Im US-Bundesstaat Tennessee ist es erneut zu einem Schussattentat an einer Schule gekommen, bei dem drei Kinder und drei Erwachsene erschossen wurden – schließlich wurde auch die der Tat verdächtige Person von der Polizei getötet.

Die Privatschule der Covenant Presbyterian Church in Nashville – am Montag ein Tatort.
Foto: REUTERS/Kevin Wurm

Während der Vorfall selbst einigermaßen klar zu sein scheint, gibt es teils unvollständige, teils widersprüchliche und teils spekulative Angaben über die Täterperson: Sie wird von der lokalen Polizei als 28-jährige Frau bezeichnet, dürfte aber Social-Media-Informationen zufolge als Mann gelebt haben. Jedenfalls gerät auch dieses "School-Shooting" wieder zum Politikum über Waffengesetze – aber auch über Transgender-Personen.

Frage: First things first: Was ist passiert?

Antwort: Laut US-Medienberichten betrat eine von der Polizei später als 28-jährige Frau identifizierte Person am Montagvormittag (Ortszeit) ein Gebäude der privaten Covenant Presbyterian School der gleichnamigen Kirchengemeinde im wohlhabenden Süden von Tennessees Hauptstadt Nashville und eröffnete das Feuer auf mehrere anwesende Personen. Dabei wurden drei Schulkinder im Alter von neun Jahren – zwei Mädchen und ein Bub – und drei Erwachsene getötet. Es handelte sich dabei um die Direktorin (60), eine Aushilfslehrerin (61) und einen Schulwart (61).

Frage: Wie lief die Tat ab?

Antwort: Die mutmaßliche Täterin hatte sich in dem Gebäude laut Polizeibericht offenbar sehr gut ausgekannt, hatte auch detaillierte Karten bei sich, wo unter anderem die Positionen von Überwachungskameras eingezeichnet waren. Zugang zum Gebäude habe sie erhalten, nachdem sie mit Schüssen eine Tür beschädigt hatte. Die um 10.13 Uhr Ortszeit alarmierte Polizei beendete den Überfall, indem sie die mutmaßliche Täterin erschoss. Insgesamt starben also sieben Menschen, verletzt wurde darüber hinaus niemand. Laut Polizeiangaben sei die Frau mit mindestens zwei Sturmgewehren und einer Handfeuerwaffe bewaffnet gewesen. Alle Waffen seien legal im Großraum Nashville gekauft worden.

Die "Angreiferin war auf eine Konfrontation mit den Ordnungskräften vorbereitet", berichtete der Polizeichef, sie sei "bereit gewesen, noch mehr Schaden anzurichten", wurde dann aber von der Polizei getötet.

Trauer nach dem School Shooting in Nashville.
Foto: Brendan SMIALOWSKI / AFP

Auf Überwachungsvideos ist eine Person mit Tarnhose, weißem Shirt, schwarzer Weste und roter, nach hinten gedrehter Baseballkappe zu sehen. Sie geht mit gezogener Waffe durch das Gebäude. An einer Stelle ist zu sehen, wie Anzeigen für einen Feueralarm losgehen, während die bewaffnete Person an einem Kindergottesdienst vorbeigeht.

Frage: Ist etwas über ein mögliches Tatmotiv bekannt?

Antwort: Bisher nicht, wenngleich die Polizei erklärte, dass man "eine Theorie" habe. Am Tatort seien ein "Manifest" sowie andere "Schriftstücke" gefunden worden. Über deren Inhalt hat sich die Polizei bisher nicht geäußert. Als gesichert gilt, dass die Frau früher selbst Schülerin an der Covenant Presbyterian Church gewesen sei.

Polizeichef Chief Drake sagte, es sei noch zu früh, um über ein mögliches Motiv für die Schießerei zu sprechen, er bestätigte jedoch, dass der Angriff gezielt gewesen sein dürfte. Man sei dabei, Schriftstücke zu prüfen, man habe Kontakt mit dem Vater aufgenommen.

Frage: Ganz offensichtlich gibt es Verwirrung um die Gender-Identität der verdächtigen Person. Was hat es damit auf sich?

Antwort: In der Tat ist der Umstand zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht restlos geklärt. Die Polizei sprach davon, dass es um eine 28-jährige Person gehe, die früher selbst Schülerin an dieser Institution gewesen sei. In ihren Statements berichtete die Polizei abwechselnd von einer Frau und einem Mann: Je nach zeitlichem Zusammenhang sprach sie von einer "Schülerin" (in Bezug auf die Vergangenheit) und einem "Täter" (in Bezug auf das Shooting).

