Wer sich zu weit vom eigenen Auto entfernt, ohne direkt in den Supermarkt zu gehen, riskiert eine per KI ausgestellte Parkstrafe (Symbolbild).

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Dass Geschäfte ihre Parkplätze ausschließlich der eigenen Kundschaft zur Verfügung stellen, ist nicht neu. Vielerorts scheint dieser Ansatz aber von einem gewissen Pragmatismus geprägt zu sein. Es gibt keine oder nur laxe Kontrollen, und solange "Wildparker" nicht für Platzmangel sorgen, wird toleriert, dass nicht jedes Auto tatsächlich für einen Einkauf im Laden genutzt wird.

Nicht so offenbar bei einem Supermarkt im deutschen Gelsenkirchen. Der Betreiber hat beschlossen, seine Parkraumüberwachung an ein externes Unternehmen auszulagern, das eine KI einsetzt, um Parkplatzmissbrauch zu ahnden. Und diese KI scheint nicht auf Pragmatismus eingestellt zu sein, berichten "Welt" und "WAZ".

Laufweg-Tracking

Zum Einsatz kommt ein System von "Parkvision", das in der Lage ist, mit Kameras am Parkplatz und im Geschäft Fahrzeuge und Lenker zu verknüpfen und ihre Laufwege nachzuverfolgen, wobei auch Gesichtserkennung eingesetzt werden soll. Auf diese Weise kann es etwa feststellen, ob jemand auf dem Parkplatz hält und anschließend das Geschäft betritt oder sich woanders hin entfernt. Ist es der Ansicht, der Stellplatz würde nicht für einen Einkauf genutzt, setzt es einen Strafzettel.

Das sorgt gleich mehrfach für Ärger. Ein Grund dafür ist, dass das System offenbar auch immer wieder Kundschaft abstraft. Dabei geht es um Personen, die neben dem Supermarkt auch ein anderes Geschäft, etwa die nahegelegene Apotheke, aufsuchen. Auf dem Weg dorthin wird offenbar die Entfernungstoleranz von Parkvision überschritten und ein Strafzettel ausgestellt. Dieser erreicht die Betroffenen wenige Wochen später postalisch.

Wer nicht zahlt, riskiert die Durchsetzung auf gerichtlichem Wege. Manche sollen bereits Forderungen in Summe mehrerer Hundert Euro erhalten haben.

Ärger und Widerstand

In lokalen Gruppen auf sozialen Netzwerken und beim Facebook-Auftritt des Marktes gehen die Wogen hoch. Berichtet wird dabei auch, dass weder Parkvision noch die Marktbetreiber auf Anfragen zum Thema reagieren und auch Widersprüche oft unbeantwortet bleiben. Ein im Stadtviertel ansässiger Jurist will gegen die KI-Parkstrafen vorgehen und berichtet, dass ihn mittlerweile 60 Beschwerden erreicht hätten.

Bei so manchen Besuchern findet die neue Parkraumüberwachung wenig Anklang.
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Wenig Freude macht das System auch Datenschützern. Der Deutsche Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein, kurz Dekra, ist der Ansicht, dass die Methoden von Parkvision rechtlich nicht gedeckt sind. Auch die Datenschutzbehörde des Bundeslandes Hessen – wo Parkvision seinen Firmensitz hat – prüft den Sachverhalt.

Sorge um Nahversorgung

Beim Supermarkt und dem Dienstleister hält man diese Form der Parkraumüberwachung hingegen für legal, da mit großen Aushängen darauf hingewiesen werde. Zudem sei das System laut Parkvision DSGVO-konform und garantiere Anonymisierung aller Fahrerinnen und Fahrer, die nicht wegen einer Parksünde belangt werden. Eingesetzt werden kann es kostenlos, der Anbieter schneidet allerdings an den Strafen mit.

Gleichzeitig herrscht auch Sorge um den Bestand des Supermarktes, eines der wenigen Nahversorger vor Ort. Die KI-Parkraumüberwachung soll dazu geführt haben, dass der Parkplatz mittlerweile kaum noch genutzt wird und die Kundschaft fernbleibt, die auch für die anderen Geschäfte wichtig war. (gpi, 27.3.23)