Es müsse in Österreich Gesundheitsleistungen auf hohem Niveau für alle geben, "dafür brauche ich meine E-Card, nicht meine Kreditkarte", sagte Rauch.

Foto: Corn

Dass im österreichischen Gesundheitssystem nicht alles rund läuft, ist bekannt. Wie sind aber die Probleme im internationalen Vergleich zu beurteilen, und wie hat sich die Pandemie auf das heimische Gesundheitssystem ausgewirkt? Das lässt sich aus der OECD-Studie "Health at a Glance" herauslesen, die alle zwei Jahre erstellt wird. Am Dienstag stellte Francesca Colombo, Vorsitzende der OECD-Gesundheitsabteilung, die österreichspezifischen Ergebnisse in Wien vor, neben Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und dem Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH (Gög), Herwig Ostermann.

Österreich gibt für das Gesundheitssystem mehr aus als die meisten anderen OECD-Länder und erzielt in Sachen Versorgung und Zugang gute Werte. Auch die Lebenserwartung ist über dem Schnitt und in der Pandemie weniger stark gesunken (minus 0,7 Jahre) als im EU-Schnitt (minus 1,2 Jahre).

Allerdings hat das Land in Sachen Vorsorge und gesunder Lebensstil einige Luft nach oben: Sowohl die Zahl der täglichen Raucher (rund jeder und jede Fünfte) ist höher als im OECD-Schnitt (16,5 Prozent) als auch die Menge an Alkohol, die getrunken wird. Wobei diese Werte, im zeitlichen Verlauf betrachtet langsam leicht sinken. Allerdings seien Österreichs Ausgaben für Vorsorge sehr gering, hier könne noch viel mehr bewegt werden, fügte Colombo später hinzu.

Mehr depressive junge Erwachsene

Die Pandemie hat hierzulande eine besonders hohe Zahl an jungen Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren hervorgebracht, die an depressiven Symptomen leiden: 41,3 Prozent sind es in dieser Altersgruppe und damit fast doppelt so viele wie im Gesamtschnitt der erwachsenen Bevölkerung (23,7 Prozent). Nur Norwegens Wert ist bei den jungen Erwachsenen noch höher. Bei der Krebsvorsorge kam es durch die Pandemie zu Verzögerungen, und 2020 waren um zehn Prozent weniger Krebspatienten im Spital als in anderen Jahren.

Die Aussage, dass es einen Personalmangel gibt – wie oft aus Spitalsabteilungen hierzulande zu hören ist –, lässt sich aus dem internationalen Blickwinkel nicht in dieser Form bestätigen: So hat Österreich laut OECD-Bericht vergleichsweise viel Gesundheitspersonal, allerdings im Vergleich relativ wenige Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner.

Das Land ist "sehr spitalszentriert", wie Colombo ausführt. Zwar sank die Zahl der Spitalsbetten über die Jahre, sie liegt aber weiterhin über dem EU-Schnitt. Weiters werden in Österreich viele Untersuchungen mithilfe technischer Geräte durchgeführt. Und man könnte, wie schon in den vergangenen Jahren festgestellt wurde, noch mehr Eingriffe in den ambulanten Bereich verlegen. "Eine starke Primärversorgung verhindert Spitalsaufnahmen", sagte Colombo.

"Telemedizin mitdenken"

Durch die Gesundheitsreform 2012/13 sei es aber gelungen, langsam Spitalsbetten und Spitalsaufenthalte zu reduzieren. Die Gesundheitsausgaben hätten sich nur moderat erhöht, wobei der Anteil der privaten und der öffentlichen Ausgaben in etwa gleich geblieben sei, fasste Ostermann von der Gög zusammen. Man müsse noch mehr von der Krankenhauslastigkeit wegkommen und bei der Primärversorgung auch telemedizinische Angebote mitdenken, fügte er später hinzu.

Gesundheit dürfe keine "Frage des Geldes und des Einkommens sein", hielt Gesundheitsminister Rauch eingangs fest. Es müsse in Österreich Gesundheitsleistungen auf hohem Niveau für alle geben, "dafür brauche ich meine E-Card, nicht meine Kreditkarte", sagte Rauch.

Im niedergelassenen Bereich gebe es aber die Tendenz eines Shifts in den Wahlarztsektor, weil sich im Kassenbereich Lücken auftun. Da brauche es aber eine Stärkung, um den stationären Bereich zu entlasten. Hier fehle es auch an den entsprechenden Öffnungszeiten, "deshalb reite ich auch so auf den Primärversorgungszentren herum", sagte Rauch, der erst vor wenigen Wochen verkündet hat, die aktuelle Zahl solcher Zentren zu verdreifachen. Sie seien "das Modell der Zukunft", die Arbeitsbedingungen seien dort attraktiv, und es bestehe eine hohe Patientenzufriedenheit.

"Aus den Schützengräben"

Zweitens müssten beim Thema Vorsorge "alle aus ihren Schützengräben heraus. Dass jemand sagt: Das ist keine Heilbehandlung, daher bezahlen wir das nicht, kann ich nicht mehr hören", sagte Rauch, der hier einmal mehr die Zersplitterung der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung als problematisch erwähnte. Bei den aktuell laufenden Finanzausgleichsverhandlungen sollen neue Modelle für die Finanzierung der verschiedenen Bereiche diskutiert werden, beispielsweise fordern die Länder da die Finanzierung des ambulanten Bereichs aus einem Topf.

Drittens gebe es im Bereich Digitalisierung Luft nach oben. Es sei ein Unding, dass das Gesundheitsministerium die Länder um Daten bitten müsse. Außerdem wolle er bessere Voraussetzungen für die Elektronische Gesundheitsakte (Elga) schaffen. Weiters sprach sich Rauch einmal mehr – beim Stichwort Arzneimittelengpässe – für die Wirkstoffverschreibung aus, wo aber die Ärztekammer blockiert. Und in Sachen Gesundheitspersonal hielt der Minister fest, dass es ohne den qualifizierten Zuzug nicht gehen werde, das gelte nicht nur im Gesundheitssystem, sondern für die gesamte heimische Wirtschaft. Sonst werde man den Wohlstand nicht halten können. (Gudrun Springer, 28.3.2022)