Die Weltbevölkerung wächst langsamer als im letzten Jahrhundert – so viel dürfte klar sein. Wann ihr Höchststand erreicht sein wird, daran scheiden sich die Geister.

Foto: AP/Ariana Cubillos

Einer aktuellen Studie zufolge soll der Höhepunkt des Weltbevölkerungskurve nicht mehr weit entfernt sein. Unter zugegeben extrem optimistischen Annahmen könnte der Gipfel des Bevölkerungswachstums bei 8,5 Milliarden Menschen im Jahr 2040 erreicht werden, schreibt ein Forschungsteam im am Montag veröffentlichten Arbeitspapier "People and Planet". Ab da würde die Weltbevölkerung bis zum Ende des Jahrhunderts theoretisch auf etwa sechs Milliarden zurückgehen.

Seit November acht Milliarden

Wie die internationale Initiative Earth4All freilich eingesteht, ist ein solch rasanter Abwärtstrend ohne einen "Riesensprung" bei den globalen Investitionen in wirtschaftliche Entwicklung, Bildung und Gesundheit kaum zu schaffen – ein Szenario, nach dem es derzeit nicht aussieht.

Die Uno geht von einem Höchststand von rund 10,4 Milliarden Menschen erst 2080 aus. Im November hat die Weltbevölkerung nach UN-Angaben offiziell die Acht-Milliarden-Marke überschritten. Einen Stand von sechs Milliarden Menschen hatte die Weltbevölkerung zuletzt um das Jahr 2000.

Die Kurve wird flacher

Aber auch die UN-Daten zeigen eine deutliche abgeflachte Kurve des Bevölkerungswachstums: Derzeit wächst die Weltbevölkerung so langsam wie seit 1950 nicht mehr. Seit 2020 liegt die Steigerung unter einem Prozent, berichten die UN.

Laut der UN-Studie liegt dies unter anderem daran, dass in immer mehr Ländern immer weniger Kinder zur Welt kommen. Heute leben zwei Drittel der Weltbevölkerung in Ländern oder Regionen, in denen auf eine Frau weniger als 2,1 Geburten kommen. Diese Grenze markiert gleichsam auf lange Sicht ein Nullwachstum bei einer Bevölkerung mit niedriger Sterblichkeit. In 61 Ländern oder Gebieten wird die Bevölkerung laut UN in den nächsten drei Jahrzehnten voraussichtlich um mindestens ein Prozent schrumpfen.

Unwahrscheinliches Extremszenario

Der international renommierte Demograf Wolfgang Lutz vom Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital (WIC) kommt mit seinem Team zu etwas anderen Prognosen als die Vereinten Nationen. Seinem Extremszenario "Rapid Development" zufolge, das auf einem besonders schnellen Erreichen der Nachhaltigkeitsziele basiert, könnte die Weltbevölkerung bereits 2055 einen Höhepunkt mit knapp 8,7 Milliarden erreichen.

Die Zahlen gleichen in etwa jenen des nun erschienene Earth4All-Reports. Da wie dort handelt es sich um mögliche, aber aus jetziger Sicht sehr unwahrscheinliche Szenarien. Das wahrscheinlichste Modell des WIC sieht nach der jüngsten Aktualisierung dagegen einen Anstieg bis 2070 auf rund 9,8 Milliarden vor, ehe die Zahlen langfristig sinken dürften.

Die Entwicklungsszenarien für die Weltbevölkerung, basierend auf unterschiedlichen Studien und Modellen.
Grafik: Callegari B., Stoknes P.E., People and Planet

Zwei Szenarien

Für die neue Studie haben die Forscherinnen und Forscher von Earth4All zwei mögliche Szenarien für die kommenden Entwicklungen durchgerechnet. Im ersten entwickelt sich die Welt wirtschaftlich ähnlich weiter wie in den vergangenen 50 Jahren. Dann erreiche die Bevölkerung bis 2050 ihren Höchststand, heißt es in der Analyse.

Im zweiten Szenario mit äußerst optimistischen Annahmen könnte dieser sogar schon 2040 erreicht sein, wenn es unter anderem größere Investitionen in die Bekämpfung von Armut gäbe. In anderen prominenten Bevölkerungsprognosen werde die Bedeutung einer raschen wirtschaftlichen Entwicklung oft unterschätzt, sind die Expertinnen und Experten überzeugt.

Bildung und Lebensstandard

"Wir wissen, dass eine rasche wirtschaftliche Entwicklung in Ländern mit niedrigem Einkommen enorme Auswirkungen auf die Fruchtbarkeitsziffern hat", sagt Per Espen Stoknes, Leiter des Earth4All-Projekts. "Die Fruchtbarkeitsziffern sinken, wenn Mädchen Zugang zu Bildung erhalten und Frauen wirtschaftlich gestärkt werden und Zugang zu einer besseren Gesundheitsversorgung haben."

Earth4All ist eine weltweite Initiative, an der zahlreiche internationale Wissenschafterinnen und Wissenschafter beteiligt sind. Unter der Federführung des Club of Rome, der Norwegian Business School und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung untersuchen Forschende mögliche Auswege aus künftigen Krisen. (red, APA, 27.3.2023)