Die Initiative "Stolz auf Wien" soll dazu beitragen, die Wiener Identität zu bewahren. Doch längst nicht alles passt ins Muster.

Foto: Regina Hendrich

Die insolvente Restaurantkette Habibi und Hawara und das Café Ritter in Ottakring: Diese Lokale sind unter den bekanntesten Beispielen für Wiener Betriebe, die von der rathauseigenen Initiative Stolz auf Wien aufgefangen wurden.

Stolz auf Wien, das ist eine Beteiligungs-GmbH, die zu 80 Prozent der Wien Holding gehört und zu 20 Prozent der Wirtschaftskammer Wien. Also zum größten Teil der Gemeinde Wien. Sie wurde im Jahr 2020 gegründet "mit dem Ziel, sich temporär an Unternehmen am Standort Wien zu beteiligen", so die Website.

Der Hintergrund ist die Corona-Krise und deren Folgen, die sich für viele Unternehmen in der Hauptstadt existenzgefährdet auswirkte. Mithilfe von Stolz auf Wien "wird Wiener Unternehmen, die Hilfe benötigen, Eigenkapital zur Verfügung gestellt, um diese zu stabilisieren und damit Jobs abzusichern".

40 Millionen Euro wurden insgesamt durch Stolz auf Wien zur Verfügung gestellt. Die Hälfte davon waren öffentliche Gelder, also jene der Steuerzahler. Weitere fünf Millionen stammen von der Wirtschaftskammer Wien, der Rest von Banken, Versicherungen und Unternehmen. Laut eigenen Angaben wurde seit dem Start in über 30 Unternehmen investiert und so etwa 900 Arbeitsplätze gesichert. Die Investments dürfen maximal sieben Jahre laufen und das Ausmaß der Beteiligung nicht mehr als 20 Prozent der Firmenanteile betragen.

Beteiligung mit Steuergeld

Aber wie transparent laufen die stadteigenen Rettungsaktionen? Wer genau wird da unterstützt? Und unter welchen Voraussetzungen? Wer sich diese Fragen stellt und genauer hinsieht, bemerkt: Es gibt zahlreiche Unstimmigkeiten und offene Fragen in Sachen Stolz auf Wien. Um die Causa zu verstehen, muss man wissen, unter welchen Bedingungen die Stolz auf Wien GmbH zur Beteiligung an Unternehmen ausrückt.

Die Kriterien finden sich auf der Website aufgelistet. Zentraler Punkt: Die Betriebe müssen zwar "durch Corona-Krise kurzfristigen Finanzmittelbedarf haben", müssen aber "langfristig eine positive Zukunftsprognose" aufweisen. Daneben gilt als Voraussetzung, dass sie "Teil der Wiener Identität sind" – was immer das genau heißen mag. Schließlich müssen sie "eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung (...) haben" und "eine relevante Anzahl an Arbeitsplätzen sichern".

"Teil der Wiener Identität"

Blickt man nun auf die konkreten Investments, zeigt sich: Diese Kriterien wurden nicht eingehalten – und falls doch, ist es völlig unklar, auf welche Weise. Nach tiefergehender Recherche bezüglich etwa 20 der von Stolz auf Wien unterstützen Unternehmen bleiben einige Fragen offen. DER STANDARD hätte gern von der Stolz auf Wien GmbH ihre Sicht der Dinge erfahren, allerdings blieb die schriftliche Anfrage unbeantwortet.

Wie transparent lief der Beteiligungsprozess ab? Ein Beispiel: das Kriterium der "volkswirtschaftlichen Bedeutung" und der "relevanten Anzahl an Arbeitsplätzen". Eine STANDARD-Auswertung von 20 unterstützten Unternehmen zeigt: Unter jenen, in die Stolz auf Wien investiert hat, finden sich Unternehmen mit lediglich drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und gar solche mit gar keinen gelisteten Angestellten neben den Eigentümern. Inwiefern hier Arbeitsplätze gerettet werden, bleibt also offen.

Unternehmensberatung vs. Altwiener Café

Auch das Kriterium "Teil der Wiener Identität" ist fragwürdig. So findet sich unter den betroffenen Beteiligungen etwa eine Unternehmensberatung. Diese verfügt zwar immerhin über 13 Mitarbeiter – womit zumindest die Voraussetzung einer gewissen Anzahl von Arbeitsplätzen erfüllt wäre. Allerdings: Es bleibt offen, warum eine solche Einrichtung als Teil der Wiener Identität von Bedeutung sein soll – etwa im Gegensatz zu einem traditionellen Kaffeehaus oder einem Handwerksbetrieb.

