Posie Parkers Feminismus hat sehr enge Geschlechtergrenzen.

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Eine Frau in einem bedrohlichen Gedränge, sie wird mit diversen Sachen beworfen und muss von Sicherheitsleuten durch eine wütende Menge geschleust werden. Die Frau ist Kellie-Jay Keen-Minshull, auch bekannt als Posie Parker, und gilt als Frauenrechtlerin. Frauenrechtlerin für biologisch verbriefte Frauen, genauer gesagt. Eigentlich konzentriert sie sich vorwiegend auf Exklusion von Transfrauen und den Kampf gegen Transrechte. Das Video entstand Ende März bei einer geplanten Veranstaltung in Auckland, die im Rahmen einer Reihe namens "Let Women Speak" hätte stattfinden sollen. Wegen der massiven und tätlichen Übergriffe wurde der Talk von Kellie-Jay Keen-Minshull abgesagt.

Vorneweg: Versuche, solche Veranstaltungen mit Gewalt zu verhindern, sind scharf zu verurteilen. Allerdings ist es ebenfalls zu verurteilen, wenn aufgrund solcher Vorfälle Transmenschen zu Feindbildern gemacht werden. Sie müssen derzeit, wie seit Jahren Frauen, die freiwillig Kopftuch tragen, als unmittelbare Bedrohung für sämtliche Gleichstellungserfolge herhalten. Dass es immer wieder derart gut gelingt, eine ohnehin stark diskriminierte Minderheit zu dämonisieren, ist erschreckend.

Polemik und Hetze

Hetze, Falschinformation und Polemiken gegen Transrechte funktionieren derzeit bestens. Das erstaunt insbesondere in feministischen Kontexten, denn das Instrumentarium, dessen man sich dabei bedient, ist dem des Widerstands gegen Frauenrechte sehr ähnlich.

Proteste in Canberra, Australien, gegen Veranstaltungen mit Posie Parker.
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Zum Beispiel auf Gesetzesebene: Die deutsche Ampelkoalition will das bereits 40 Jahre alte deutsche Transsexuellengesetz, das in Teilen immer wieder als verfassungswidrig erklärt wurde, unter dem Titel "Selbstbestimmungsgesetz" reformieren. Die Änderung des Personenstands soll im Vergleich zum Ist-Zustand stark vereinfacht werden. Keine Gutachten sollen mehr nötig sein, die die Geschlechtsidentität bestätigen. Klingt plausibel, ist es doch ein massiver Eingriff, wenn eine Ärztin oder Therapeutin das letzte Wort und die Autorität hat, über einen Personenstand und somit über die eigene Geschlechtsidentität zu bestimmen.

Ständig das Gender wechseln

Jedenfalls kursiert nun vor allem eines: Schon nach einem Jahr darf man, einfach so, den Personenstand wieder ändern. Wie es einem grad so passt. Ein Jahr als Frau, ein Jahr als Mann – je nachdem, womit man sich gerade Vorteile erwartet. Als wäre es ein Spaziergang und lustig, sein gesamtes soziales Umfeld über eine Änderung der Geschlechtseintrags in den eigenen Dokumenten zu informieren.

Das erinnert an Debatten im Vorfeld der Kriminalisierung der Vergewaltigung in der Ehe. Da könnte ja jede nach einem schlimmeren Ehestreit daherkommen und den Gatten anzeigen. Nun, theoretisch ja. Praktisch ist aber die Zahl derer, die aus Rachegründen sexualisierte Gewalt anzeigen, sehr niedrig. Warum sollte man auch? Weil es so großen Spaß macht, bei der Polizei sexualisierte Gewalt anzuzeigen?

Die Zahlen zu Verurteilungsraten und Anzeigen generell sind ebenfalls im Vergleich zu Dunkelfeldstudien niedrig. Im Fall von Personenstandsänderungen ist das Argument des Missbrauchs ebenfalls seltsam. Transgeschlechtlichkeit ist in unserer Gesellschaft kein Ponyhof, die Fälle, in denen sich Menschen wegen eines früheren Pensionsanspruchs als Frau eintragen lassen, werden sich sehr in Grenzen halten – zumal das Datum der Änderung des Personenstands für Pensionsansprüche gilt.

