
Im Gastblog zeigt Johannes C. Huber, wie man durch Division mit Rest eine zufällige Auswahl vortäuschen kann.
"Ene, mene, miste, es rappelt in der Kiste." Wann immer ich mit Abzählreimen konfrontiert bin, erinnere ich mich an diese nervige Kinder-Schokobons-Werbung aus den 2000er-Jahren. Zum Glück ist diese aber nicht das Thema dieses Beitrags. Abzählreime mögen infantil wirken, aber sie sind eine großartige Möglichkeit, um das Thema Teilbarkeit zu veranschaulichen.
Angenommen, wir haben einen Sitzkreis mit acht Personen (Aya, Ben, Clara, Diego, Ensar, Fiona, Gian und Hanae) vor uns und sollen zufällig eine davon aussuchen:

Mithilfe von Abzählreimen können wir es so aussehen lassen, als ob wir unsere Entscheidung rein zufällig treffen, obwohl wir in Wirklichkeit ganz gezielt eine Person wählen.
Dazu müssen wir einerseits wissen, wie viele Silben der jeweilige Abzählreim hat, das heißt wie oft von einer Person zur nächsten weitergezählt wird, und andererseits, wie die Modulo-Rechnung funktioniert. Ersteres ist nicht allzu schwierig. So besteht beispielsweise der Abzählreim "Ene, mene, miste, es rappelt in der Kiste. Ene, mene, mu, und raus bist du" aus insgesamt achtzehn Silben¹.
Silben durch Personen teilen
Nun zur Modulo-Rechnung: Diese kennen die meisten Leute als Division mit Rest. Wenn wir hier achtzehn Silben durch acht Personen teilen, können wir zwei ganze Runden im Kreis zählen, ehe noch zwei Personen übrig bleiben. Die erste der beiden ist jene, bei der wir zu zählen begonnen haben, und die nächste ist jene, bei der wir aufhören. Es reicht also aus, nur den Rest zu zählen, um zu wissen, wen es am Ende treffen wird. Wenn wir zum Beispiel bei Aya zu zählen beginnen, ist klar, dass letztendlich Ben drankommt. Es sein denn, wir zählen gegen den Uhrzeigersinn – dann trifft es natürlich Hanae. Das bedeutet außerdem, dass grundsätzlich alle acht Personen getroffen werden können.
Nun machen wir es ein wenig komplizierter, denn durch den Zusatz "Raus bist du noch lange nicht, musst erst sagen, wie alt du bist" kommen noch fünfzehn weitere Silben dazu¹. Bis wohin danach weitergezählt wird, hängt vom Alter der jeweiligen Person ab². Um genau vorhersagen zu können, wen es trifft, brauchen wir also diese Zusatzinformation für alle Personen im Kreis. Wir gehen in weiterer Folge von diesen Altersangaben aus: Aya (9 Jahre), Ben (6 Jahre), Clara (7 Jahre), Diego (7 Jahre), Ensar (8 Jahre), Fiona (7 Jahre), Gian (8 Jahre) und Hanae (5 Jahre).
Präzise Vorhersage
Falls wir zum Bespiel im Uhrzeigersinn (mathematisch negativer Drehsinn) bei Hanae zu zählen beginnen, gehen wir im Endeffekt nur einen Platz (33 : 8 = 4 mit 1 Rest) zu Aya weiter. Diesen Zwischenschritt können wir eigentlich auslassen, weil mit dem Abzählreim allein ohnehin alle Sitzplätze erreicht werden, und zwar abhängig von der Richtung, in die wir zählen, jeweils den links oder rechts benachbarten. Es genügt also, wenn wir uns anschauen, wessen Alter zu welchem Platz führt. Da Aya neun Jahre alt ist, gehen wir in diesem Fall erneut nur einen Platz weiter (9 : 8 = 1 mit 1 Rest) und hören bei Ben zu zählen auf. Falls wir jedoch von ihr aus gegen den Uhrzeigersinn (mathematisch positiver Drehsinn) zählen, landen wir schließlich bei Gian, weil dieser acht Jahre alt ist und sich deshalb selbst trifft.
Je nachdem, wessen Alter die Grundlage für das Weiterzählen ist, werden folgende Personen getroffen:

Dabei fällt uns auf, dass es Personen gibt, die mehr als einmal getroffen werden. Clara kann beispielsweise auf zwei verschiedene Arten erreicht werden, und zwar wenn wir gegen den Uhrzeigersinn bei Aya oder im Uhrzeigersinn bei ihr selbst zu zählen beginnen. Das bringt uns zur nächsten Erkenntnis: In manchen Fällen landen wir am Ende wieder bei derselben Person. Im Uhrzeigersinn passiert das nämlich auch noch bei Ben und Ensar und gegen den Uhrzeigersinn bei Diego, Ensar und Gian.
Außerdem gibt es Personen, die gar nicht getroffen werden, denn egal bei wem wir beginnen, Aya und Fiona erwischt es nie. Falls wir nun selbst zum Kreis dazustoßen, helfen uns diese Informationen, wenn wir einen Sitzplatz aussuchen sollen. Denn je nachdem, ob wir unbedingt oder gar nicht ausgewählt werden möchten, können wir einen möglichst günstigen Platz wählen.
Wo ist der beste Platz?
Zwischen wen sollten wir uns setzen, um bei diesem Abzählreim garantiert nicht ausgewählt zu werden? Ist das überhaupt möglich? Um das zu beantworten, betrachten wir wieder den Rest: Da das Alter von allen höchstens gleich groß ist, wie die Anzahl der Personen im Sitzkreis, reicht es zu wissen, wie viel auf eine ganze Runde fehlt, das heißt, wie viele Plätze vor der Person, mit deren Alter wir weiterzählen, die Zählung aufhört.
Wenn im Uhrzeigersinn gezählt wird (alle schauen dabei in die Mitte des Kreises), möchten wir weder einen Platz rechts von Diego und Gian noch zwei Plätze rechts von Clara, Diego und Fiona noch drei Plätze rechts von Ben noch vier Plätze rechts von Hanae sitzen. Wenn stattdessen gegen den Uhrzeigersinn gezählt wird, sind alle unerwünschten Positionen entsprechend viele Plätze weiter links von den genannten Personen:

Die Pfeile in der Abbildung stehen für die Position, bis zu der weitergezählt wird. Falls wir uns zwischen zwei Personen setzen, treffen uns alle Pfeile, die zwischen ihnen liegen. Der einzig sichere Hafen ist in diesem Fall der Platz zwischen Gian und Hanae, weil niemand den Zähler an diese Stelle weiterschickt. Aya trifft sich selbst, weil ihr Alter gleich der Anzahl der Personen im Kreis ist. Dieser Umstand ist die einzig verbleibende Möglichkeit, wie wir trotzdem ausgewählt werden könnten. Falls unser eigenes Alter nämlich ebenfalls ein ganzzahliges Vielfaches von neun (0, 9, 18 ...) ist, landen wir am Ende wieder bei uns, wenn mit unseren Lebensjahren weitergezählt wird. (Johannes C. Huber, 31.3.2023)