Mit Bach sehr vertraut: Dirigent Franz Welser-Möst.

Foto: JULIA WESELY

Wien – Beinahe 20 Jahre ist es her, dass die Wiener Philharmoniker Bachs Matthäus-Passion aufgeführt haben. Kein Wunder, schließlich liegt dieses sinnlich sprechende und zutiefst berührende Meisterwerk fest in den Händen Alter-Musik-Ensembles. Am Samstag hatte man also das seltene Vergnügen, Bachs kontrapunktischen Kosmos im Konzerthaus unter der Leitung von Franz Welser-Möst zu erleben.

Es war eine besondere Aufführung, beeindruckend der schlanke Klang des Orchesters (samt Viola da Gamba) in Welser-Mösts sinnlich-pulsierender Interpretation; fein gemischt wirkten die Vokal- und Instrumentalstimmen. Hervorragend auch die Choräle mit dem Kinderchor der Staatsoper und dem Arnold-Schönberg-Chor: Es gab eine packende Gestaltung zwischen unterschwelligem Brodeln (Sind Blitze, sind Donner in Wolken verschwunden) und Aufschrei, zwischen Klage (O Haupt voll Blut und Wunden) und Zärtlichkeit (Wir setzen uns mit Tränen nieder).

Dreistündiger Spannungsbogen

Dirigent Franz Welser-Möst vereinte Chöre, Rezitative und Arien zu einem packenden dreistündigen Spannungsbogen, getragen vom derzeit wahrscheinlich besten Evangelisten, Julian Prégardien. Nicht nur dass der Tenor die ideale Balance zwischen Singen und Erzählen findet. Mit seiner emphatischen und eindringlichen Darbietung verleiht er Bachs geistigem Drama etwas zutiefst Humanes.

An seiner Seite schenkt Liviu Holender seinen wohlig-warmen Bariton dem Jesus, während Sopranistin Christina Landshammer Christus’ Liebe in engelsgleicher Zwiesprache mit den Flöten besingt. Die Alt-Partie war mit Anna Lucia Richter ebenfalls bestens besetzt. Vor zwei Jahren wechselte die junge Sängerin vom Sopran zum Mezzo und überzeugte nicht nur mit geschmeidigen Tiefen, sondern auch mit klaren Höhen.

Ebenfalls eine Freude: Martin Mitterrutzners markanter Tenor und Ludwig Mittelhammers kerniger Bariton. Nach dem Schlusschor folgten Stille, Ergriffenheit und schließlich natürlich und zu Recht Jubel. (mda, 3.4.2023)