg aus der Nutzung von Erdgas. "Tatsache ist, dass wir in der Transformation unseres Energiesystems zu langsam sind", sagte Stern am Montag zur APA. Aber der Ausstieg könne nicht von heute auf morgen erfolgen, bevor nicht ein neues, nachhaltigeres Energiesystem aufgestellt sei, sagte Stern.

Proteste von Umweltaktivisten müssten in einer Demokratie möglich sein, "solange sie rechtskonform abgehalten werden, ist es Teil unserer Meinungsvielfalt, die wir in einer Demokratie leben und alle schätzen", sagte Stern. "Aber Fortschritt wird durch Kooperation und nicht durch Eskalation erzeugt, und auch nicht durch Emotionen."

Klimaaktion in Innsbruck

Die Gruppe der Letzten Generation plant laut APA-Informationen hingegen keine eigenen Proteste. Aktiv waren sie allerdings dennoch: In Innsbruck hielten Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation den Morgenverkehr auf der Olympiastraße kurzzeitig auf. Die Bewegung, die sich für mehr Klimamaßnahmen einsetzt, teilte die Protestaktion auf Twitter. Einer der Aktivisten klebte dabei eine Hand auf der Straße fest, "weil die Wissenschaft uns sagt, dass die Klimakatastrophe real ist und Hunger, Krieg und Zerstörung bringen wird", schrieb die Letzte Generation.

Die Aktivistinnen und Aktivisten hielten Schilder mit ihren Forderungen hoch. Sie forderten die Regierung etwa dazu auf, eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 Stundenkilometern auf den Autobahnen durchzusetzen und keine neuen Gas- und Ölprojekte mehr anzugehen.

Unterstützt wurden sie von "solidarischen Wissenschafter:innen", wie es hieß. Begleitet von einer Blasmusikkapelle und einer Delegation des MK-Jugendzentrums machte sich ein Teil der Gruppe zudem zu einer Wanderung über die Olympiabrücke auf.

Protestiert wurde auch gegen die Klimapassagen in der letztens gehaltenen Rede von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sowie für ein Verbot neuer Öl- und Gasbohrungen. (stro, red, APA, 27.3.2023)