ÖVP-Klubchef August Wöginger und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) gaben die Aussetzung der Aliquotierung bei den Pensionen für zwei Jahre bekannt.

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Wien – Die Bundesregierung setzt die Regelung der gestaffelten ersten Pensionsanpassung nach dem Pensionsantritt – die sogenannte Aliquotierung – für zwei Jahre aus. Das gaben Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger am Mittwoch nach der Ministerratssitzung bekannt. Ein entsprechender Antrag wird am Donnerstag im Nationalrat eingebracht.

Als Grund wird die hohe Inflation angeführt, die auch die Pensionistinnen und Pensionisten sehr belaste. Man stelle jetzt sicher, dass die Senioren die volle Erhöhung erhalten, hieß es in einer Presseunterlage.

Die Aliquotierung bringt es mit sich, dass man im ersten Jahr nach dem Pensionsantritt nur dann die volle Erhöhung bekommt, wenn man bereits im Jänner den Ruhestand beginnt. Von Monat zu Monat wird sonst das Plus weniger: Liegt der Pensionsantritt im Februar, dann wird die Pensionserhöhung nicht zur Gänze, sondern nur mehr zu 90 Prozent angerechnet, im März zu 80 Prozent und so weiter. Wer im November oder Dezember geht, bekommt im ersten Jahr gar keine Erhöhung.

Etwa 100.000 Personen gehen pro Jahr in Pension

Da die erste Pensionszahlung auch die Grundlage für künftige Erhöhungen ist, wirkt sich die Aliquotierungsregelung bei einer sehr hohen Inflation langfristig besonders negativ aus, hieß es seitens der Regierung. Demnach gehen heuer rund 100.000 Menschen in Österreich in Pension. Für sie hätte die hohe Inflation eine "deutliche Schlechterstellung" gebracht.

Das Sozialministerium rechnet laut Presseerklärung aufgrund der aktuellen Inflation auch für das kommende Jahr mit einer hohen Pensionserhöhung. Sie berechnet sich aus der durchschnittlichen Inflationsrate im Zeitraum August bis Juli eines Jahres und wird für das kommende Jahr auf neun bis zehn Prozent geschätzt.

Für 2024 deuten demnach die aktuellen Wirtschaftsprognosen darauf hin, dass die Inflation wieder überdurchschnittlich hoch sein wird. "Deshalb wird die Aliquotierungsregelung nun für zwei Jahre ganz ausgesetzt. Rund 200.000 Personen, die in den kommenden beiden Jahren ihre Pension antreten, erhalten so die volle Pensionserhöhung – unabhängig davon, in welchem Monat sie in Pension gehen", so das Ministerium.

Für 2023 geschätzte Mehrkosten in Höhe von 150 Millionen Euro

Gesundheitsminister Rauch rechnet alleine für das heurige Jahr 2023 mit Mehrkosten bei den Pensionen in Höhe von 150 Millionen Euro, das sei ein "Annäherungswert".

Besonders profitieren werden Frauen von der Neuregelung: Sie können aufgrund der schrittweisen Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters ab 2024 erst im zweiten Halbjahr in Pension gehen und hätten durch die Aliquotierung besonders große Nachteile gehabt.

Die Aussetzung der gesetzlichen Aliquotierungsregelung erfolgt durch eine Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), welche diese Woche im Nationalrat von den Regierungsparteien beschlossen werden soll.

Bereits im vergangenen Herbst hatte die Bundesregierung eine Sonderregelung beschlossen: Alle Personen, die 2022 ihre Pension angetreten haben, haben mindestens die halbe Pensionserhöhung erhalten.

SPÖ ortet "Erfolg"

Seniorenbund, Pensionistenverband, ÖGB und die SPÖ heißen das Aussetzen der Aliquotierung gut, fordern aber die generelle Abschaffung der Regelung der gestaffelten ersten Pensionsanpassung. Nicht begeistert zeigen sich hingegen die Neos.

Seniorenrat-Präsidentin Ingrid Korosec (ÖVP-Seniorenbund) bezeichnete das Aussetzen bei einer Pressekonferenz am Mittwoch als "ersten Schritt". Für sie wie für Seniorenrat-Präsident Peter Kostelka (SPÖ-Pensionistenverband) bleibt das Ziel jedoch, die Aliquotierung nicht nur für zwei Jahre, sondern rückwirkend und dauerhaft abzuschaffen. Kostelka sieht die Maßnahme mit dem Ende der Legislaturperiode der Regierung verknüpft. Die von ihm als "Kalenderroulette der Pensionen" bezeichnete Aliquotierung solle nicht nur in Wahlzeiten ausgesetzt, sondern zur Gänze abgeschafft werden.

Einen "Erfolg der SPÖ" orteten deren Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser. "Nach massivem Druck der SPÖ und der Gewerkschaft setzt die Regierung die ungerechte Aliquotierung der Pensionen für immerhin zwei Jahre aus. Damit werden 200.000 Menschen vor dem Pensionsraub bewahrt", sagte Rendi-Wagner in einer Aussendung.

Ein Aussetzen könne aber nur der erste Schritt sein, auch die SPÖ fordert eine unbefristete und rückwirkende Abschaffung. An dem am Wochenende angekündigten Plan, vor den Verfassungsgerichtshof zu ziehen, um die Regelung zu kippen, halte die SPÖ "selbstverständlich fest", sagte Rendi-Wagner.

Heftige Kritik von den Neos

Heftige Kritik an der Aussetzung der Aliquotierungsregelung kommt von den Neos. "Die Regierungsparteien haben es tatsächlich geschafft, die Regelung noch schlechter zu machen, als sie bereits war", sagte der pinke Sozialsprecher Gerald Loacker. Er sprach davon, dass Neupensionistinnen und Neupensionisten schon nach einem Monat eine volle Pensionserhöhung "geschenkt" werde. "Wer rechnet, wird daher lieber im Dezember in Pension gehen als im Jänner." Die Maßnahme sei von ÖVP und Grünen "völlig vermurkst" worden und koste "auf Jahre hinaus hunderte Millionen Euro". Loacker fordert die Rückkehr zum System von vor 2018, "bei dem jeder zusätzliche Arbeitsmonat zu einer höheren Pension geführt hat". (krud, APA, 29.3.2023)