Nicht der deutsche Bundeskanzler und auch nicht der französische Präsident: Es war der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez, der als erster Politiker der Europäischen Union mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping nach dessen Besuch beim russischen Staatschef Wladimir Putin über den Ukrainekrieg und die Vorschläge Chinas, diesen zu beenden, reden konnte. Sánchez nutzte die Einladung anlässlich des 50. Jahrestages der bilateralen diplomatischen Beziehungen, um Xi aufzufordern, "den Dialog zu fördern" und sich mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu treffen. Der Spanier verteidigte ausdrücklich den Zehn-Punkte-Plan der Ukraine zur Beendigung des Krieges.

Pedro Sánchez (links) begrüßt Xi Jinping.
Foto: Borja Puig de la Bellacasa / LA MONCLOA / AFP

Energischer Appell

Zu Beginn des Treffens in der großen Halle des Volkes am Tian'anmen-Platz in Peking vor laufenden Kameras richtete sich Sánchez an Xi: "Präsident Xi, ich bin sehr daran interessiert, Ihre Ansichten zum aktuellen globalen geostrategischen Kontext zu hören. Auch Chinas Position zum Krieg in der Ukraine, insbesondere nach Ihrem Besuch in Moskau." Sánchez forderte Xi auf, "auf Frieden zu setzen", der "gerecht und dauerhaft, in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen" sein müsse.

Sánchez, der in der zweiten Jahreshälfte den turnusmäßigen EU-Vorsitz einnimmt, beharrte auf der Position Europas. Es gehe um die "Verteidigung der territorialen Integrität und Souveränität" der Ukraine. Der spanische Politiker lobte Xi für seine "Zurückweisung jedweder nuklearen Option" und erklärte, auch China würde hinter der Forderung nach "Respekt der territorialen Integrität" der Ukraine stehen.

Zumindest im offenen Teil der Treffens vor laufenden Kameras war der chinesische Staatschef mehr als diplomatisch. Er erwähnte die Ukraine nicht direkt, aber er redete davon, dass China und Spanien "sich den Herausforderungen stellen werden, um Beiträge zum Weltfrieden zu leisten". Die beiden Politiker vereinbarten, den politische Dialog auf hoher Ebene, der durch die Pandemie zum Stocken gekommen war, wieder regelmäßig zu führen. Xi hatte 2018 Spanien besucht.

Fokus auf Wirtschaft

Der chinesische Präsident hatte wesentlich mehr die bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen im Auge. "Spanien war eines der besten Länder in Bezug auf das Wirtschaftswachstum in der EU", lobte er Sánchez. Beide Länder unterzeichneten mehrere Abkommen, um den durch die Covid-Pandemie zurückgegangenen wirtschaftlichen Austausch wieder anzukurbeln. Spanien hofft unter anderem auf die Lieferung von Technologie für den Ausbau erneuerbarer Energien, etwa von Solarpaneelen, China will wieder verstärkt spanische Produkte wie Olivenöl und Weine importieren. Außerdem hat China Spanien auf die Liste der Länder gesetzt, in die nach der Covid-Pandemie Gruppenreisen wieder gestattet sind.

"Die gemeinsame Erklärung enthielt eine Reihe von Verpflichtungen, die die Pandemie leider auf Eis gelegt hat", resümierte Sánchez aus bilateraler Sicht. "Jetzt, wo wir es hinter uns gelassen haben, ist es wichtig, diese Beziehungen neu zu beleben." Sánchez richtete sich auch an die westlichen Politiker und plädiert dafür, mit China "Räume für Dialog und Einigung zu suchen". Nichts ersetze direkte Kontakte zwischen den Staats- und Regierungschefs. (Reiner Wandler aus Madrid, 31.3.2023)