Anekdotische Evidenz

Ebenso wird immer wieder davor gewarnt, Männer würde sich als Transfrauen getarnt in Frauenräume schleichen, um dort sexualisierte Gewalt an Frauen auszuüben. Bei diesem oft skizzierten Horrorszenario müssen wir uns aber mit einer anekdotische Evidenz begnügen. Tatsächlich finden zwei Drittel aller Vergewaltigungen im sozialen Umfeld der betroffenen Mädchen und Frauen statt. Und überwiegend dort, wo sie sich sicher fühlen sollten: In Ihren Familien, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz. Und bei der überwiegenden Anzahl ist der Täter dem Opfer bekannt.

Sicher, jeder einzelne Fall von Gewalt muss verhindert werden. Aber die kriminelle Energie Einzelner und allfälliger Missbrauch von Antidiskriminierungsgesetzen waren noch nie ein plausibles Argument gegen diese. Außerdem stempelt es so ganz nebenbei Transmenschen als potenzielle Sexualstraftäter:innen ab. Ähnlich wie bei der Kriminalisierung von Vergewaltigung in der Ehe Frauen unterstellt wurde, dass von ihnen einfach zu viele rachsüchtige Lügnerinnen seien, weshalb so ein Gesetz eine Gefahr wäre.

Ein Fan von Posie Parker.
Foto: POL / CITIZENS INITIATIVE & RECALL

Eine andere Parallele ist die Sprachpolitik: Wir kennen seit Jahrzehnten den Einwand gegen genderfaire Sprache, sie würde Menschen diktieren, was sie zu sagen hätten – und wenn sie sprachlich ausbüxen, drohe ihnen Ärgstes. So auch nun beim Schreiben und Sprechen mit und über Transmenschen. Es kursieren immer wieder Behauptungen, medizinisches Personal dürfe nicht mehr von "Müttern" sprechen – sondern sie müssten, ganz, ganz streng, von "gebärenden Personen" reden. Ja, es gibt hier und dort Empfehlungen für medizinisches Personal, dass man etwa einen schwangeren Transmann nicht als "werdende Mutter" bezeichnen könnte oder sollte. Es sind aber Möglichkeiten und keine Exekutionen des Wortes Mutter. Kommt Ihnen das bekannt vor? "Niemand darf mehr das generische Maskulinum verwenden!" Und was ist passiert? Nicht viel bis nichts. Leitfäden, die man ignorieren kann, und eine ÖVP-FPÖ-Landesregierung in Niederösterreich, die geschlechterfaire Schreibweisen in ihren Schriftstücken verbietet.

Besonders vulnerable Gruppe

Wir täten also gut daran, die alarmistischen Stimmen, die Transmenschen – und Transaktivist:innen erst recht – als große Gefahr für liberale Demokratien dämonisieren, im Kontext einer Kontinuität des Widerstands gegen gesellschaftspolitische Fortschritte zu sehen. Und vor allem dürfen wir nicht vergessen: "Transpersonen sind besonders gefährdet, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden", schreiben die Vereinten Nationen. Eine Studie zeigte auch, dass die Zahl von polizeilich registrierten Fällen homo- und transfeindlicher Übergriffe steigt. Nicht irgendwo in einer konservativen Kleinstadt, nein, sondern in Berlin, der deutschlandweit einzigen Stadt, in der LGBTQI-feindliche Taten erfasst werden. Im Gegensatz zum Rest Deutschlands, im Gegensatz zu Österreich.

Aggressiv, wütend und auch gewaltbereit sind also nicht nur manche Reaktionen von Queer-Feministinnen und Transaktivist:innen auf selbsternannte Verteidigerinnen von Frauenrechten wie Kellie-Jay Keen-Minshull. Sondern es sind auch bestimmte Positionen und Kollaborationen. Neonazis gefällt ihre biologistischer Ansatz jedenfalls bestens: Bei einem Auftritt in Australien, unmittelbar vor dem geplanten Auftritt in Auckland, war sie von Nazi-Gruppen begleitet worden, die den Hitlergruß zeigten.

Dass Kellie-Jay Keen-Minshull keine Berührungsängste mit Rassisten hat, hat sie auch früher gezeigt. 2019 war sie in einem Video mit dem Kanadier Jean-François Gariépy aufgetreten. Mit wem sich Gariépy sonst noch so austauscht? Mit David Duke zum Beispiel, seines Zeichens Chef des Ku-Klux-Klans. Oder mit dem britischen Neonazi Mark Collett. Es geht also sicher nicht um die harmlose Forderung "Let Women speak", sondern um die Erzählung, Transmenschen würden Frauen zum Schweigen bringen – während man frisch-fröhlich mit Ultrarechten über diese angebliche Gefahr sinniert. Klingt paradox, funktioniert aber derzeit bestens. (Beate Hausbichler, 4.4.2023)