Bild von der Demonstration am Dienstagabend in Wien.

Foto: APA/ALEX HALADA

Wien – Wer am Dienstagvormittag zu Fuß in der Gegend rund um das Hotel Marriott am Parkring in Wien unterwegs war, musste größere Umwege in Kauf nehmen: "Platzverbot. Hier dürfen Sie nicht durch", erklärte eine Polizistin den Passantinnen und Passanten. Währenddessen bog ein Polizeiwagen nach dem anderen in das Sperrgebiet ein. Drinnen waren größere Gruppen von Uniformierten zu sehen. Die Polizei hatte das Hotel von allen Seiten im Blick.

Der Grund für den im Vergleich zum Montag intensivierten Einsatz der Exekutive wurde erkennbar, sobald die Hotelfassade in den Blick geriet. Dort kletterten zwei Greenpeace-Aktivisten herum, die sich aus Hotelzimmerfenstern abgeseilt hatten und gegen die Gaskonferenz im Luxushotel protestierten – eine Person links, die andere rechts des großen gelb-orangen Transparents, das aus den Fenstern heraus entrollt wurde. "End fossil crimes" ("Beendet fossile Verbrechen") war darauf zu lesen.

VIDEO: Greenpeace-Aktivisten seilten sich von Wiener Ring-Hotel ab.
DER STANDARD

Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace Österreich, stand auf der Parkring-Stadtpark -Seite, genau dem Hotel gegenüber. Die zwei Fassadenkletterer seien um 7.45 Uhr aus den Fenstern gestiegen. Das Banner sei gegen 8.15 Uhr entrollt worden – und sollte, wenn möglich, noch mehrere Stunden dort entrollt bleiben.

Banner wieder eingerollt

Doch es kam anders. Wenig später wurde das Transparent ins Hotel hinein entfernt. Polizeisprecher Daniel Fürst sprach von einer relativ ruhigen Atmosphäre, in der die Greenpeace -Aktion stattgefunden habe, anders als am Vortag. Ein Einschreiten der Exekutivbeamten gegen die Aktivisten sei nicht geplant gewesen.

Aktivisten haben sich am Wiener Marriott-Hotel abgeseilt.
Foto: APA/ Alex Halada

Vielmehr verhandelte die Polizei mit Vertretern der Umweltorganisation am Ort des Geschehens, die Aktivisten verließen das Hotel gegen elf Uhr. Nach Angaben von Greenpeace waren an der Kletteraktion selbst elf Aktivisten beteiligt, vor dem Hotel demonstrierten zudem rund 40 Menschen.

Zimmer für Aktion gebucht

Doch wie waren die Greenpeace-Leute überhaupt in das Hotel hineingekommen? Es seien Zimmer gebucht worden, war zu erfahren. Sinn der Aktion, so Greenpeace-Frau Duregger, sei Protest gegen die fossilen Verbrechen der Gaslobby: "Im Rahmen der Europäischen Gaskonferenz trifft sich diese gerade im Marriott hinter verschlossenen Türen."

Die österreichische Bundesregierung müsse als Vorreiterin auftreten und ein Gesetz erlassen, das die Erschließung weiterer fossiler Quellen mit sofortiger Wirkung endgültig verbiete, sagte Duregger. Die aktuellen Produktionslizenzen bis 2035 müssten dann auslaufen. In Frankreich gebe es eine ähnliche Bestimmung bereits.

Rund um das Marriott-Hotel am Parkring befand sich ein großes Polizeiaufgebot.
Foto: Der Standard/ Irene Brickner

Neben den Protesten in der Wiener Innenstadt wurde auch direkt vor der OMV in Schwechat demonstriert. Von der Gruppe Block Gas wurden die Gleise rund um den österreichischen Mineralölkonzern besetzt. Die OMV steht wegen ihrer Investitionspolitik im Fokus der Kritik. Laut Greenpeace wollen sie und das australische Unternehmen ADX Energy den Ausbau der Gasinfrastruktur weiter vorantreiben.

Ein in Rot gehaltener Demonstrationszug bewegte sich am Morgen in Richtung der Raffinerie. Johann Baumschlager, Sprecher der Polizei Niederösterreich, berichtete von zwei Festnahmen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Einige Teilnehmer hatten sich seinen Angaben zufolge bei der Zufahrt zum OMV-Gelände festgeklebt. Die Polizei rückte mit fünf Zügen der Einsatzeinheit aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland aus.

