Die Ampelkoalition von Robert Habeck (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) (von links) ist sich bei ihrem künftigen Regierungskurs uneinig.

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"Ideenreichtum, #Schlafmangel – #Koalitionsausschuss" – das twitterte der deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Montag. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, dachten da viele. Denn schließlich saßen die Spitzen von SPD, Grünen und FDP zu diesem Zeitpunkt schon seit Sonntagabend bei Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt.

Doch sie irrten sich. Auch nach 20 Stunden schaffte der Koalitionsausschuss keine Einigung über den Kurs in strittigen Themen. Ob es die Koalition überhaupt noch gebe, wurde Regierungssprecher Steffen Hebestreit dann am Montagmittag gefragt. Das zumindest bejahte er.

Kurz darauf endete das Treffen jedoch. Aber nicht, weil Lösungen im Streit um ein Verbot von alten Gas- und Ölheizungen, Familienleistungen oder den Ausbau von Schienen- und Autobahnnetz zu verkünden waren. Sondern weil Scholz, Lindner, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie einige andere Kabinettsmitglieder nach Rotterdam zu den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen fliegen mussten.

"Nette Zwischenzeit"

Offensichtlich war Scholz ganz froh, Berlin für ein paar Stunden entronnen zu sein. Er nannte den kurzen Aufenthalt in den Niederlanden "eine nette Zwischenzeit", die man jetzt "bei unseren Freunden" habe. Dass daheim in Deutschland nichts weiterging, erklärte er so: "Wir wollen sehr klare, konkrete Festlegungen treffen, die es möglich machen, dass wir das notwendige Tempo erreichen."

Der Koalitionsausschuss hatte am Sonntag unter schlechten Bedingungen begonnen. Einige Tage zuvor war Habeck sehr schlecht gelaunt gewesen. In den ARD-"Tagesthemen" beschwerte er sich erbost, dass sein erster Entwurf zu einem Einbaustopp von konventionellen Öl- und Gasheizungen ab 2024 bewusst aus der Koalition an die "Bild"-Zeitung durchgestochen worden sei – noch bevor Klarheit über finanzielle Hilfen geherrscht habe.

"Billiger, taktischer Vorteil"

Das, so Habeck, sei bloß des "billigen, taktischen Vorteils wegen" passiert. Er verdächtigte niemanden konkret, aber es ist bekannt, dass die FDP seinen Plänen sehr kritisch gegenübersteht. Erstaunlicherweise konstatierte Habeck dann aber: "Das Miteinander im Kabinett ist tadellos."

Und dennoch: Nach fast 20 Stunden Verhandlungen gab es noch kein Ergebnis, nach der kleinen Auszeit in den Niederlanden setzte man sich am Dienstagvormittag wieder im Kanzleramt zusammen. "Ist das Koalitionsausschuss oder Gruppentherapie?", wurde FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle im "Morgenmagazin" von ARD und ZDF gefragt. Der gab seinen eigenen Leuten einen Tipp: "Was ich nicht gut finde, ist, wenn man die Zusammenarbeit in der Koalition grundsätzlich infrage stellt. Da sollten wir alle uns auch an die eigene Nase fassen, einschließlich der FDP."

Besuch um 16 Uhr

Wie lange die Verhandlungen noch dauern werden und ob ein Ergebnis herauskommt, war am Vormittag unklar. Scholz jedenfalls muss um 16 Uhr den kenianischen Staatspräsidenten William Ruto empfangen. Am Nachmittag tagen auch die Fraktionen im Bundestag, da würde man auch gerne wissen, wie es weitergeht.

Scharfe Kritik kommt aus der Opposition. "19 Stunden Dauerstreit im Kanzleramt ohne Ergebnis. Diese Bundesregierung ist stehend k. o.", sagte CDU-Chef Friedrich Merz. "Das Bild, das die Bundesregierung abgibt, ist erbärmlich. Die Ampel ist nicht regierungsfähig, das schadet dem Land", meint CSU-Generalsekretär Martin Huber. Und Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch betont: "Von der selbst ernannten Fortschrittskoalition zur Enttäuschungskoalition: Es ist fraglich, ob sich die Ampel von dieser Blamage gegenüber den Bürgern erholen kann." (Birgit Baumann aus Berlin, 28.3.2023)