Semyon Bychkov lässt Elefanten grazil zu Wagner tanzen.

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Das Leben, es dauert nur einen Augenblick. Von der Geburt bis zum Tod, von einem blühenden A-Dur-Dreiklang zu welkem a-Moll verstreichen beim Kernmotiv von Mahlers sechster Symphonie lediglich vier Viertelschläge. Doch für die plastisch-drastische Detailschilderung der Wechselfälle des Lebens nimmt sich der Romantiker in seinem viersätzigen Werk natürlich trotzdem ausreichend Zeit – die Tschechische Philharmonie benötigte am Mittwoch im Konzerthaus unter der Leitung von Chefdirigent Semyon Bychkov gut eineinhalb Stunden dafür.

Geraten die ganz großen Interpretationen von Mahlers Symphonien oft zur Weltenschau, so blieb bei Bychkov und den Tschechen der Gesamteindruck eines ausufernden Sammelsuriums zurück – so ausufernd wie die raumgreifende Sitzordnung des Klangkörpers mit acht hintereinander platzierten Pulten bei den Streichern. Nach einem saftig-federnden, kumpelhaften, nur begrenzt beängstigenden Marschbeginn bot der Kopfsatz gegen Ende Jahrmarkttrubel. Wie bei Herbert von Karajan, aber im Widerspruch zur Angabe im Programm und zur Empfehlung der Neuen Kritischen Gesamtausgabe der Universal Edition folgte als zweiter Satz das Scherzo. Der Klangkörper erinnerte hier mit seiner Masse an einen Elefanten, der auch auf grazile Art "bedächtig" (Mahler) zu tanzen versteht.

Luftkissenweich die Streicher beim Beginn des darauffolgenden Andante moderato, dann ein Höhepunkt, der Majestät mit Intensität vereinte. Warum nur bringt Mahler da plötzlich aus dem Nichts heraus und ohne Not diese Quintfallkette? Dass das Schicksal einen verdammt harten Punch haben kann, demonstrierten die beiden Prager Pauker im Finalsatz (mit akustischer Unterstützung der sie überwölbenden Orgelempore). Im mit reichlich Harfengeblubber unterteilten letzten Satz beeindruckten die Tschechen mit Straffheit und edler Bläserperformance. Lebhafter Jubel für Mahlers "Tragische". (sten, 31.3.2023)