Der Besuch des britischen Monarchen Charles III. im deutschen Parlament beginnt am Donnerstag nicht mit einem Eklat. "Es ist uns eine große Ehre, Sie im Bundestag begrüßen zu dürfen", sagt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Applaus brandete auf, und zwar durchaus auch bei den Linken. Manche von ihnen nämlich sind eigentlich gar nicht so begeistert, dass Charles vorbeischaut und im Parlament eine Rede hält.

"Einen König im Bundestag sprechen zu lassen halte ich für absurd. Erinnern wir uns: Monarchien sind im Grunde Diktaturen mit mehr historischem Lametta", kritisierte der stellvertretende Parteivorsitzende der Linken, Ates Gürpinar, vor dem Besuch. Linken-Chef Martin Schirdewan sieht es ähnlich: "Es ist nicht angemessen, dass sich das höchste demokratische Gremium vor einem Monarchen verneigt."

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Doch Charles lässt sich davon natürlich nicht abbringen. Er ist der erste Monarch, der im Bundestag sprach. Das hat er, anlässlich des Volkstrauertages 2020, schon einmal getan, damals war er noch Thronfolger, und er hielt Teile seiner Rede auf Deutsch.

Gedenken an Opfer der Tyrannei

Das ist auch diesmal wieder so, er spricht meistens Deutsch, nur ein paar Mal Englisch. Nach der Begrüßung nimmt er gleich auf die deutsch-britische Freundschaft Bezug und betont, dass es ja ein britischer Architekt war – nämlich Sir Norman Foster –, der dem Reichstag seine berühmte und gläserne Kuppel aufgesetzt hat. Charles erinnert auch an seine erste Rede im Bundestag: "Es war mir sehr wichtig, 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg an der Seite der Deutschen aller Opfer von Krieg und Tyrannei zu gedenken."

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Er erwähnt auch den Ukrainekrieg. Dieser habe "unvorstellbares Leid über so viele unschuldige Menschen gebracht". Und er betont: "Die Sicherheit Europa ist ebenso bedroht wie unsere demokratischen Werte." Aber, so der König, "die Welt hat nicht tatenlos zugesehen". Er betont: "Deutschland und das Vereinigte Königreich haben eine wichtige Führungsrolle übernommen." Dann lobt er: "Der Entschluss Deutschlands, der Ukraine so große militärische Unterstützung zukommen zu lassen, ist überaus mutig, wichtig und willkommen." Er könne "nicht in Worte fassen, wie stolz ich auf die starke Partnerschaft unserer beiden Länder bin". Auch jetzt sei er wieder hier, "um die Bande der Freundschaft zwischen unseren Ländern zu erneuern". Der Besuch gilt ja Zeichen der Annäherung an die gesamte EU nach dem Brexit.

"Dinner for One" vermittelt "kein korrektes Bild Großbritanniens"

Doch Charles verweist auch mit Humor auf die deutsch-britischen Beziehungen: Miss Sophie vermittle jedes Jahr zu Silvester in "Dinner for One" zwar hoffentlich "kein korrektes Bild des modernen Großbritannien, und doch gehört es dazu". Und Charles meint auch: "Natürlich gibt es Rivalität, ich denke da besonders an die Fußballmannschaft." Das löst im Hohen Haus freundliches Gelächter aus, es gibt während der Rede auch immer wieder Applaus.

Die Rede des Königs vor dem Bundestag.
Foto: APA / AFP / Ronny Hartmann

Charles erinnert auch an die 15 Deutschland-Besuche seiner Mutter, der verstorbenen Königin Elizabeth II. "Meine Mutter wusste, welche Errungenschaft Versöhnung bedeutet." Er und seine Familien "seien zutiefst berührt" gewesen von der Reaktion "Deutschlands auf den Tod meiner Mutter". Dann sagt er: "Ich danke von ganzem Herzen für die außerordentliche Anteilnahme der Menschen."

Er schließt mit den mahnenden Worten: "Gemeinsam müssen wir wachsam sein gegenüber Bedrohungen unserer Werte. Und entschlossen sein, diesen resolut gegenüberzutreten. Wir müssen unseren Menschen das Leben in Sicherheit und Wohlstand ermöglichen, das sie verdienen."

Sofort nach seiner Rede erhebt sich der gesamte Bundestag. Auch bei den Linken gibt es Standing Ovations. An ihnen geht Charles auch direkt vorbei, als er den Plenarsaal dann verlässt.

Empfang am Brandenburger Tor

Der König war am Mittwoch nach Berlin gekommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte ihn und Queen-Consort Camilla gemeinsam mit seiner Ehefrau Elke Büdenbender nicht – wie bei Staatsbesuchen üblich – mit militärischen Ehren am Schloss Bellevue empfangen, sondern am Brandenburger Tor.

Dort begrüßte Charles auch einige der vielen Zaungäste, die sich mit britischen Flaggen eingefunden hatten. Am Abend fand ein Bankett in Schloss Bellevue statt, auch Altkanzlerin Angela Merkel war dabei, ebenso Sänger Campino von den Toten Hosen. Beim Bankett spielte Charles in seiner Tischrede auch schon auf Miss Sophie und ihren Butler James an. "Es ist schön, dass ich Sie nicht mit einem Dinner for One alleine lassen", sagt er Richtung Bundespräsident Steinmeier.

Charles und Camilla auf kontrollierter Tuchfühlung mit dem Volk auf dem fein gesäuberten Wittenbergplatz.
Foto: EPA

Als Gastgeschenk bekam der royale Besuch eine gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografie. Sie zeigt den damals 13-jährigen Charles im April 1962 mit seinem Vater, Prinz Philip, bei einem Deutschland-Besuch.

Ökodorf erfindet Käse für Charles

Die zweite Gelegenheit für kontrollierte Tuchfühlung mit dem Volk gab es am Donnerstag. Da besuchte Charles III. den zuvor feinsäuberlich gereinigten Wochenmarkt auf dem Wittenbergplatz, unweit des Ku'damms und der Gedächtniskirche. Anschließend ging es ins Kanzleramt zu Olaf Scholz (SPD). Am Donnerstag stand außerdem ein Besuch des brandenburgischen Ökodorfes Brodowin, rund 80 Kilometer nordöstlich von Berlin. Dort gab man der Vorfreude schon Tage lang auf der Website Ausdruck: "Der Brodowiner Königskäse, den wir mit Hilfe von seiner Majestät in unserer Molkerei herstellen werden, wird rund acht Wochen brauchen, um zu reifen. Er wird ein Emblem in Form einer Krone tragen und täglich von Hand gepflegt werden. Im Anschluss wird er im Handel verfügbar sein."

Am Freitag geht es mit der Deutschen Bahn nach Hamburg. Charles und Camilla können nur hoffen, dass ihr Zug pünktlich ist, denn auch dort wartet noch allerhand Programm: Eintrag ins Goldene Buch, Kranzniederlegung am Denkmal "Kindertransport" (zur Erinnerung an jüdische Kinder, denen während der NS-Zeit die Ausreise von Hamburg nach England ermöglicht worden war), Besuch des Rathausmarkts. Und natürlich darf in Hamburg auch eine Hafenrundfahrt nicht fehlen. Ob Matjes-Brötchen gereicht werden, ist nicht bekannt. (Birgit Baumann aus Berlin, 30.3.2023)