Olaf Scholz (links) verlor die Wahl um den SPD-Vorsitz und wurde später trotzdem Spitzenkandidat und dann Kanzler. Bei Pamela Rendi-Wagner dürfte das nicht so ablaufen.

Foto: APA/Hochmuth

In "Inside Austria", dem gemeinsamen Newsletter von STANDARD und SPIEGEL, geht es diese Woche um die SPÖ-Vorsitzwahl – und die Frage, was sie von der Führungswahl 2019 bei ihrer deutschen Schwesterpartei SPD unterscheidet. Der wöchentliche Newsletter kann hier abonniert werden.

Ruhe in der Partei, Einigkeit und schließlich die Eroberung der Kanzlerschaft: Die SPD kann mit der Entwicklung seit ihrer Vorsitzwahl 2019 durchwegs zufrieden sein. Ähnliches will nun auch die SPÖ erreichen, die offiziell eine Mitgliederbefragung zur Vorsitzfrage beschlossen hat.

Doch sie wirkt von ihren eigenen Plänen überrumpelt: Die Hürden für den Antritt sind gering, eine Stichwahl ist nicht vorgesehen, und die Art der Wahlauseinandersetzung ist völlig unklar. Dabei hätte die SPÖ mit der Vorsitzwahl bei der deutschen Schwesterpartei im Jahr 2019 eine Schablone gehabt, wie man so einen Prozess gestaltet. Doch es wirkt, als würden in Österreich taktische Spielchen dominieren.

Die Ausgangslage

Das mag auch daran liegen, dass sich Pamela Rendi-Wagner als Parteichefin bestätigen lassen will. Die Vorsitzwahl ist also auch eine Machtprobe der aktuellen Führung, die ihren größten Kritiker, den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, verstummen lassen will.

Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sprach dann auch von einem "Stimmungsbild", das abgefragt werde. In Deutschland war das anders, da war Andrea Nahles 2019 endgültig als Vorsitzende zurückgetreten. Dadurch war die Abstimmung deutlich freier, aus ihr würde ja zwangsläufig ein neues Führungspaar hervorgehen.

Die Kandidaten

Die SPD legte rasch gewisse Schranken für den Antritt zur Vorsitzwahl fest und empfahl eine Doppelspitze. Wer antreten wollte, musste die Unterstützung von fünf Unterbezirken, einem Bezirk oder einem Landesverband aufweisen. Das schafften neun Paare mit durchaus klingenden Namen wie die Politikwissenschafterin Gesine Schwan, der heutige Verteidigungsminister Boris Pistorius oder der Gesundheitsminister Karl Lauterbach.

Bei den Genossen aus Österreich darf hingegen jede und jeder mit SPÖ-Mitgliedschaft und dreißig Unterstützungserklärungen kandidieren. Das führt dazu, dass 73 Kandidatinnen und Kandidaten antreten wollen. Wobei alles auf einen Dreikampf zwischen Rendi-Wagner, Doskozil und dem Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler hinausläuft. Ein weiterer oft genannter potenzieller Kandidat, Ex-Obmann Christian Kern, will nicht antreten.

Der Ablauf

Wer SPD-Chef(in) werden wollte, musste viel reisen. Zwischen September und Oktober 2019 wurden alle Kandidatenpaare zu 23 Regionalkonferenzen eingeladen, wo sie sich in Summe fast 17.000 Mitgliedern live präsentierten. Das erinnerte fast an US-amerikanische Vorwahlkämpfe zur Präsidentschaftskandidatur, wo Bewerberinnen und Bewerber ja sogar Urnengänge in einzelnen Bundesstaaten gewinnen müssen. Danach wurde abgestimmt, schließlich gab es eine Stichwahl zwischen den zwei stimmenreichsten Kandidatenpaaren.

In Österreich ist man, wenig überraschend, eher planlos. Bekannt ist, dass die Befragung nach der Salzburg-Wahl Ende April losgehen soll. Ob es gemeinsame Konferenzen in den Bundesländern gibt oder bloß jede und jeder einzeln Wahlkampf macht, ist noch unklar. Auch eine Stichwahl soll es nicht geben, was bereits für heftige Kritik gesorgt hat.

Das Ergebnis

In Deutschland gingen bekanntermaßen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als Sieger der Vorsitzwahl hervor, das Kandidatenpaar des "linken Flügels". Ihre Autorität und Führungsposition machten es möglich, dass die beiden dann Olaf Scholz, den sie bei der Vorsitzwahl besiegt hatten, als Kanzlerkandidaten vorschlugen. Der Rest ist Geschichte: Nach fast zwanzig Jahren wurde die SPD bei der Bundestagswahl 2021 erstmals wieder stärkste Kraft.In Österreich stehen spätestens im Herbst 2024 neue Wahlen an.

Es gilt als nahezu gesichert, dass der Gewinner der Vorsitzwahl dann auch Spitzenkandidat wird. Allerdings werfen einige der Kandidaten der Führungsspitze schon jetzt vor, unfair zu agieren. So gab es heftige Bedenken dagegen, die Wahlkommission von einem Vertreter der Wiener SPÖ führen zu lassen, die sich deutlich hinter Parteichefin Rendi-Wagner gestellt hat. Gewinnt sie, könnte es weiter zu Zwischenrufen und Unruhe kommen – vor allem dann, wenn die SPÖ in Umfragen nicht als klare Favoritin gilt und die FPÖ weiter dominiert. Womöglich ist aber ein "deutscher" Weg denkbar: Wenn der "linke" Andreas Babler gewinnt, könnte er den sicherheits- und migrationspolitisch "rechten" Doskozil zum Spitzenkandidaten machen – und so das Beste aus beiden Parteiwelten vereinen. (Fabian Schmid, 29.3.2023)