Kristin Mumford, eine Polizeisprecherin, sagte laut "New York Times", dass "der Schütze" weiblich geboren worden sei, aber auf einem Linkedin-Profil männliche Pronomen angab, was darauf hindeute, dass der Verdächtige ein Transgender-Mann gewesen sei. Dieses Profil sei in den vergangenen Monaten aktiv gewesen. Auf die Frage eines Reporters, ob die Geschlechtsidentität der Täterperson mit der Schießerei in Verbindung stehe, sagte Polizeichef John Drake: "Wir gehen allen Hinweisen nach."

Ein Lehrer beschrieb seine ehemalige Schülerin als "ein eher ruhiges Mädchen, das seine Arbeit sehr ernst nahm". Sie – beziehungsweise er – war beruflich in den Bereichen Illustration und Grafikdesign tätig.

Eine Mutter konfrontiert die Medien: "Seid ihr es nicht leid, über solche Sachen berichten zu müssen?"

Frage: Wie reagiert die US-Politik auf dieses weitere School-Shooting?

Antwort: Größtenteils in der für europäische Ansichten unverständlichen Art und Weise: Man solle an den sehr liberalen Waffengesetzen festhalten – das ist zumindest die Meinung aus dem rechten, konservativen Lager, das die Republikanische Partei abdeckt. Eine konträre Meinung vertritt freilich der demokratische US-Präsident Joe Biden: "Ich fordere den Kongress erneut auf, mein Verbot von Angriffswaffen (wörtlich, gemeint sind u.a. Sturmgewehre) zu verabschieden. Es ist an der Zeit, dass wir anfangen, Fortschritte zu machen", ließ er unmittelbar nach der Tragödie verlauten.

Biden hat laut "New York Times" in seiner Amtszeit als Präsident seit Jänner 2021 wiederholt ein solches Verbot gefordert, so auch kürzlich bei einem Besuch in Monterey Park, Kalifornien, wo ein Amokläufer erst im Jänner in einem Tanzstudio elf Menschen getötet hatte. Doch Bidens Macht als Präsident mit einem in zwei Blöcke geteilten Kongress ist recht limitiert. Und auch vor den Midterm-Wahlen war Biden – damals noch mit Mehrheiten in Senat und Abgeordnetenhaus ausgestattet – nicht in der Lage, ein Verbot zu verabschieden. Ähnlich erging es auch allen anderen demokratischen US-Präsidenten vor ihm. Der Waffenbesitz ist in den USA verfassungsrechtlich verankert und gilt Millionen Menschen dort als "heilige Kuh".

Frage: Sind die Spekulationen über die Transgender-Identität des Täters oder der Täterin ein Thema für die Politik?

Antwort: Allerdings. Die für ihre Rechts-außen-Positionen bekannte Republikanerin Marjorie Taylor Greene spekulierte auf Twitter wild über die Auswirkungen von "Testosteron"-Therapien und "Medikationen bei mentalen Erkrankungen". Für sie sonnenklar: Nicht die Waffengesetze oder die Waffen selbst seien das Problem, sondern der politische, gesellschaftliche und medizinische Umgang mit solchen Personen. Ihr Tweet, der bis Dienstagvormittag (MESZ) fast 10.000-mal retweetet wurde und fast 40.000-mal Likes erhielt, wurde allerdings auch vehement kritisiert.

Frage: Wie viele Vorfälle wie der an der Covenant Presbyterian School gab es heuer schon in den USA?

Antwort: Das Gun Violence Archive, laut "New York Times" eine gemeinnützige Forschungsgruppe, hat in den USA seit Jahresbeginn mehr als 130 "mass shootings" registriert, bei denen mindestens vier Menschen getötet oder verletzt wurden. Zur Einordnung: Der heutige Tag, der 28. März 2023, ist der 87. Tag des Jahres. Allein in diesen wenigen Tagen wurden mindestens 59 Kinder durch Schusswaffen getötet und 129 verletzt.

Seit 2016 ist die Zahl solcher Mass-Shootings tendenziell gestiegen. 2016 gab es 383, im vergangenen Jahr 2022 gab es 670.

Generell wird die überwiegende Mehrheit der Taten von männlichen Personen begangen, schreibt die "New York Times". (Gianluca Wallisch, 28.3.2023)