Ab 2035 sollen neu gekaufte Autos keine CO2-Emissionen mehr verursachen.

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Das Ende des klassischen, mit Benzin und Diesel betriebenen Verbrennungsmotors in Autos und Klein-Lkws ist besiegelt. Ab dem Jahr 2035 dürfen neue Fahrzeuge in dieser Betriebskonstellation im EU-Raum nicht mehr zugelassen werden. Sie müssen klimaneutral sein und dürfen kein CO₂ aus fossilen Brennstoffen ausstoßen.

VIDEO: "Wir werden diese Verordnung heute auf den Weg bringen", kündigte Klimaministerin Leonore Gewessler am Dienstag vor einem Treffen der EU-Energieminister in Brüssel an.
DER STANDARD

Für zuvor zugelassene Benziner und Diesel gilt das Verbot freilich nicht. Derzeit könnten EU-weit rund 250 Millionen Autos in nur zwölf Jahren auch kaum so rasch ersetzt werden. Die Verbrenner alten Typs werden noch gut zwanzig Jahre lang auf den Straßen rumkurven.

Aber: Es wird auch eine Ausnahmeregelung geben: Verbrennermotoren, die ausschließlich synthetisch erzeugte E-Fuels verbrauchen, dürfen über 2035 hinaus uneingeschränkt zugelassen werden, so wie in schweren Lkws, in Einsatzfahrzeugen oder in Schiffen auch.Das haben die EU-Verkehrsminister Dienstag in Brüssel mit qualifizierter Mehrheit beschlossen. Nur noch wenige Staaten – Italien und Polen – stimmten dagegen, nachdem Deutschland auf Zustimmung eingeschwenkt hatte. Auch Verkehrs- und Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) stimmte für Österreich dem Kompromiss zu.

Das Kleingedruckte

Damit ging ein langer Streit um die Zukunft des Verbrennermotors im individuellen Pkw-Sektor zu Ende – zumindest formal und vorläufig. Wie vom Standard berichtet, hatten sich die Regierungen der Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament und die EU-Kommission schon im Herbst 2022 auf ein Verbrenner-Aus ab 2035 prinzipiell geeinigt. Das Kleingedruckte fehlte aber. Ein von Deutschland eingebrachter "Erwägungsgrund", wonach die Kommission zusätzlich einen Vorschlag zur Nutzung von E-Fuels vorlegen werde, hing juristisch in der Luft. Der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zog die Notbremse, verlangte Garantien von der Kommission. Er löste damit einen wilden Streit über die Unzuverlässigkeit Deutschlands bei EU-Beschlüssen aus. Mehrere Länder, darunter Polen, Italien, Tschechien und Österreich, unterstützten die deutsche Position beim EU-Gipfel vergangene Woche.

Der erste geschäftsführende Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, für Klimaschutz zuständig, einigte sich mit Wissing am Samstag. Demnach soll eine Ausnahme für E-Fuel-Autos über eine neue EU-Zulassungsverordnung realisiert werden. Im Herbst 2023 wird es eine Vorlage dazu geben, die vor den Europawahlen im Mai 2024 umgesetzt werden soll. Ob das klappt und ob das Parlament dem durch Ablehnung einen Strich durch die Rechnung machen wird, ist genauso unklar wie die Frage, ob E-Fuels sich beim Einsatz in Pkws je rechnen werden.Aber es ist Zeit gewonnen. Mit der jüngsten Einigung endet ein Grundsatzstreit zur Zukunft des Automobils in Europa, der zwischen Parteien und Regierungen, Autoherstellern und Klimaaktivisten, zwischen Ländern und Kommission seit Jahren tobte. Elektroautos sollen die Zukunft sein.

"Technologieoffenheit"

Die einen, wie Luxemburgs grüner Verkehrsminister Claude Turmes, glauben, dass ein Liter E-Fuel in Zukunft bis zu acht Euro kosten würde, was sich niemand leisten könne außer "Porsche-911-Fahrer". Die anderen halten das für Propaganda. E-Fuels könnten in sonnenreichen Regionen der Erde billig erzeugt werden und seien anders als Strom gut speicher- und transportierbar. Sonst wäre auch der Flugverkehr schwer zu erhalten. VW-Chef Oliver Blume, dessen Konzern auf E-Autos setzt, sprach sich für "Technologieoffenheit" aus, das Verbrennerverbot werde in Europa gelten, aber nicht im Rest der Welt.

Die Streitfrage Treibstoffe oder Strom für Fahrzeugantriebe, vor allem, wie Energie im EU-Raum erzeugt bzw. gesichert werden kann, schwebt wie ein Damoklesschwert über vielen EU-Ministerräten.

Wie bisher beim Verbrenner blockierten sich in Sachen Gasmarktrichtlinie, die mit dem EU-Parlament zu verhandeln ist, zwei Lager: Frankreich versucht, seine nationale Strategie des Ausbaus der Atomenergie auf EU-Ebene zu etablieren, und drängt vehement darauf, dass Nuklearenergie als "Brückentechnologie" und als "sauber, weil CO₂-arm" anerkannt wird. Damit will Paris in den Genuss von EU-Förderprogrammen kommen.

Atomar statt erneuerbar

Das Lager derer, die wie Deutschland und Österreich alles auf erneuerbare Energie aus Wind-, Wasser – und Sonnenkraft setzen, hält hart dagegen. Diese Auseinandersetzung dürfte noch lange anhalten.

Immerhin: Einig sind sich EU-Parlament und -Staaten über Mindeststandards bei der Versorgungsinfrastruktur für die Autos der Zukunft auf Europas Hauptverkehrsstraßen. Alle 200 Kilometer müsse es eine Tankmöglichkeit für Wasserstoff geben, alle 60 Kilometer eine Ladestation für E-Autos. (Thomas Mayer aus Brüssel, 28.3.2023)