Karl Mahrer (Mitte) mit seinen Gesprächspartnern – zwei ÖVP-Funktionären.

Foto: ÖVP Wien

"Du kannst dich da nicht mehr frei bewegen", beklagt sich der Mann im Gespräch mit dem Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer. Gemeint ist der "Brennpunkt Favoriten", den zumindest die Wiener Volkspartei ausgemacht haben will. "Unbeschwert ohne Probleme" am Abend spazieren zu gehen sei nicht mehr möglich, sagt der Mann, der den Zusehern wie ein Passant präsentiert wird, der von Mahrer zufällig befragt wird.

"Ich frage mich, wer in Zukunft hier leben will", ergänzt ein weiterer Mann, der Mahrer erklärt, hier gebe es "eine komplett andere Kultur mittlerweile". Mahrers Fazit nach Gesprächen mit "Menschen, mit denen ich gesprochen habe": "Es ist eine Gegend, wo wir uns echte Sorgen machen müssen."

Bezirksrat und Senioren-Vize

Was die ÖVP Wien in ihrem Video verschweigt: Bei den beiden Männern, die mit Parteichef Mahrer reden, handelt es sich um Funktionäre der ÖVP Favoriten. Der eine ist seit vielen Jahren Bezirksrat, der andere ein früherer Notenbanker, der mittlerweile Stellvertreter der ÖVP-Seniorenorganisation im Bezirk ist.

Zwar stellt Mahrer die beiden in dem Video nicht explizit als ihm unbekannte Anrainer vor, die Inszenierung des Clips erweckt aber diesen Eindruck. Nirgendwo wird offengelegt, dass die beiden bei der ÖVP Wien aktiv sind; zwischen ihren Aussagen wird noch ein Statement einer verpixelten Frau eingeblendet.

Mahrers Video und das Mitwirken von ÖVP-Funktionären im Clip sorgten für geballte Kritik. "Die 'Empfindungen der Menschen' sind die Empfindungen von zwei ÖVP-Funktionären (…). How low can you go, ÖVP Wien", schrieb die Wiener Grünen-Co-Chefin Judith Pühringer auf Twitter. Der Gastronom und frühere Neos-Politiker Sepp Schellhorn lapidar: "Denen ist nix zu deppert."

"So etwas kennt man sonst nur vom ungarischen Staatsfernsehen, das völlig unter Kontrolle der Orbán-Partei Fidesz ist", kommentierte "Falter"-Redakteurin Nina Horaczek. "Warum macht man das, und warum macht man das dann auch noch so?", fragte "Krone"-Journalist Claus Pandi.

Viel Kritik

Mahrer, einst Spitzenpolizist in Wien, hatte bereits mit einem ähnlichen Video über den Brunnenmarkt Aufsehen erregt. Die Darstellung teils migrantisch geprägter Viertel als "Brennpunkte" und "No-Go-Areas" hätte rassistische Untertöne, urteilten Kritiker. Auch innerhalb der ÖVP Wien soll nicht jeder mit der Kampagne zufrieden sein. Mahrer ginge es vor allem um Aufmerksamkeit, hieß es intern zuletzt. Beraten wird der Wiener Parteichef derzeit übrigens vom einstigen Kurz-Intimus Stefan Steiner. (fsc, 30.3.2023)