Der Altbau von Oswald Haerdtl aus den 1950er-Jahren wurde saniert und ausgebaut: Die Nutzfläche hat sich auf 12.000 Quadratmeter verdoppelt, als soziale Treffpunkte wurden großflächige Terrassen, hohe und helle Räume, ein Vorplatz sowie Cafés eingerichtet.

Foto: Wien Museum/Fischka

Fast zehn Jahre nach Beschlussfassung des Um- und Ausbaus ist es nun wieder bezugsfertig, das historische Museum der Stadt Wien am Karlsplatz. In den 1950er-Jahren als einer der ersten Nachkriegsmuseumsbauten nach Plänen von Oswald Haerdtl eher zweckdienlich denn ästhetisch ansprechend realisiert, wurde es bald baufällig und war zuletzt in einem Zustand, der im wahrsten Sinne nicht mehr tragbar war.

Aufgrund der architekturgeschichtlichen Bedeutung war das Haus neben der Karlskirche dennoch denkmalgeschützt. Ein Abriss kam nie infrage, ein Neubau an einem anderen Standort wurde diskutiert und verworfen, 2013 fiel dann der Beschluss für eine Erweiterung des bestehenden Baus.

Rückansicht des neuen Wien-Museums.
Foto: Wien Museum/Kramar

Am Architekturwettbewerb nahmen 274 Büros aus 26 Ländern teil, den Zuschlag erhielten die heimischen Architekten Certov, Winkler + Ruck. Dahinter stehen die beiden Klagenfurter Ferdinand Certov und Roland Winkler und Klaudia Ruck aus Weiz, die an der TU Graz studierten und mit dem Wien-Museum ihr bisher größtes Projekt stemmen. 108 Millionen Euro budgetierte die Stadt dafür. Das könne man voraussichtlich einhalten, heißt es. Zweifel sind allerdings angebracht, denn eine Endabrechnung steht noch aus.

Ein Rendering des Entwurfs der Architekten Certov, Winkler + Ruck.
Foto: Wien Museum/ Certov Winkler + Ruck

Fassade rekonstruiert

Spatenstich war im Sommer 2020, wenngleich zuerst einmal die Vorschlaghämmer ihr Werk taten: Der Haerdtl-Bau wurde komplett entkernt, bis nur noch ein Stahlskelett sichtbar war, nach und nach wurden sanierte Elemente des Altbestands mit dem Neubau zusammengeführt – nicht zusammengefügt wohlgemerkt, denn bautechnisch blieben zwischen Alt und Neu aus Gründen des Denkmalschutzes und der Erdbebenvorsorge stets zehn Zentimeter Abstand. Was der Laie nicht sieht. Was man von außen sehr wohl sehe, sei eine Fassade, die der ursprünglichen von Haerdtl gestalteten wieder sehr nahe komme, sagen die Architekten bei einer Führung.

In den Stiegenaufgängen fügen sich Alt und Neu harmonisch zusammen.
Foto: Wien Museum/Kramar

Bevor die Ursprungsfassade eher schlecht als recht mehrfach saniert wurde, sei sie so hell gewesen wie jetzt. Zum Einsatz kommen ein Dolit-Kalkstein aus Kroatien sowie ein dunklerer Wachauer Marmor. Der dem Museum aufgesetzte Kubus aus Sichtbeton, in dem 1200 Quadratmeter Platz für Sonderausstellungen geschaffen wurden, ist per Hand mit vertikalen Rillen versehen worden, um Licht- und Schatteneffekte zu erzeugen. Dem Bau vorgelagert wurden ein offener, heller Platz mit Blick auf den Resselpark sowie ein Glaspavillon für den Eingangsbereich.

Ein Glaspavillon für den Eingangsbereich wurde dem Museum vorgelagert.
Foto: APA

Das Glas kann je nach Sonneneinstrahlung gedimmt werden, selbstredend ist nun auch alles energieeffizient gedämmt, Solaranlagen und Tiefenwärme sollen annähernde Autarkie sicherstellen. Den aufgesetzten Kubus nennt man Schwebegeschoß, weil er sich statisch spektakulär durch eine Konstruktion im Zentrum selbst trägt und rundherum ohne Stützen auskommt. Das erlaubt ein Terrassengeschoß zwischen Altbestand und Neubau, das ein Panorama über den gesamten Platz hin zur vielleicht schönsten Kirche Wiens bietet.

Von der Terrasse hat man einen schönen Panoramablick über den Karlsplatz.
Foto: Wien Museum/Kramar

Das Terrassengeschoß wird für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglich sein, ein Café, Vermittlung und Veranstaltungen sollen dort Platz finden. Neben den 1.200 Quadratmetern Sonderausstellungsfläche im Schwebegeschoß wurden auch die 3.000 Quadratmeter für eine neu gestaltete Dauerausstellung zur Geschichte Wiens erweitert. Sie soll sich vom Erdgeschoß bis in den zweiten Stock ziehen – und, geht es nach dem Willen von Direktor Matti Bunzl, nach angelsächsischem Museumsvorbild gratis zugänglich werden. Ob sich das finanzieren lässt, ist noch fraglich.

Ein Querschnitt des nun 25 Meter hohen Gebäudes.
Foto: Wien Museum/ Certov Winkler + Ruck

Halb Neu-, halb Altbau

Insgesamt hat sich die Nutzfläche von 6.900 Quadratmetern auf 12.000 fast verdoppelt, der Mix aus Alt und Neu ist etwa 50:50. Der frühere Innenhof ist nun zu einer hohen Halle mit der besinnlichen Anmutung eines Kirchenschiffs geworden, bereits jetzt baumelt dort als Neuzugang jener Wal, der das Aushängeschild des legendären Pratergasthauses Zum Walfisch war. Eine prunkvolle Bürgermeisterkutsche aus dem 19. Jahrhundert und die Originalskulpturen des Donnerbrunnens werden ihm bald folgen.

Einblick in den früheren Innenhof, der nun einem Kirchenschiff ähnelt.
Foto: Wien Museum/Kramar

Dass das Museum nun auch physisch vom sogenannten Winterthur-Gebäude, einer zwischen Karlskirche und Wien-Museum hineingezwängten Bausünde, räumlich getrennt werden konnte, ist eine optische Wohltat. Insgesamt wirkt der Umbau durch sein Spiel mit Licht und Schatten, die hellen Materialfarben, die detailverliebte Rücksichtnahme auf den Altbestand und den Fokus auf viel Raum zum sozialen Austausch enorm besucherfreundlich. Schon jetzt lässt sich sagen: Es wird ohne Zweifel der spektakulärste, alle Stückln spielende Museumsneubau Wiens sein.

Einzelne Wände der neuen Dauerausstellung sind bereits sichtbar, der Inhalt kommt noch.
Foto: Wien Msueum/Kramar

Bis die Öffentlichkeit den frischen Kulturtempel auch besichtigen kann, wird es allerdings noch dauern. Der Innenausbau startet ab sofort, erste Stellwände und Ausstellungsschilder sind bereits sichtbar. Die Eröffnung bringt dann der Heilige Nikolaus – der 6. Dezember dieses Jahres ist dafür reserviert. (Stefan Weiss, 30.3.2023)