"Kickl zeichnet sich durch besondere Grenzüberschreitungen aus", sagt Landeshauptmann Wilfried Haslauer und kritisiert die Verrohung des politischen Diskurses.

Foto: Birgit Probst

Wilfried Haslauer (ÖVP) kritisiert die Verrohung der Sprache im politischen Diskurs vor allem im Nationalrat. Die niederösterreichische Koalition kommentiert er im Gespräch mit dem STANDARD nicht. In Salzburg will er mit der ÖVP wieder auf Platz eins, auch wenn die Umfragen ein Minus prognostizieren. Die Debatte um die Salzburg AG schade ihm persönlich, und die Wohnbauförderung werde in der nächsten Amtszeit erneut umgebaut.

STANDARD: Weil sich diese Woche wieder Klimakleber auf der Staatsbrücke, der zentralen Brücke in der Stadt Salzburg, festgeklebt haben. Haben Sie Verständnis für diese Aktionen, oder fordern Sie auch härtere Strafen?

Haslauer: Verständnis für das Anliegen, kein Verständnis für die Methoden. Die Methoden nehmen viele Leute in Geiselhaft. Stellen Sie sich vor, jemand muss zum Arzt und steht im Stau oder möchte seine Kinder in die Schule fahren. Das Thema Klimaschutz und die Notwendigkeit für Maßnahmen ist angekommen. Diese Form von Aktionismus lehne ich ab. Wenn es stimmt, dass die Strafen sowieso von NGOs bezahlt werden, dann nützen härtere Strafen auch nichts.

STANDARD: Sie haben selbst den Klimaschutz als wichtiges Thema ins Wahlprogramm aufgenommen. Aber Bundeskanzler Karl Nehammer hat sich in seiner Zukunftsrede gegen das Aus für Verbrennungsmotoren ausgesprochen. Wo ist denn da jetzt die Linie der ÖVP?

Haslauer: Das eine schließt das andere nicht aus. Die Notwendigkeit des Klimaschutzes und mit Nachdruck eine Mobilitäts- und Energiewende herbeizuführen ist längst bei der ÖVP angekommen. Was wir für die Mobilitätswende getan haben, ist wirklich enorm: mit dem S-Link, der geplanten Verlängerung der Lokalbahn in die Stadt Salzburg, der Wiedererrichtung der Pinzgaubahn und dem 365-Euro-Ticket. In den Verfahren für Anlagen zur Herstellung erneuerbarer Energie müssen wir entschieden schneller werden. Das Verzögerungspotenzial von jenen Gruppen, die am lautesten Maßnahmen einfordern, ist am größten. Das ist so widersprüchlich. Wir haben einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der sofort von den Grünen beeinsprucht wurde in der Regierung. Karl Nehammers Zugang finde ich vollkommen richtig, weil man soll auf verschiedene Technologien setzen. E-Mobilität ist eine, aber auch Wasserstoff oder E-Fuels.

STANDARD: Sie äußern sich ja traditionell nicht zu Koalitionsmöglichkeiten vor der Wahl, kritisieren aber immer wieder den Umgangston von FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl. Kann da Schwarz-Blau in Salzburg überhaupt funktionieren?

Haslauer: Ich kritisiere insgesamt die Verrohung der Sprache in der politischen Diskussion. Wie es da im Nationalrat zugeht, das ist nicht nur auf die FPÖ beschränkt. Wie mit untergriffigen Verdächtigungen, persönlichen Herabwürdigungen und Beleidigungen agiert wird, ist sehr besorgniserregend. So eine Tonalität hatten wir zuletzt in den 1920er-Jahren. Kickl zeichnet sich durch besondere Grenzüberschreitungen aus. Diese Art von Politik lehne ich ab. Man kann inhaltlich durchaus sehr klare und kantige Auseinandersetzungen und Diskussionen führen, aber mit einem persönlichen Respekt und mit einer gewissen Form von Höflichkeit und Anstand. Aber ich mache keine Koalitionsaussage dazu.

STANDARD: Die Salzburger FPÖ-Chefin Marlene Svazek hat Ihnen auch schon Lügen vorgeworfen. Aktuell gibt es ein FPÖ-Plakat, wo draufsteht: "Während Sie das hier lesen, überqueren zwei Illegale die Grenze unsere Heimat".

Haslauer: Das ist ja demaskierend, das Plakat. Wenn Sie an dem Plakat vorbeifahren, haben Sie es in fünf Sekunden gelesen. Wenn Sie das hochrechnen, dann bedeutet es, dass über eine Million Menschen pro Monat die Grenzen unseres Landes überqueren oder zwölfeinhalb Millionen im Jahr. Die Wahrheit ist, im Jänner waren es 4.000, im Februar 2.500. Da wird bewusst Angst geschürt. Dagegen sein, Angst schüren, Verhetzen ist kein politisches Konzept für die Zukunft.

Deutsch als Pausensprache hält Haslauer für rein plakative Politik. "Schaffen wir dann Englisch in der Schule ab?"
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STANDARD: In Niederösterreich hat Ihre Amtskollegin Johanna Mikl-Leitner einen Koalitionspakt mit der FPÖ unterschrieben, in dem etwa eine Refundierung von Corona-Strafen und Deutsch als Pausensprache vorgesehen sind. Wäre so etwas auch in Salzburg möglich?

