Eva und Christoph Dichand bei Kurz' "Maroni und Punsch".

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Geschwärzte Seiten in einem Ermittlungsakt lösen immer Aufregung und Spekulationen aus: Denn sie weisen darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft signifikante Ermittlungsschritte wie Hausdurchsuchungen oder auch Festnahmen plant. Diese Vorhaben sollen durch Akteneinsicht, die Beschuldigte ja haben, nicht bekannt werden – also wird geschwärzt.

Schon im August 2022 hatte der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, der WKStA seine Version der vielen Korruptionsaffären offengelegt. Als im Oktober bekannt wurde, dass der in mehreren Verfahren beschuldigte Schmid den Kronzeugenstatus anstrebt, setzte es einige Ermittlungsschritte der Behörde. Doch rund zehn Seiten gelangten nur geschwärzt in den Akt.

Nun hat sich bestätigt, was viele vermutet haben: Auf den geschwärzten Seiten ging es um das Ehepaar Dichand. Am Donnerstag wurden die Verdachtsmomente dann bekannt – und sie haben es in sich: Die WKStA wirft Eva und Christoph Dichand laut Anordnung zur Hausdurchsuchung Bestechung vor, dem früheren Kanzler Sebastian Kurz und drei seiner Berater sowie Schmid Bestechlichkeit. Außerdem geht es um Untreue und Amtsmissbrauch. Als Beschuldigte nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz wird auch die ÖVP geführt.

Viele Inserate für Fellner "verschleiern"

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In ihrer mehr als hundert Seiten langen Anordnung der Hausdurchsuchung identifizieren die Ermittler "drei Phasen", in denen sich die Vorfälle abgespielt haben sollen. Im Jahr 2016, als Kurz Außenminister war und begann, nach der ÖVP-Obmannschaft zu streben, sollen er und sein Umfeld "eine Kooperation mit der Österreich-Gruppe" der Brüder Helmuth und Wolfgang Fellner abgeschlossen haben. Da geht es um das nach der Meinungsforscherin und mittlerweile zur Kronzeugin avancierten Sabine Beinschab benannte Beinschab-Tool, um Inserate und um Studien, die vom Finanzministerium bezahlt worden, aber der ÖVP zugutegekommen seien.

Um das erhöhte Inseratenbudget für "Österreich" zu "verschleiern", hätten Beschuldigte aus dem Finanzministerium rund um Schmid "auch in anderen Medien die Schaltung von Inseraten" veranlasst.

WKStA vermutet "Deal"

In Phase 2, von März 2017 bis Ende 2017, sollen Eva Dichand und Schmid "im Auftrag und mit Wissen und Wollen von Kurz" und anderen einen Deal geschlossen haben. Vereinfacht gesagt: Inserate und dafür positive Berichterstattung und Mitsprache bei der damals geplanten Novelle zum Stiftungsrecht. Ziel sei es gewesen, "positive Grundstimmung zugunsten von Kurz und seinen Projekten in diesen Medien zu schaffen".

Am 22. März meldete Schmid per Chat an Kurz: "Hatte sehr langes und gutes Gespräch mit Eva Dichand und in der Folge mit Helmuth Fellner! Hier ist wirklich etwas gelungen! Beide stehen voll hinter dir! In dieser Form gab es das bei einem ÖVP-Kandidaten sicherlich noch nie! Einige Punkte müssen aber verstärkt beachtet werden: Stiftungen, Presseförderung, RTR usw. Vielleicht hast du einmal kurz Zeit darüber zu reden. Liebe Grüße Thomas"

Als Kurz dann Mitte Mai die ÖVP-Obmannschaft von Reinhold Mitterlehner übernommen hatte, versicherte ihm Schmid erneut, dass "die Dichands halten werden". Und: "Ich starte mit Eigentümern jetzt dann im BMF eine Stiftungsoffensive – alter Wunsch von Eva. LG". Da ging es um mehr Flexibilität im Stiftungsrecht, weniger Transparenz und die Möglichkeit, eine Stiftung zu vergünstigten Steuersätzen aufzulösen.

Signifikanter Anstieg und eine "Belohnung"

Mit der Eroberung der Kanzlerschaft von Sebastian Kurz und der Angelobung der türkis-blauen Regierung begann aus Sicht der WKStA Ende 2017 dann die "Phase 3". In der habe Kurz "veranlasst, dass die Öffentlichkeitsarbeit und die Inseratenvergabe der ÖVP-Ministerien im Bundeskanzleramt zentralisiert" werden. Nun sei es darum gegangen, die wohlwollende Berichterstattung "zu sichern" und "sicherzustellen, dass aus Sicht von Kurz erfolgreiche politische Projekte medial auch ihm zugeschrieben werden".

Der Anstieg der Inseratenausgaben im Finanzministerium ist eklatant: 2016 waren es rund 1,8 Millionen Euro; 2017 dann rund doppelt so viel, 2018 und 2019 ganze 7,2 Millionen respektive 7,4 Millionen Euro.

Den dafür zuständigen Abteilungsleiter P. soll Schmid dafür, dass der die Inserate den "richtigen" Medien zugeschanzt habe, "belohnt" haben – und zwar, indem er ihm einen Job als Staatskommissär in einer kleinen Bank verschafft habe. Allerdings habe das gedauert, wie P. in einer Nachricht an Schmid monierte: "Krone ist erledigt – sie hatten 30 Prozent mehr als Österreich – sie sind Happy – ich bin es nicht, denn leider hat die Belohnung nicht geklappt". Schmid versprach: "Bin dir hier im Wort und werde das noch veranlassen". So war es dann auch. Die für den Job nötigen Kompetenzen, "persönliche Integrität und unbedingtes Commitment zu Rechtsstaatlichkeit und Wirtschaftsethik", hat der Mann laut WKStA aber nicht aufgewiesen. Deswegen wird Schmid in diesem Punkt Amtsmissbrauch und dem Beamten Beihilfe dazu vorgeworfen.

