Schon lange bevor das Römische Reich versuchte, seine Kultur in die entlegensten Winkel West- und Mitteleuropas zu tragen, breitete sich quer durch Europa von den Britischen Inseln und der Iberischen Halbinsel bis zum Schwarzen Meer eine hochentwickelte Kultur aus: Die Kelten besiedelten ab dem fünften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung zentrale Gebiete des eisenzeitlichen Europa und prägten jahrhundertelang die Entwicklung unseres Kontinents.

Ihnen widmet das Mistelbacher Mamuz-Museum seine diesjährige Sonderausstellung mit dem schlichten Titel "Kelten". Mit üppigen archäologischen Funden wird ein detailliertes Bild von Leben, Alltag und Glaubenswelt der Menschen in der späten Eisenzeit gezeichnet.

Das Sujet des Mamuz zur Ausstellung zeigt einen Mann in keltischer Tracht mit einer Carnyx.
Foto: Mamuz/Atelier Olschinsky

Zugeschriebene Klischees

Vieles, was bisher die Ansichten über die Kelten bestimmte, basiert mehr auf klischeehaften Fremdzuschreibungen, als historisch verbürgt zu sein. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Kelten in der vorrömischen Zeit so gut wie keine Schriftzeugnisse hinterlassen haben. Der Großteil dessen, was aus der Antike über die keltischen Völker überliefert wurde, stammt von griechischen und römischen Autoren, inklusive der Bezeichnung Kelten respektive Gallier für die Volksgruppe. Herodot berichtet in seinen Historien, dass der Fluss Ister – die Donau – im Gebiet der Keltoi seinen Ursprung hat.

Blaupause für Asterix

Gaius Iulius Caesar schildert in "De bello Gallico" zahlreiche gallische Stämme: Gallien sei in drei Teile geteilt, in denen die Belgen, Aquitanier und "die, die sich in ihrer eigenen Sprache Kelten nennen, in unserer Sprache aber Gallier heißen", leben würden, berichtet der römische Feldherr. Der Feldzug Caesars in Gallien ist es auch, der die Kelten popkulturell im Bewusstsein der breiten Bevölkerung verankert hat, schließlich lieferte er damit die Blaupause für die Asterix-Comics.

Doch die Klischees und Stereotype über die Kelten haben mit der historischen Realität kaum etwas gemein. Mit den Methoden der Archäologie kann heute ein detailliertes Bild der keltischen Kultur gezeichnet werden. Dank der archäologischen Forschungen sei man in der Lage, "die Schriftquellen zu ergänzen und teilweise zu korrigieren", sagt der Kurator der Ausstellung, Peter Trebsche. Die Bevölkerung war keinesfalls homogen – die Kelten sind ein Sammelbegriff für eine Vielfalt von ethnischen Gruppen und Stämmen, die alle eine ähnliche Sprache und materielle Kultur als Grundlage hatten.

Im Mamuz werden die Landwirtschaft und das Handwerk der Kelten ebenso beleuchtet wie die Mythologie und Rituale, aber auch Handel und Wirtschaft und das Leben in den Siedlungen. Von Waffen über Werkzeuge, Münzen, Geschirr und Schmuck: Fast 300 originale Objekte werden gezeigt. Dies ist mit Unterstützung durch das Land Niederösterreich möglich: Eine Vielzahl an Objekten stammt aus den niederösterreichischen Landessammlungen. Rund 20 weitere Institutionen aus Österreich, Deutschland, der Tschechischen Republik, Ungarn, der Slowakei und Slowenien sind mit Leihgaben beteiligt.

Ein Ausstellungsbereich befasst sich mit dem keltischen Handwerk. In der Bildmitte sind Webstuhlgewichte zu sehen.
Foto: Mamuz
In einem weiteren Bereich wird die Landwirtschaft der Kelten präsentiert.
Foto: Mamuz

Eingebettet sind die Exponate in eine multimediale Aufbereitung mit Videos, Audio- und Mitmachstationen, die sich unter anderem gezielt an Kinder richten. Aber auch Erwachsene dürfen sich spielerisch dem Thema nähern und etwa mit keltischen Würfeln die Zukunft vorhersagen. Schwerpunkt der Ausstellung sind Ausgrabungen aus der jüngeren Zeit, die zum Teil noch nicht öffentlich zu sehen waren, unter anderem aus Haselbach und Ronthal, erklärt der wissenschaftliche Leiter des Mamuz, Franz Pieler.

