Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen können erste Symptome einer Hepatitis sein.

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Im April 2022 tauchten erste Berichte über rätselhafte Fälle von Hepatitis, einer Leberentzündung, bei Kindern auf. Die meisten Erkrankungen gab es in Großbritannien, aber auch in Wien kam es zu einigen bestätigten Fällen. Das Mysteriöse daran: Bei den kleinen Patientinnen und Patienten konnten keine der sonst typischen Hepatitisviren A, B, C, D und E oder andere bekannte Ursachen einer Leberentzündung festgestellt werden. Im Juli vermeldete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dann gut 1.000 erkrankte Kinder in 35 Ländern. Rund 50 der teils sehr jungen Patienten benötigten eine Lebertransplantation, mindestens 22 verstarben.

Die nun veröffentlichten Studien aus Großbritannien und den USA legen einen Zusammenhang mit dem Adeno-assoziierten Virus 2 (AAV2) nahe. Forschungsgruppen unter Leitung der Universität von Glasgow, des University College London und der University of California fanden in Blut- und Lebergewebeproben betroffener Kinder teils hohe Konzentrationen des Virus. Bisher wurde von AAV2 angenommen, dass es keine Krankheiten auslösen kann. Zudem ist AAV2 selbst nicht in der Lage, Zellen zu infizieren: Es braucht andere Viren, um sich zu vermehren.

Mögliche Helferviren gefunden

Tatsächlich fand das Team vom University College London neben AAV2 geringe Spuren eines humanen Adenovirus sowie eines Herpesvirus, die als "Helferviren" fungieren könnten. Die Wissenschafter vermuten, dass diese die Vermehrung von AAV2 ermöglichen und zum Schweregrad der Leberschäden beitragen könnten.

Auch die Forschenden der University of California beobachteten bei allen erkrankten Kindern sogenannte Co-Infektionen, etwa mit dem Epstein-Barr-Virus oder einem Herpesvirus. "Wir waren überrascht von der Tatsache, dass die Infektionen, die wir bei diesen Kindern feststellten, nicht durch ein ungewöhnliches, neu auftretendes Virus verursacht wurden, sondern durch häufige virale Kinderkrankheitserreger", merkt Charles Chiu, Hauptautor der US-Studie, in einer Mitteilung an.

"Alle drei Studien machen die gleiche Beobachtung von AAV2 bei Kindern mit ungeklärter akuter Hepatitis", fasst Frank Tacke von der Berliner Charité in einem begleitenden Kommentar zusammen. Die Tatsache, dass die Untersuchungen auf zwei Kontinenten durchgeführt worden seien, mache sie angesichts des globalen Charakters des Ausbruchs noch wertvoller. Allerdings seien alle Untersuchungen retrospektiv durchgeführt worden und hätten nur relativ geringe Fallzahlen sowie eine noch kleinere Zahl verfügbarer Lebergewebeproben umfasst. Um mögliche Faktoren oder Co-Faktoren für die Krankheitsentwicklung aufzudecken, seien außerdem mehr klinische Informationen über die erkrankten Kinder nötig.

Weitere Studien nötig

Die Autorinnen und Autoren der Studien betonen selbst, dass ihre Arbeiten AAV2 zwar mit dem jüngsten Anstieg der ungeklärten Hepatitisfälle in Verbindung bringen würden. Es bleibe aber unklar, welche Rolle das Virus bei der Entstehung der Leberentzündung spiele. Hier seien gezielte und kontrollierte Folgeuntersuchungen nötig, schreibt Tacke: "Direkte Beweise dafür, wie AAV2 Hepatitis verursachen könnte, gibt es nur begrenzt."

Genetische Analysen der Forschungsgruppe aus Glasgow legen nahe, dass eine abnormale Immunreaktion aufgrund entsprechender Erbanlagen ursächlich für die Hepatitis sein könnte – und nicht etwa eine direkte leberschädigende Wirkung von AAV2. Die Wissenschafter stellten fest, dass 93 Prozent der erkrankten Kinder Träger einer Genvariante waren, die eine Anfälligkeit für Autoimmunkrankheiten mit Beteiligung von Immunzellen, den sogenannten T-Zellen, aufweist. Auch die Forscher aus London fanden bei einem Vergleich der Leberproben von Erkrankten und gesunden Kontrollpersonen Hinweise auf einen immunvermittelten Prozess.

Sars-CoV-2 könnte Rolle spielen

In seinem Kommentar schließt Tacke indes nicht aus, dass auch das Coronavirus eine Rolle spielen könnte: Eine direkte Beteiligung von Sars-CoV-2 könne nicht ausgeschlossen werden, ebenso sei eine indirekte Wirkung denkbar. So sei die Hepatitiswelle im Frühjahr 2022 mit der Lockerung der Covid-19-Maßnahmen auf der ganzen Welt aufgekommen. "Der Zeitpunkt des Ausbruchs könnte damit erklärt werden, dass die Kinder nach den Schließungen plötzlich einer Flut von Viren ausgesetzt waren oder ein schlecht ausgebildetes Immunsystem hatten, was zu einer erhöhten Anfälligkeit für ansonsten harmlose Viren führte."

Eine Vermutung, die auch Charles Chiu, Hauptautor der US-Studie, äußert: "Es könnte eine unbeabsichtigte Folge dessen sein, was wir in den vergangenen zwei bis drei Jahren der Pandemie erlebt haben." Mittlerweile sind die Fallzahlen akuter schwerer Hepatitis bei Kindern wieder zurückgegangen Der beste Weg, sie weiterhin davor zu schützen, sei häufiges Händewaschen und sie zu Hause zu behalten, wenn sie krank sind. (APA, jaa, 30.3.2023)