"The happiest place on earth" sollte Disney World einst sein. Als "Pedo World" verunglimpfen Anhänger der Republikaner den Vergnügungspark. Im Kulturkampf hat der Konzern aber dem republikanischen Gouverneur Ron DeSantis nun ein Schnippchen geschlagen.

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Öffentlich gesagt hat er es zwar noch nicht. Aber zahlreiche Auftritte in Staaten, in denen im kommenden Jahr die republikanische Vorwahl zuerst stattfindet, ein neues Buch und sein spektakuläres politisches Handeln machen deutlich: Floridas Gouverneur Ron DeSantis will der nächste US-Präsident werden. Dafür muss er sich im Vorwahlkampf der Republikaner gegen Donald Trump durchsetzen, der ebenfalls wieder ins Weiße Haus einziehen will. Und aus diesem Grund will sich DeSantis derzeit als ganz besonders konservativ präsentieren.

Auch abseits davon aber hat der Republikaner einen Hang zur Rachsucht, für dessen Erfüllung er gerne seine Regierungsmacht nutzt. Einen Journalisten, der ihm auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie in seinem Staat kritische Fragen zu hohen Todeszahlen gestellt hatte, schloss er einst kurzerhand von künftigen Pressekonferenzen aus; Schulen in demokratischen Wahlbezirken, die sich damals für Maskenpflicht einsetzten, wollte er 200 Millionen Dollar an staatlicher Finanzierung streichen. Einem Hotel in Miami versuchte er, die Lizenz für Alkoholausschank zu streichen, weil dort die Show "A Drag Queen Christmas" vorgeführt wurde, zu der auch von ihren Erziehungsberechtigten begleitete Minderjährige im Publikum zugelassen waren.

Streit um Aufklärung

Wenig aber führt beide Seiten des streitbaren Gouverneurs so deutlich zusammen, wie seine Auseinandersetzung mit dem Disney-Konzern – in der DeSantis nun aber einen peinlichen Rückschlag erlitten haben dürfte, der auch mit einem uralten Gesetz zusammenhängt, das sich auf die Lebenszeiten der britischen königlichen Familie bezieht.

Der Streit selbst ist ein alter: Disney hatte DeSantis voriges Jahr wegen eines Gesetzes heftig kritisiert, das er selbst mit "Elterliche Rechte in der Ausbildung" überschreiben ließ, das Gegner aber als "Don't Say Gay"-Gesetz bezeichnen. Dieses verbietet, Kindern bis zur dritten Schulstufe Inhalte "zur sexuellen Orientierung oder zur Gender-Identität" näherzubringen. In den Altersstufen darüber darf dies nur "in einer vom Staat als altersgerecht erachteten Weise" passieren. Andernfalls stehe Eltern der Klagsweg offen. Weil das Gesetz so breit formuliert ist, gehen viele Lehrerinnen und Lehrer davon aus, dass sie etwa auch Fragen der Kinder zu sich selbst oder anderen, die diese Themen betreffen, nicht mehr beantworten dürfen, ohne sich mit einem Fuß ins Gefängnis zu stellen. Mittlerweile wollen manche in der Partei noch weiter gehen. So wurde etwa ein Gesetz vorschlagen, das es Mädchen de facto verbieten würde, über ihre Periode zu sprechen.

Doch kein Disney-Atomkraftwerk

Disney hatte in einer Reaktion angekündigt, das "Don't Say Gay"-Gesetz rechtlich bekämpfen zu wollen, und sich damit den Zorn DeSantis' zugezogen. Dieser, ansonsten durchaus ein Freund der Wirtschaft, stilisiert sich seither als Kämpfer gegen den Großkonzern. Er hat dafür ein Sonderrecht ausfindig gemacht, das Disney bereits seit Jahrzehnten in Florida genießt und das tatsächlich überschießend scheint. Über das sogenannte "Reedy Creek Improvement District" kontrollierte der Konzern nämlich das Gebiet rund um Walt Disney World – nahe Orlando und bei Lake Buena Vista gelegen – seit 1967 selbst. Disney nutzt das vor allem, um etwa Kanal- und Straßenbau in dem einwohnerarmen, aber hotelreichen Gebiet selbst zu steuern und um etwa Baugenehmigungen zu vereinfachen. Theoretisch hätte der Konzern mit dem Gesetz aus den optimistischen 1960er-Jahren aber ausdrücklich auch einen Flughafen oder ein Atomkraftwerk errichten dürfen.

Das ist nun Geschichte – denn DeSantis ließ das "Reedy Creek Improvement District" vergangenen Monat via Parlamentsbeschluss umbenennen und gänzlich neu besetzen. Es heißt nun "Central Florida Tourism Oversight District" und ist mit Loyalisten gefüllt. DeSantis, der Kämpfer gegen den Einfluss des großen Geldes, hat dort etwa prominente Parteispender untergebracht, außerdem die Frau eines hohen republikanischen Funktionärs. Darüber hinaus sitzt dort ein ehemaliger Pastor, der mit der Behauptung für Aufsehen sorgte, Leitungswasser mache Menschen homosexuell.

Neuer Sheriff ohne Colt

"Wir haben einen neuen Sheriff im Ort", jubelte DeSantis im Februar nach vollzogener Tat. Und war damit vielleicht zu früh dran. Denn in einer seiner ersten Sitzungen musste das "Central Florida Tourism Oversight District" nun erkennen, dass es kaum noch Rechte hat. Das "Reedy Creek Improvement District" hat nämlich als letzte Tat zahlreiche Zuständigkeiten an den Disney-Konzern überschrieben und das Unternehmen in vielen weiteren Fragen mit einem Veto ausgestattet. Ob das rechtlich haltbar ist, ist noch offen – der Staat Florida hat schon eine Klage angekündigt. Allerdings sehen Fachleute vorerst wenige Möglichkeiten, die Entscheidung noch anzufechten.

Und was hat das alles mit König Charles zu tun? Auch er kommt in der Überschreibung der Rechte vor. Während viele der an Disney übertragenen Zuständigkeiten nämlich auf 30 Jahre begrenzt wurden, gilt für die "fantasiereichen Charaktere" aus dem Disney-Universum eine andere Regel. Ihre exklusiven Nutzungsrechte gehen nach einer uralten, aus dem britischen Recht übernommenen Wendung, die de facto "für die Ewigkeit" heißen soll, "bis 21 Jahre nach dem Tod der letzten Nachfahren von Charles III., König von England", an das Unternehmen. (Manuel Escher, 30.3.2023)