Zuletzt das wohl wichtigste Kriterium: Die Unternehmen müssen allein aufgrund der Corona-Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geschlittert sein und nicht bereits zuvor in solchen gesteckt haben. Auch hier zeigt sich: Dies dürfte bei der Mehrheit der Unternehmen nicht der Fall gewesen sein. So musste, um ein Beispiel zu nennen, die Bäckereikette Gragger & Cie, in die Stolz auf Wien 2022 investiert hatte, bereits 2017 aufgrund negativen Eigenkapitals eine Fortbestehensprognose mit dem Jahresabschluss übermitteln (so wie auch im Jahr zuvor und im Jahr danach). Auch viele andere unterstützte Unternehmen wiesen laut Firmenbuch bereits vor der Covid-Krise 2020 negatives Eigenkapital, hohe Verbindlichkeiten und eine schlechte langfristige wirtschaftliche Prognose auf. Die Behauptung von Stolz auf Wien, wonach die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausschließlich auf die Pandemie zurückzuführen sind, ist fragwürdig.

Die Sache mit den Fortbestehensprognosen

Überhaupt deuten die dem STANDARD vorliegenden Informationen darauf hin, dass die Stolz auf Wien GmbH nicht genau darauf achtete, ob sich die wirtschaftliche Situation der Unternehmen tatsächlich langfristig positiv darstellt. Hintergrund: Unternehmen, die in Problemen stecken (negatives Eigenkapital aufweisen), müssen üblicherweise besagte positive Fortbestehensprognosen vorlegen. Sie müssen realistisch sein und werden im besten Fall von externen Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern erstellt. Bei den von Stolz auf Wien unterstützten Unternehmen lagen in einigen Fällen aus den Jahren vor der Beteiligung lediglich (wiederkehrende) Einschätzungen der Geschäftsführung vor, dass sich das jeweilige Unternehmen positiv weiterentwickeln werde.

Hinsichtlich einer genauen Überprüfung der wirtschaftlichen Situation (war es also wirklich die Covid-Krise, die für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten verantwortlich war?) hätten aber bisherige Fortbestehensprognosen und die finanzielle Situation in den Vorkrisenjahren auf jeden Fall überprüft werden müssen. Die langfristige Überlebensfähigkeit der Unternehmen sollte im Vordergrund stehen, wenn es sich um Investments öffentlicher Gelder handelt.

Wie lautet nun das Fazit? Eine stadteigene Initiative soll Unternehmen mit Steuergeldern vor den ökonomischen Folgen der Pandemie retten – und erlegt sich selbst zu diesem Zweck einige Kriterien auf, von einer Wiener Identität über die Sicherung von Arbeitsplätzen bis zur Voraussetzung, dass die Unternehmen grundsätzlich wirtschaftlich gesund sein müssen. Doch angewandt werden diese Kriterien allesamt reichlich willkürlich und schwammig. Einen transparenten Auswahlprozess sucht man ebenso vergeblich wie eine ordentliche Prüfung der langfristigen Überlebenschancen der Beteiligungen. Insgesamt fehlt dem Konstrukt Stolz auf Wien eine erkennbare erfolgreiche Strategie den Wirtschaftsstandort Wien betreffend.

Viel Kritik an Stolz auf Wien

Kritik an den städtischen Investments wurde in den letzten Monaten hinsichtlich der Stolz-auf-Wien-Pleiten bereits laut. Nicht nur Transparenz, sondern auch Überförderung und Wettbewerbsverzerrung wurden als Kritikpunkte genannt.

Denn gerade angesichts der Debatte über staatliche Corona-Überförderung von Unternehmen stellt sich die Frage: Wenn die Stadt schon Investor spielt, sollte sie dies nicht unter klaren Bedingungen tun? Stolz auf Wien nahm, wie gesagt, zu alldem gegenüber dem STANDARD nicht Stellung.

Im Übrigen war die Initiative bisher nicht immer erfolgreich. Es finden sich gleich mehrere Unternehmen (siehe Wissenskasten unten), an denen sich Stolz auf Wien beteiligte – und die trotzdem nachher pleite gingen. Gerade angesichts der Tatsache, dass solcherart Steuergelder verloren gingen, lohnt es sich, genau hinzusehen. Es fehlt an Transparenz, wie die paar handverlesenen Firmen letztlich ausgewählt wurden. Und wieso die selbstauferlegten Kriterien in vielen Fällen nicht eingehalten wurden. Denn die meisten Steuerzahler und Steuerzahlerinnen sowie Unternehmen dürften sich anstelle von Stolz wohl mehr Transparenz wünschen. (Lisa Duschek, Joseph Gepp, 29.3.2023)