Über die Berichterstattung schwärmte Schmid jedenfalls in einer Chatnachricht: "Bitte schickt mir die echte Krone.. Das oben habt ihr doch selber geschrieben, so perfekt kann eine Zeitung doch nicht sein".

WKStA: "Herzstück einer Demokratie" missachtet

Für die WKStA besteht bei alldem ein gravierender Tatverdacht, den Schritt zur Hausdurchsuchung begründete sie auch damit, dass die Motivation für die Tathandlungen "besonders problematisch" sei, weil sie "das Herzstück einer Demokratie – nämlich freie und unbeeinflusste Wahlentscheidungen" – missachte. Da würden "strafrechtswidrig öffentliche Gelder zweckentfremdet", um einen "Wettbewerbsvorteil" bei Wahlen zu erlangen, und es werde die "öffentliche Meinung (...) im Sinne der ÖVP und von Sebastian Kurz manipuliert". Und: Die rechtlich geschützte Pressefreiheit werde "durch diese korruptive Verstrickung der politischen Akteure mit Medienherausgebern ad absurdum geführt". Denn "die wesentliche Funktion der Presse als public watchdog (…) werde völlig untergraben".

Alle Beteiligten außer Schmid bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung. Eva Dichand nannte die Verdachtsmomente auf Twitter "einfach falsch", auch der AHVV-Verlag sprach von "falschen Anschuldigungen", Sebastian Kurz von "frei erfundenen Anschuldigungen". Beide wiesen darauf hin, dass Schmid ja Kronzeuge werden will und der WKStA daher neue Erkenntnisse liefern müsse. Auf einem Kongress der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) sagte Kurz, die österreichische Justiz werde "leider Gottes missbraucht, um Politik zu machen".

Die WKStA hat eine schwierige und haarige Aufgabe vor sich. Sie muss zum Beispiel begründen können, warum sie davon ausgeht, dass die Beschuldigten bei der Vereinbarung, die sie gemäß Behörde getroffen haben, vorhatten, sich wohlwollende Berichterstattung zu erkaufen bzw. solche liefern zu wollen.*

Geschichte wiederholt sich (nicht)

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Die Hausdurchsuchung löste auch international Schlagzeilen aus. Klar: Eva und Christoph Dichand zählen zu den einflussreichsten Personen des Landes. Sie ist Miteigentümerin und Herausgeberin der Gratistageszeitung "Heute", er Miteigentümer, Herausgeber und Chefredakteur der "Kronen Zeitung". Letztere ist nach wie vor die mit Abstand am meisten gelesene Tageszeitung, sie erreicht wochentags 22,2 Prozent der österreichischen Bevölkerung. "Heute", das in Wien, dem Burgenland sowie in Nieder- und Oberösterreich erscheint, liegt mit einer Reichweite von 8,2 Prozent auf Platz drei der Printmedien.

Wer in "Krone" und "Heute" prominent vorkommt, den kennt man im Lande – das gilt im positiven wie im negativen Sinne. Zumindest früher war ihr Einfluss auf die Meinungsbildung enorm, ob Sternwartepark in Wien, dessen Verbauung 1973 mit heftiger medialer Unterstützung nicht kam, ob die Mobilisierung gegen das geplante Atomkraftwerk Zwentendorf oder die Kampagne zur Unterstützung des heftig umstrittenen späteren Präsidenten Kurt Waldheim (ÖVP). Zuletzt kam sogar ein Bundespräsidentschaftskandidat aus der "Kronen Zeitung", Kolumnist Tassilo Wallentin, der bei der Wahl etwas mehr als acht Prozent der Wählerstimmen erreichte.

"Im Vorhof der Macht"

Wirklich kein Wunder also, dass Politiker jeglicher Couleur regelmäßig die Nähe zu diesem "Vorhof der Macht" suchen, wie Hans Dichand seine 1996 erschienenen "Erinnerungen eines Journalisten" kokett-untertreibend nannte. In den frühen 2000er-Jahren legte er sich auf Sohn Christoph als Nachfolger fest, nach Hans Dichands Tod 2010 übernahm der die "Krone"-Agenden komplett. Christoph Dichands Bruder und seine Schwester sind Miteigentümer, im operativen Geschäft sind sie nicht dabei.

Besonders gut verstanden haben soll sich Hans Dichand auch mit seiner Schwiegertochter Eva Dichand, die beiden verband vor allem die Liebe zur Kunst. Dichand sammelte zeit seines Lebens wertvollste Gemälde, sie sind in einer Stiftung geparkt.

Recht eng war der Verleger auch mit dem einstigen Wiener Wohnbaustadtrat und späteren Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), man unternahm sogar Urlaubsreisen gemeinsam, und der Politiker schrieb eine Kolumne in der "Krone". Nicht rasend diskret fiel dann auch die Werbung des Massenmediums für die Wahlen aus: "Tiere würden Faymann wählen", hieß es in der "Krone" nach einem Rundruf unter Tierschützern im Jahr 2008.

Der positiven Berichterstattung standen auffällig üppige Inseratenschaltungen der Faymann-Ressorts gegenüber. Die Staatsanwaltschaft Wien * ermittelte deshalb jahrelang gegen Faymann, ohne Ergebnis. Schon einmal ging es also um die Frage, ob sich ein Kanzler die Gunst der Medien gekauft hat.

Zehn Jahre später ist es wieder so weit. (Renate Graber, Fabian Schmid, 31.3.2023)