Der Einkauf wird heuer nochmals deutlich teurer.

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Sie ist unberechenbar, hat auch viele Nachteile, aber einen großen Vorteil. Sie kann Unternehmen, Bürgerinnen und Bürgern und Staaten dabei helfen, einen schweren Schuldenrucksack in eine leichte Tragtasche zu verwandeln. Die Rede ist von der Inflation. Die hohe Teuerung in Österreich sorgt aktuell dafür, dass jeder größere Einkauf im Supermarkt zur finanziellen Belastung und zur bösen Überraschung wird. Doch für Schuldner wie die Republik ist die Entwicklung auch ein Segen. Die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS haben am Donnerstag ihre neuen Prognosen für 2023 und 2024 vorgelegt. Und daraus ablesen lässt sich auch, wie sich Österreich fast auf wundersame Weise entschuldet.

Zwei Faktoren spielen dabei eine Rolle: Die hohe Inflation treibt die Preise für Waren und Dienstleistungen nach oben, wobei der Staat in Form der Umsatzsteuer davon profitiert. Zugleich führen durch die Inflation steigende Löhne und Gewinne dazu, dass auch hier Steuereinnahmen sprudeln.

Der zweite Effekt: Österreichs Wirtschaftsleistung legt durch die Teuerung selbst massiv zu. Das Bruttoinlandsprodukt misst ja den Wert der im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen – und eben der ist massiv gestiegen.

Zauberhafte Entschuldung

Die Folgen aus alldem: Österreichs Wirtschaftsleistung steigt von 381 Milliarden Euro im Jahr 2020 innerhalb von nur vier Jahren auf fast 510 Milliarden Euro im kommenden Jahr an. Das ist ein Plus von 33 Prozent. Die Verschuldungsquote, die in Prozent der Wirtschaftsleistung ausgedrückt wird und meist von Ratingagenturen verwendet wird, um die Bonität eines Landes zu beurteilen, sinkt dadurch ohne jede Anstrengung von 78 Prozent im Jahr 2022 auf 70,5 Prozent 2024.

Die Entwicklung mag ohne Anstrengung vonstattengehen, hat aber natürlich ihre Kosten. Und hier ist noch gar nicht von jenen Anlegerinnen und Anlegern die Rede, also etwa Versicherungen oder Pensionsfonds, die Staatsanleihen gekauft haben, die nun in Zukunft viel weniger Geld einbringen werden, weil dieses so stark entwertet ist.

Die Rede ist hier von den Menschen an der erwähnten Supermarktkasse. Denn dort wird eine Entlastung noch auf sich warten lassen. Denn deutlich nach oben korrigiert haben beide Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Inflationserwartungen. So rechnet das Wifo nun mit einer Jahresinflation von 7,1 Prozent heuer – das IHS sagt sogar 7,5 Prozent voraus. Noch im Dezember hatte das Wifo mit nur 6,5 Prozent und das IHS mit 6,7 Prozent gerechnet.

Interessant dran ist, dass die Erwartungen deutlich nach oben korrigiert worden sind, während sich beim einstigen Haupttreiber der Teuerung, den Energiepreisen, eine Entspannung aufgetan hat. Im Dezember unterstellte das Wifo zum Beispiel einen Gaspreis von 130 Euro je Megawattstunde für seine Berechnungen für das Jahr 2023. Aktuell liegt der Gaspreis bei knapp über 40 Euro. Damit zeigt sich, dass mehr und mehr inländische Komponenten und Lebensmittel zu heimischen Preistreibern werden. Und: Die Gastronomie. Der starke Preisanstieg sei nicht antizipiert worden, sagt IHS-Ökonom Helmut Hofer.

Erst in der zweiten Jahreshälfte dürfte die Inflation deutlich sinken, von aktuell über zehn Prozent in Richtung eines monatlichen Wertes von um die fünf Prozent.

Felbermayr fordert Kurswechsel bei Inflation

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr forderte eine Kurskorrektur bei der Inflationsbekämpfung. Die Teuerung in Österreich soll heuer um zwei Prozentpunkte über dem Schnitt in der Eurozone bleiben. Das sei aus mehreren Gründen ein Problem: Österreich drohe damit ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, weil in der Folge nicht nur Produkte teurer werden, sondern auch Löhne weiter steigen müssen. Und: Die Europäische Zentralbank (EZB) mache Geldpolitik für die gesamte Eurozone, könne allein auf die Sondersituation in Österreich keine Rücksicht nehmen.

Felbermayr fordert daher die Regierung und die Sozialpartner dazu auf, gemeinsam einen Plan für Inflationsbekämpfung auszuarbeiten. Cash-Transfers, die potenziell die Teuerung treiben, dürfe es nicht mehr geben. Auch sollte man davon abgekommen, für künftige Preisfestsetzung auf die Inflationswerte der vergangenen zwölf Monate zu blicken. Das betrifft einerseits den Wohnungsmarkt.

Das betrifft aber auch die Kollektivvertragsverhandlungen und wird Gewerkschaften nicht freuen, die sich im Regelfall im Zuge der Lohnverhandlungen die Teuerung abgelten lassen.

Heuer Stagnation

Beim Wirtschaftswachstum bleibt alles im Wesentlichen unverändert: Das Wifo rechnet mit einem Plus beim BIP von gerade einmal 0,3 Prozent heuer, das IHS mit 0,5 Prozent. Für diese Wachstumszahlen wird um die Inflation korrigiert, sie bilden nur die höhere Leistungsfähigkeit der Wirtschaft an.

Im kommenden Jahr soll es dann eine Belebung geben, nicht zuletzt durch ein robustes Exportgeschäft. So soll die Wirtschaft dann um 1,8 Prozent (Wifo) beziehungsweise 1,5 Prozent (IHS) wachsen. Während die Exporte schon heuer anziehen, wird Bauwirtschaft eher schwächeln. Der Arbeitsmarkt bleibt trotz flauer Konjunktur stabil, was eine der positiven Überraschung der Entwicklung ist.

Das Wifo hat auch eine ganz interessante Rechnung dazu aufgestellt, was Pandemie und Inflation an Wohlstand gekostet haben. Dazu wurden die Prognosen vor den beiden Krisen mit tatsächlichem Wachstum vergleichen. "Der Verlust durch Pandemie und Teuerung wird sich in Österreich bis 2024 auf real 77,7 Milliarden Euro belaufen. Das sind 8.600 Euro pro Kopf", sagt Felbermayr.

Auch verteilungspolitisch sind die neuen Zahlen der Institute interessant. So zeigt sich, dass Unternehmen im Aggregat seit 2021 gute Jahre haben – sie können ihre Gewinne 2022 und 2023 um gut sechs bis acht Prozent steigern. Allerdings ziehen parallel dazu auch Löhne kräftig an, die Lohnquote, also welcher Anteil der Wirtschaftsleistung bei Arbeitnehmern landet, bleibt stabil beziehungsweise legt sogar leicht zu. Zu einer Umverteilung von Arbeit zu Kapital kommt es in der Krise also nach dieser Lesart nicht.

Keine echte Umstellung gibt es auch beim Klima. Im Rahmen der Prognosen sehen sich die Ökonominnen und Ökonomen auch die Entwicklung bei Treibhausgasemissionen an. Hier klafft zwischen dem eigentlichen Pfad, auf den sich die Regierung verpflichtet hat, und der tatsächlichen Entwicklung inzwischen eine gewaltige Lücke. (András Szigetvari, 30.3.2023)