Diese Gürtelkette aus den Niederösterreichischen Landessammlungen wurde in Oberrohrbach gefunden, und zwar zufällig nach einem Gewitterregen von einem Spaziergänger. Die Gürtelkette dürfte aus einem keltischen Frauengrab stammen, da derartige Ketten typisch für die damalige Frauentracht waren. Sie besteht aus einzeln gegossenen Bronzegliedern, die mit Kettchen verbunden wurden.
Foto: Mamuz/NÖ Landessammlungen
Dieser goldene Armreif aus dem Fürstengrab von Rodenbach
stammt aus der Sammlung des Historischen Museums der Pfalz in Speyer und ist ein Meisterwerk der keltischen Goldbearbeitung. Dargestellt sind Masken, Becher und Widderköpfe.
Foto: Mamuz / Peter Haag-Kirchner, Historisches Museum der Pfalz Speyer
Die keltische Münzprägung orientiert sich an Vorbildern aus Makedonien, und zwar vor allem an Münzen des Makedonenkönigs Philipp II. und seines Sohns Alexander III., der später "der Große" genannt wurde. Das hat eine einfache Erklärung: Keltische Krieger wurden oft als Söldner angeheuert und brachten ihren Sold mit nach Hause. Dort begannen die Kelten schließlich mit einer eigenen Münzprägung im hellenistischen Stil.
Foto: Mamuz / NÖ Landessammlungen
Diese Linsenflasche stammt aus Thunau am Kamp. Linsenflaschen konnten erst mit der um 450 v.u.Z. eingeführten schnellrotierenden Töpferscheibe erzeugt werden. Die Verzierung mit Zirkelornamentik ist typisch für den Kunststil der frühen Kelten.
Foto: Mamuz / NÖ Landessammlungen

Mit den modernen archäologischen Methoden ist es heute möglich, Details zu den Lebensgeschichten von vor mehr als zwei Jahrtausenden verstorbenen Individuen zu rekonstruieren. Beispielhaft werden die hypothetischen Biografien mehrerer fiktiver Vertreter der keltischen Gesellschaft vorgestellt: vom Druiden Imrinn über den Sklavenhändler Biturix und die reiche Dame Matugenta bis hin zum Würfelspieler Bussumarus.

Auch eine Fußfessel eines Sklaven der Kelten ist zu sehen.
Foto: Mamuz/Fritz Hottwagner

Mischwesen und Trompete

Besonders beeindruckend ist der Figurenreichtum der Darstellung von Tieren und Mischwesen in der Latènezeit. Während bei einem Ensemble an Vogelfiguren unklar ist, ob es sich um Amulette, Gewichte oder gar Spielsteine gehandelt hat, ist bei manchen dieser Objekte der Verwendungszweck offensichtlich: Etwa bei der Figurenfibel von Ossarn, die einen geflügelten Sphinx mit Menschenkopf darstellt, oder bei einem Achsnagel mit einer Maske und einem stilisierten Vogelornament – beide Stücke sind übrigens auch als überdimensionale Repliken zu sehen und geben erst so manches kunstvolle Detail preis.

Kleines Schmuckstück ganz groß: Eine sphingenförmige geflügelte Figurenfibel mit menschlichem behelmtem Kopf aus einem Grab in Ossarn ist im Mamuz in enormer Vergrößerung zu bestaunen.
Foto: Mamuz / Josef Schimmer
In Wirklichkeit ist die Maskenfibel ein nur wenige Zentimeter kleines Schmuckstück.
Foto: Mamuz / Alice Schumacher

Auch von einem keltischen Streitwagen und einer Carnyx, der keltischen Kriegstrompete, sind Repliken zu sehen. Die Töne der Carnyx können auch angehört werden. So wird erlebbar, was die Kontrahenten der Kelten im Falle einer Schlacht verspürt haben müssen.

Ein Replikat eines keltischen Streitwagens lässt die Kriegsführung der Kelten erahnen. Besonders mutige Krieger sollen während der Fahrt auf der Deichsel stehend gekämpft haben.
Foto: Mamuz
Ein Mädchen in Keltentracht mit der in der Ausstellung präsentierten Nachbildung der Kriegstrompete Carnyx.
Foto: Mamuz / Josef Schimmer

Flankiert wird die Ausstellung mit dem für das Mamuz üblichen umfangreichen Programm aus Workshops, Handwerkskursen und wissenschaftlichen Vorträgen. Begleitend ist außerdem gerade das Buch "Die Kelten im Weinviertel" erschienen. Darin präsentiert der ehemalige Mamuz-Landesarchäologe Ernst Lauermann einen Überblick über die Geschichte der Kelten mit einem regionalen Fokus. (Michael Vosatka, 2.4.2023)

MAMUZ
Ernst Lauermann, "Die Kelten im Weinviertel". € 24,90 / 132 Seiten. Edition Winkler-Hermaden, Schleinbach 2023
Foto: Edition Winkler-Hermaden