Weltmeister Valentin Rainer mit der Trophäe.

Foto: Flo Gassner

Wenn Valentin Rainer den Berg bezwingt, bricht man sich beim Zusehen die Beine. Ein Helikopter da, ein Backflip dort, als gäbe es nichts Einfacheres auf der Welt. "So smooth, this guy is delivering", jauchzte der TV-Kommentator, als der 24-jährige Skiprofi im Februar auf der Freeride World Tour (FWT) in Andorra seinen Premierensieg feierte. "Das waren schwierige Take-offs und saubere Landungen", sagt Rainer zum STANDARD, "ich hatte keine Unsicherheit in meinem Run, ich war nie sketchy am Weg."

Der Mann mit den vielen englischen Ausdrücken hat in dieser Saison tatsächlich wie kein Zweiter geliefert. Und zuletzt stand ihm auch noch das Wetter bei. Seit der Absage des Saisonfinales in Verbier am Dienstag steht der Tiroler als Gesamtsieger der FWT fest. Bei den Frauen gab es mit Lorraine Huber, Eva Walkner und Nadine Wallner bereits drei Weltmeisterinnen aus Österreich, bei den Männern ist der Titel eine Novität.

Freeride World Tour

"Ich kann es gar nicht realisieren", sagt der Champion zum STANDARD. Vermutlich ist dies der häufigste Satz, den Sieger in der Stunde des Erfolges aussprechen. So ein Triumph muss sickern. Zumal er sich in diesem Fall nur ganz leise angekündigt hat. Im Vorjahr war Rainer noch 16. der Gesamtwertung, der Sprung nach vorne ist quasi ein vierfacher Frontflip. Talent, harter Arbeit und einem klaren Plan sei Dank. Die Trophäe öffnet Türen: "Jetzt kann ich mit den Sponsoren bessere Deals aushandeln."

Wie jeder anständige Österreicher fuhr auch Rainer in seiner Jugend durch blaue und rote Tore. Irgendwann ist ihm die Lust am alpinen Skirennsport vergangen: "Das war mir zu viel Druck und Kampf. Man muss die Konkurrenten fast als Feinde betrachten. Das hat mir nicht gefallen." Unter den Freeridern herrscht ein amikales Klima, niemand fährt die Ellbogen aus: "Die anderen Teilnehmer sind meine Freunde. Ich bin keinem böse, wenn er mich im Wettbewerb schlägt."

Freeride World Tour

Beim Freeride ist der Name Programm. "Man kann mehr oder weniger tun und lassen, was man will", sagt Rainer, "ich muss nicht da oder dort fahren, ich kann die Line von oben bis unten selbst bestimmen." Meistens führt diese Line über schroffes, felsiges Gelände. Wo andere die Bergrettung rufen, blüht der Weltmeister so richtig auf. "Wenn ich meinen Run runterbringe, bin ich zufrieden. Unabhängig von der Platzierung."

Ein wenig Zucht und Ordnung könnte der Internationale Skiverband (Fis) bringen. Seit diesem Jahr kooperiert die FWT mit der Fis. Was als "Bündelung der Kräfte" verkauft wird, nährt in der Szene Ängste und Hoffnungen. Auf der einen Seite könnten die Freerider wie seinerzeit die Snowboarder und Freestyler ihrer Seele beraubt werden. Auf der anderen Seite ergeben sich durch die Fis wirtschaftliche Chancen. Sogar Olympia ist plötzlich ein Thema. Auch das könnte man freilich als Drohung verstehen.

Wie auch immer sich die Zukunft der Freerider gestalten wird, der Sport bleibt gefährlich. Im Jänner verstarb einer von Rainers Freunden in Japan unter einer Lawine. Mit ihm kam der US-Freestyle-Weltmeister Kyle Smaine zu Tode. "Natürlich denkt man darüber nach", sagt Rainer, "aber ich halte mich für einen vernünftigen Skifahrer. Ich mache weiter wie bisher. Wir tun alles, um Lawinen zu vermeiden. Wir haben Pieps, Sonde und Schaufel dabei. Am Berg kann immer etwas passieren." (Philip Bauer, 30.3.2023)