Helene Funke studierte gegen den Widerstand ihrer Familie an der Münchner Damenakademie Malerei. Ihr Bild "Träume" (1913) kaufte das Belvedere 1978 an.
Foto: Belvedere, Wien / Johannes Stoll

Alle paar Jahre die Präsentation der eigenen Dauerausstellung neu zu ordnen gilt als wichtige Arbeit großer Museen. So können Kunstwerke aus den Depots geholt werden, die ansonsten dort schlummern und nur selten ans Tageslicht kommen und jüngste Neuerwerbungen der Institution für Publikum zugänglich gemacht werden. Außerdem ermöglicht eine derartige Umpositionierung und Erweiterung, die Highlights der Sammlung aus unterschiedlichen Sichtweisen zu kuratieren.

Pünktlich zum 300. Jubiläumsjahr des Belvederes wurden die Karten frisch gemischt. Nach einer umfassenden Neuaufstellung im Jahr 2018 spannt sich der inhaltliche Bogen in Schau! Die Sammlung Belvedere von Cranach bis Export im Oberen Belvedere nun noch weiter. Anhand von rund 400 Werken der sehr breiten Kollektion wird chronologisch aus 800 Jahren Kunstgeschichte erzählt, ein elfköpfiges Team an Kuratorinnen und Kuratoren gestaltete den Rundgang.

Finales Kapitel: Maria Lassnigs "Doppelselbstporträt mit Kamera" (1974) ist eine Dauerleihgabe der Artothek des Bundes.
Foto: Maria Lassnig Stiftung / Johannes Stoll / Belvedere, Wien; Bildrecht, 2023

Mittelalter bis Seventies

Dieser erstreckt sich wie gewohnt über alle drei Stockwerke des barocken Schlosses. Er beginnt rechts vom Haupteingang mit dem Kapitel Mittelalter bis Renaissance und endet – anders als zuvor – vis-à-vis davon mit den Avantgarden der 1960er- und 1970er-Jahre.

Idealerweise beginnt das Publikum also mit dem zwölften Jahrhundert im Parterre, begibt sich dann in den ersten Stock zu Barock, Biedermeier und Wien um 1900, setzt in der zweiten Etage mit Aufbruch in die Moderne und Avantgarden bis 1950 fort. Und endet dann eben im Erdgeschoß (links vom Eingang) mit dem letzten Kapitel.

Diese finale Ergänzung, die von Chefkuratorin Luisa Ziaja konzipiert wurde, widmet sich allen voran Künstlerinnen der feministischen Avantgarde, erst anschließend dem Wiener Aktionismus, und kann als Statement zu mehr Diversität in der Sammlungsschau gelesen werden. Das zieht sich durchaus auch durch andere Teile der Ausstellung: Ein ganzer Raum wirft ein Schlaglicht auf österreichische Künstlerinnen des frühen 20. Jahrhunderts wie Tina Blau oder Olga Wisinger-Florian, die unter Einfluss des französischen Impressionismus Landschaften und Blumenbilder schufen. Die Gemälde entstanden oft im privaten Malunterricht, der Besuch an Kunstakademien blieb Frauen bis 1920 verwehrt.

Ein ganzer Raum wirft ein Schlaglicht auf österreichische Künstlerinnen des frühen 20. Jahrhunderts wie Tina Blau. Hier ihr Gemälde "Frühling im Prater" (1882).
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Haarige Besonderheiten

Neben vermehrt gehängten (Selbst-)Porträts lässt sich ein Leitmotiv der Ausstellung erkennen: Im Fokus steht die Frage nach den sozialen und politischen Verhältnissen, in denen die Kunstschaffenden lebten und arbeiteten. Neue Informationstafeln geben einen Einblick in die vorherrschende Zeit.

So skizzieren etwa Gemälde des 18. Jahrhunderts ungleiche Verhältnisse der damaligen Gesellschaft: Das Porträt einer bürgerlichen Dame wird einer dunklen Szene von Waldmüller gegenübergestellt, in der ein Kind in einer ärmlichen Stube schläft. Es gibt auch lockere Schmankerln: Eines von rund 60 hier noch nie gezeigten Werken ist ein aus Haaren geflochtenes Blumenbouquet.

Highlights wie Franz Xaver Messerschmidts "Charakterköpfe" sind weiterhin in der Ausstellung zu sehen. Hier: "Der Schaafkopf" (1777/83).
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Klimt in neuer Gesellschaft

Must-sees wie Franz Xaver Messerschmidts Charakterköpfe sind weiterhin in der gelungenen Neupräsentation zu finden. Auch Klimts Der Kuss befindet sich unverändert an seinem Platz, wenngleich in neuer Gesellschaft: Mit drei Arbeiten ist die Malerin Elena Luksch-Makowsky, stark vertreten. Ihre Adolescentia hängt prominent neben ihrem Zeitgenossen Klimt. Das Gemälde Ver Sacrum, auf dem sie sich mit ihrem Baby porträtierte, befindet sich seit den 90ern in der Sammlung und wird jetzt mit der 2022 neu angekauften Skulptur Selbstporträt als Schwangere ergänzt.

Deutlich verändert zeigt sich das Moderne-Kapitel, das durch Dauerleihgaben der Sammlungen Carl Laszlo und Rotter abstrakter und internationaler auftritt. Für die nächsten fünf Jahre wird nun eine Komposition von Bauhaus-Künstler László Moholy-Nagy mit Diving Bird von der Wiener Kinetistin Erika Giovanna Klien gepaart. Erfrischend! (Katharina Rustler, 28.3.2023)