Dass Milo Djukanović am Sonntagabend die Sonne lachen würde, war im Vorfeld bezweifelt worden.

Foto: EPA / Pejovic

Der amtierende Präsident und Chef der Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) Milo Djukanović mobilisierte kurz vor Stichwahl Montenegriner, die im Ausland leben. Er sagte, dass er am Sonntag mit 40.000 zusätzlichen Stimmen rechne. Lokale Medien berichteten, dass manche Wähler aus der Diaspora mit Bussen und Charterflügen angereist seien. Diese Reisen seien auch von Geschäftsleuten, die Djukanović nahestehen, finanziert worden.

Beim ersten Durchgang, am 19. März bekam Djukanović 35,7 Prozent der Stimmen. Sein Herausforderung Jakov Milatović bekam 28,9 Prozent. Dennoch hat Milatović gute Chancen, das Match am Sonntag zu gewinnen, weil er von den zwei Kandidaten, Andrija Mandić und Aleksa Bečić, die beim ersten Durchgang auf Platz drei und Platz vier kamen, unterstützt wird. Auch der scheidende Premier Dritan Abazović unterstützt Milatović.

Früherer Wirtschaftsminister

Djukanović, der seit 1991 fast durchgehend entweder Premier oder Staatschef des kleinen Landes mit 625.000 Einwohner war, hat die Geschicke seines Landes geprägt wie kein anderer. Seit 2020 hat seine Partei allerdings bei Wahlen stark verloren. 2020 kam deshalb erstmals eine Regierung ohne Djukanović`s DPS zustande, die allerdings unprofessionell und chaotisch agierte, intern zerstritten war und kaum Ergebnisse lieferte. Milatović war in dieser Regierung Wirtschaftsminister.

Seine Partei "Europe Now", die mit populistischen Themen wie Lohnerhöhungen und mehr Wohlstand wirbt, wurde erst im Vorjahr gegründet. Milatović sagte nun, dass er der Politiker sein werde, der Montenegro in die EU führen werde. Doch über seine geopolitischen Absichten ist wenig bekannt. Nicht nur in Montenegro – auch in der EU und in den USA – sind pro-westliche Kräfte deshalb besorgt, dass Montenegro unter Milatović unter verstärkten Einfluss von Serbien und auch indirekt vom Kreml geraten könnte.

"Serbische Welt"

Im Nachbarstaat Serbien versuchen Nationalisten nämlich seit einigen Jahren vermehrt, die Einflusszonen Belgrads – analog zu der Politik in den 1990er Jahren, als man ein "Großserbien" schaffen wollte – auszudehnen. Heutzutage wird in diesem Zusammenhang von einer "Serbischen Welt" gesprochen. Etwa ein Drittel der montenegrinischen Staatsbürger bezeichnen sich als Serben und Serbinnen.

Montenegro hat 2008 um Aufnahme in die EU angesucht, seither sind aber wenig tiefgreifende Reformen durchgeführt worden. Insbesondere die montenegrinische Justiz gilt als von parteilichen Interessen unterlaufen. Djukanović und seiner klientelistischen DPS wurden wiederholt Korruption und Freunderlwirtschaft vorgeworfen. Außenpolitisch gilt Djukanović als prowestlich. 2017 wurde Montenegro – auch auf sein Betreiben hin – Mitglied der Nato.

Unbekannter Akteur

Milatović hingegen hat zu den heiklen Themen, nämlich dem Verhältnis zu Serbien und Russland und der Rolle der serbisch-orthdoxen Kirche nie klar Stellung bezogen. Der Umstand, dass er gleichzeitig von chauvinistisch-völkischen serbischen Extremisten wie Vojislav Šešelj unterstützt wird, beunruhigt manche Beobachter. Falls Djukanović am Sonntag die Wahlen gegen Milatović verliert, geht jedenfalls eine Ära zu Ende und Montenegro steht ein umfassender politischer Wandel bevor.

Während manche sich erhoffen, dass nun mehr Rechtsstaatlichkeit und Transparenz möglich werden könnten, fürchten anderen den Einfluss des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, des Kremls und der politisch agierenden serbisch-orthodoxen Kirche, die in den vergangenen Jahren in Montenegro immer mehr die Strippen zog und die DPS und Djukanović mit allen Mitteln bekämpfte. Die scheidende Regierung hat sogar die Kompetenzen des Präsidenten eingeschränkt, was auch die Venedig-Kommission kritisierte.

Parlamentswahlen

Der scheidende Premier Abazović gilt als politisches Leichtgewicht, der sich stark von Vučić und dem albanischen Premier Edi Rama instrumentalisieren ließ. Am 11. Juni finden in Montenegro auch Parlamentswahlen statt. Die Präsidentschaftswahl gilt als eine Art Test für diese. Lokale Medien unterstützen indes die Kreml-Propaganda auf dem Balkan, die in den vergangenen Jahren immer stärker wurde. (Adelheid Wölfl, 2.4.2023)