Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli übte im Parlament scharfe Kritik am Koalitionspartner ÖVP.

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ÖVP und Grüne liegen sich wieder einmal in den Haaren. Grund für den Zank ist das Thema Wohnen. Genauer gesagt der in der Vorwoche zustande gekommene Minimalkompromiss, auf den sich die türkis-grüne Regierung geeinigt hat. Die ursprünglich geplante Mietpreispreise ist bekanntlich gescheitert, stattdessen nimmt die Koalition 225 Millionen Euro für einen Wohnkostenzuschuss in die Hand. Zudem wird der sogenannte Wohnschirm, der vor Delogierungen schützen soll, für das Jahr 2024 um 25 Millionen erweitert.

Der grüne Koalitionspartner nutzte am Mittwoch die Parlamentsbühne, um – gelinde gesagt – Unmut zu äußern. Die Abgeordnete Nina Tomaselli machte der ÖVP zum Vorwurf, für eine "kleine privilegierte Gruppe eine Politik für die Wenigen und nicht für die Vielen" zu machen. Die Wohnhilfen, die am Mittwoch letztlich von ÖVP und Grünen beschlossen worden sind, nannte sie "Second-best-Lösung".

Die Kritik Tomasellis unterschied sich dabei kaum von jener der Opposition. SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner hatte das Scheitern der Mietkostenbremse zuvor als "traurigen Beweis" des "wirkungslosen und sinnlosen Arbeitens" der Grünen in der Regierung bezeichnet. Das wiederum ließ Tomaselli nicht auf sich sitzen, die daran erinnerte, dass die rot geführte Wiener Landesregierung ebenfalls Wohnkostenzuschüsse beschlossen habe. Auch der FPÖ-Abgeordnete Hubert Fuchs hält nichts von den einmaligen Unterstützungszahlungen im Wohnbereich und sagt: "Zwei Monate lang wird verhandelt, und dann kommt am Ende die schlechtestmögliche Minimallösung aus beiden Welten heraus."

Einigung bei Pensionen

Trotz der dicken Luft innerhalb der Koalition konnten sich ÖVP und Grüne auch in einer anderen Sache zusammenraufen. Noch vor Beginn der Parlamentssitzung kündigten Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger nach dem wöchentlichen Ministerrat an, die sogenannte Aliquotierung der Pensionen zunächst einmal für zwei Jahre aussetzen zu wollen. Einen entsprechenden Antrag plant die Regierung am Donnerstag im Nationalrat einzubringen.

Konkret bedeutet die Maßnahme, dass es heuer und nächstes Jahr keine gestaffelte Pensionserhöhung nach dem Pensionsantritt geben soll. Damit sollen Menschen, die 2023 und 2024 in Pension gehen, immer die volle Inflationsanpassung erhalten – unabhängig davon, in welchem Monat sie ihre Pension antreten. Aktuell bekommen Menschen im ersten Pensionsjahr nur dann die volle Erhöhung, wenn sie bereits im Jänner den Ruhestand beginnen; von Monat zu Monat wird das Plus sonst weniger. Die bisherige Regelung führe "insbesondere dann, wenn die Inflationsrate hoch ist", zu Benachteiligungen, begründete Rauch die Maßnahme. Darüber hinaus sei die aktuelle Regelung auch ein Anreiz, früher in Pension zu gehen.

Davon profitieren sollen laut Angaben der Regierung, die allein in diesem Jahr mit Kosten von etwa 150 Millionen Euro rechnet, etwa 200.000 Menschen. "Besondere Zeiten erfordern auch besondere Maßnahmen", sagte Wöginger. Ein von der SPÖ im Nationalrat geplanter "dringlicher Antrag" zur Abschaffung der Aliquotierungsregelung sei nunmehr unnötig geworden, befand Wöginger.

SPÖ schaltet Höchstgericht ein

Gänzlich anders sieht das freilich die SPÖ, die in ihrem Antrag – der letztlich nur die Zustimmung von SPÖ und FPÖ erhielt und damit mehrheitlich abgelehnt wurde – nicht die Aussetzung für die nächsten zwei Jahre, sondern die generelle und rückwirkende Abschaffung der Aliquotierung fordert. Mit dieser Forderung sind die Sozialdemokraten nicht allein, auch Gewerkschaft, Seniorenbund und Pensionistenverband machen sich dafür stark.

Im Rahmen der Debatte zum "dringlichen Antrag" kam es schließlich zu einer überraschenden Aussage von Rauch. Der SPÖ-Abgeordnete Josef Muchitsch hatte beklagt, dass die Regierung die Aliquotierung nur zwei Jahre aussetzen würde – und gefragt, was dann sein werde. Worauf hin der grüne Minister entgegnete, dass dann gewählt worden sei und er davon ausgehe, dass es eine Regierung mit der SPÖ gebe, "im besten Fall gemeinsam mit Neos und Grünen".

Rendi-Wagner sah am Mittwoch jedenfalls einen "Erfolg der SPÖ": "Nach massivem Druck der SPÖ und der Gewerkschaft setzt die Regierung die ungerechte Aliquotierung der Pensionen für immerhin zwei Jahre aus", sagte sie. An dem angekündigten Plan, vor den Verfassungsgerichtshof zu ziehen, um die Regelung zu kippen, halte die SPÖ "selbstverständlich fest", sagte Rendi-Wagner.

Corona-U-Ausschuss abgelehnt

Mittwochabend herrschte auch noch bei der Novelle des Kraftfahrgesetzes Einigkeit. ÖVP, Grüne und Neos beschlossen, die Organstrafe für Verstöße gegen das Handyverbot am Steuer von 50 auf 100 Euro zu verdoppeln. Verweigert man die Zahlung oder tappt mit dem Handy in der Hand in eine Radarfalle, kann das künftig bis zu 140 statt derzeit 72 Euro kosten. Bei einer Missachtung der Gurten- oder der Sturzhelmpflicht werden 50 statt bisher 35 Euro fällig.

Mit der Ablehnung eines FPÖ-Antrags auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in Sachen Corona ist die Nationalratssitzung am Mittwoch zu Ende gegangen. Die Freiheitlichen wollten sämtliche Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zwischen 7. Jänner 2020 und 28. Juni 2022 unter die Lupe nehmen, blieben damit unter den Fraktionen aber allein.

"Freiheitlicher Protest" gegen Selenskyj-Rede

Hitzig wird es auch am Donnerstag im Parlament weitergehen. Außerhalb der eigentlichen Tagesordnung hält der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer formal eigenständigen Veranstaltung per Video eine Rede vor dem Nationalrat. Die FPÖ lehnt den Auftritt ab, Parteichef Herbert Kickl kündigte im Vorfeld einen "freiheitlichen Protest" dagegen an. Details, wie dieser aussehen wird, wollte er nicht preisgeben. (Sandra Schieder, red, APA, 29.3.2023)