Haslauer: Nein. Ich kommentiere Niederösterreich nicht. Ich halte die Rückzahlung von rechtskräftig ausgesprochenen Strafen für sehr problematisch. Sie müssen die Personen sehen, die sich, wenn auch widerwillig, an die Regeln gehalten haben und jetzt sagen: "Ich hätte auch gern gefeiert. Wer entschädigt mich jetzt für das Unbill?" Das ist nicht aufzulösen. Deutsch als Pausensprache ist rein plakative Politik. Wer soll das bitte kontrollieren? Wenn wir so weit kommen, dass es ein Fremdsprachenverbot gibt, schaffen wir dann Englisch in der Schule ab?

STANDARD: Die Salzburg AG ist derzeit in den Negativschlagzeilen. Laut Kontrollamt sind rund ein Drittel aller Buchungen offenbar nicht nachvollziehbar. Grüne und SPÖ fordern jetzt einen Sonderaufsichtsrat für die Salzburg AG. Wie können Sie sich das als Aufsichtsratsvorsitzender erklären, dass hier offensichtlich ein buchhalterisches Chaos entstanden ist?

Haslauer: Von einem buchhalterischen Chaos ist keine Rede, sondern es ist eine Kritik an der Systematik der Buchungen. Und diese Kritik ist mit der Prüfungsgesellschaft KPMG zu evaluieren. Die KPMG hat an dieser Form der Buchungen bisher keine Kritik aufkommen lassen. Aber natürlich, wenn der Rechnungshof und das Kontrollamt das kritisieren, dann muss man sich das anschauen. Das ist gar keine Frage. Dass eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung gefordert wird von Grünen und SPÖ, die seit über zehn Jahren im Aufsichtsrat sitzen, zeigt, dass das einfach Wahlkampfaktionismus ist. Die Sitzung wird auch stattfinden.

STANDARD: Wird die Salzburg AG für die ÖVP zum Problem im Wahlkampf?

Haslauer: Das ist schon ein Thema für uns. Das schadet mir auch persönlich. Aber ich bin einer, der sich nicht wegduckt in engen Zeiten. Das ist unser wichtigstes Beteiligungsunternehmen, 42 Prozent hält das Land an der Salzburg AG. Strom, Gas, Wasser, die Netze, die Telekommunikation, der Verkehr, das Breitband, das sind ja wesentliche Infrastruktureinrichtungen, um das muss man sich kümmern, weil sonst dort rein kapitalistisch im Firmeninteresse entschieden wird. Wir müssen schauen, dass die Preisgestaltung im Sinne der Kunden ist, und dann kann man wieder dafür Sorge tragen, dass wirtschaftlich das Unternehmen attraktiver wird.

STANDARD: Sie haben eine Neustrukturierung der Wohnbauförderung angekündigt. Ist das unter Ihrer Regierungsführung eingeführte Modell gescheitert?

Haslauer: Nein, das ist nicht gescheitert. Aber wir müssen, wie immer in geänderten Verhältnissen, die Dinge anpassen. Unser Problem ist der gigantische Preisdruck auf Wohnungen, auf Bauland und die knappe Verfügbarkeit von Bauland. Wir haben jetzt schon einige Maßnahmen gemacht gegen die Hortung von Bauland, gegen Leerstände und illegale Zweitwohnsitze, die sich positiv auswirken. In den intensiven Zweitwohngebieten im Pinzgau kommen die Wohnungen bereits um ein Drittel des Preises auf den Markt.

STANDARD: Wie soll die Wohnbauförderung künftig aussehen?

Haslauer: Möglicherweise werden wir umstellen auf ein Wahlmodell, sodass der Förderungsnehmer wählen kann zwischen einem günstigen Darlehen oder einem sogenannten verlorenen Zuschuss, den er nicht zurückbezahlen muss. Die alte Konstruktion hatte den Fehler, dass das Land viel Geld aufgenommen hat und die günstigen Konditionen mit geringem Aufschlag weitergereicht wurden, in der Erwartung, dass die zurückfließenden Zahlungen diese Kredite abdecken. Aber das praktische Ergebnis war, dass damit die Löcher des Haushaltes gestopft wurden und die Schulden geblieben sind.

STANDARD: Die Rückzahlungen hätte man halt zweckwidmen müssen.

Haslauer: Ja, wie auch immer. Jedenfalls ist es in der Vergangenheit beim Darlehensmodell von der Vorgängerregierung so gemacht worden. Dann wurden die Darlehen unattraktiv, weil das Zinsniveau so niedrig war. Nun steigen die Zinsen wieder, und wir können über Darlehen nachdenken. Ich habe da überhaupt keinen ideologischen Zugang, sondern einen rein pragmatischen.

STANDARD: Laut den aktuellen Umfragen wird die ÖVP bei der Wahl am 23. April verlieren, die Frage ist nur, wie viel. Gibt es für Sie eine Schmerzgrenze, bei der Sie sagen, Sie machen als ÖVP-Chef und Landeshauptmann nicht weiter?

Haslauer: Mein Ziel ist klar: Wir wollen Nummer eins werden. Die Prozentsätze sind sekundär.

STANDARD: Wenn Sie wieder Landeshauptmann werden, werden Sie die komplette Periode bleiben?

Haslauer: Das ist der Plan. (INTERVIEW: Stefanie Ruep, 31.03.2023)