Tausende auf Großdemonstration in Wien

Am Dienstagabend waren die nicht festgenommenen Rotgewandeten dann in Wien auf den Beinen. Gemeinsam mit 4.000 bis 5.000 anderen Menschen demonstrierten sie friedlich für rascheren und besseren Klimaschutz. Gegen 19 Uhr zog die Schlange vom Stephansplatz über den Kai und den Ring, vor dem Marriott wurde eine längere Pause eingelegt. Bis auf zwei bengalische Lichter und einen Knallerwurf blieb es friedlich.

Demo am Dienstagabend in Wien.
Foto: APA/ALEX HALADA

Kurz nach 21 Uhr endete die Kundgebung dann auf dem Karlsplatz. Den Schlusspunkt setzte neuerlich die Umweltschutzorganisation Global 2000: "Sauberes Gas? Dreckige Lüge" wurde auf die Fassade des Wien-Museums projiziert.

Leerstehendes Haus besetzt

Am Nachmittag hatten die Aktivistinnen und Aktivisten die Polizei auf Trab gehalten: Mehrere Personen besetzten im siebenten Bezirk ein leerstehendes Haus, dutzende Beamtinnen und Beamten waren im Einsatz. Der Protest richtete sich nicht nur gegen die Gaskonferenz, sondern auch gegen die Erhöhung der Richtwertmieten und den Umgang der Regierung damit.

Gegen die Konferenz hatte es bereits Montagfrüh in unmittelbarer Nähe des Tagungshotels Proteste von Umweltaktivistinnen und -aktivisten gegeben – organisiert von den Gruppen Block Gas und Don’t Gas Africa.

In Schwechat protestierten nach Angaben der Polizei rund 200 Menschen bei der OMV.
Foto: APA/ Block Gas

Eine der nicht angezeigten Kundgebungen wurde von der Polizei unter Einsatz von Pfefferspray aufgelöst, als die Gruppe trotz Unterzahl versuchte, die Reihen der Exekutive zu durchbrechen. Es gab 143 Festnahmen.

Deutliche Kritik an diesem Polizeieinsatz kam von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die die Proteste eigenen Angaben zufolge an Ort und Stelle verfolgt hatte. Die Polizei habe Demonstrierende eingekesselt, sei "sehr aggressiv" vorgegangen und habe "unverhältnismäßig Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt", schrieb Amnesty International Österreich auf Twitter.

Das Innenministerium wies die Kritik zurück und betonte, es sei zu Angriffen auf Beamte gekommen. Der Einsatz von Pfefferspray sei deshalb verhältnismäßig.

Kritik auf Pressekonferenz

Aus Österreich schloss sich unter anderen Fridays for Future den Protesten an. Die Organisation gab dazu am Dienstagvormittag auch eine Pressekonferenz mit internationalen Kollegen und Kolleginnen. Der Globale Norden missbrauche den afrikanischen Kontinent als Tankstelle, sagte Dean Bhekumuzi Bhebhe von Don't Gas Africa.

Auch im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg in der Ukraine wurde auf der Pressekonferenz ein Ende "des schmutzigen Geschäfts mit dem Gas gefordert", so eine ukrainische Aktivistin. "Die Gaskonzerne interessieren sich nicht für unsere Sicherheit, Gesundheit oder unser Wohlergehen", sagte sie. Ein Sprecher von Attac Österreich trat auf dem Medientermin für eine "Demokratisierung des Gassystems ein". Energiekonzerne müssten mittels Vergesellschaftung zu öffentlichen Unternehmen gemacht werden.

Das Podium der Pressekonferenz.
Foto: : IMAGO/Martin Juen

Die deutsche Sprecherin von Fridays for Future, Luisa Neubauer, nahm in einem Gespräch mit der Austria Presse Agentur speziell die österreichische Politik in die Pflicht. Gerade hierzulande, wenn Hänge für Skigebiete wie heuer aufgrund von Schneemangel grün blieben, werde der Klimawandel deutlich. Doch anstatt erneuerbare Energie voranzutreiben, fehle der Politik der Mut zum Handeln. "Ich war zuletzt auch völlig erstaunt, wie sehr der Ausbau von Windkraft hierzulande stagniert", sagte Neubauer. (Irene Brickner, Max Stepan, jan, rach, moe, ag, APA, 28.3.2023)