Derzeit sind noch Leih-E-Scooter von fünf unterschiedlichen Anbietern auf Wiens Straßen unterwegs. Künftig werden nur noch vier zugelassen – die sich an strengere Vorgaben halten müssen.

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Fein säuberlich ist der elektrisch angetriebene Scooter zwischen zwei schräg parkenden Autos abgestellt. Die Fußgänger können ohne Hindernisse auf dem Gehsteig vorbei, die Pkws müssen von ihren Begrenzungen nicht abweichen. So sieht der Idealfall beim Abstellen von Leih-E-Scootern aus. In vielen europäischen Städten ist das Stadtbild aber ein anderes.

Als erste europäische Hauptstadt wird die Seine-Metropole Leih-E-Roller von ihren Straßen verbannen
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In Paris haben die Konflikte über die Verkehrssicherheit nun gar zu einem Aus der Leihroller gesorgt. Galt die französische Hauptstadt 2018 noch als Vorreiter, werden die aktuell 15.000 Leih-E-Roller künftig verschwinden. Grundlage ist eine Befragung, wonach 90 Prozent der Einwohner gegen die Leihgeräte sind.

Auch in Wien herrscht in vielerlei Richtung Uneinigkeit. Die einen halten E-Roller für praktisch und umweltfreundlich, die anderen haben Sicherheitsbedenken und stellen die Nachhaltigkeit infrage. Für Alexander Mönch ist der Einsatz von Leihscootern jedenfalls positiv zu sehen. "Wir glauben, dass ein wesentlicher Lösungsansatz der heutigen Verkehrsprobleme in der geteilten Mobilität liegt", erklärt der Österreich- und Deutschland-Chef der Mobilitätsapp Free Now.

Dabei hat das Unternehmen einst als reiner Taxivermittler unter dem Namen My Taxi gestartet. Mittlerweile wurde das Angebot um Carsharing und Leihscooter erweitert. In Wien arbeitet die Plattform mit dem E-Scooter-Anbieter Tier zusammen – einem der derzeit fünf Betreiber in der Bundeshauptstadt. Gemeinsam mit Lime, Kiwi Ride, Bird und Link sind allein in der Inneren Stadt 2.500 Scooter unterwegs, wie es auf Anfrage bei der Stadt Wien heißt. Das wird sich künftig aber ändern.

Neuvergabe läuft

Derzeit läuft das Vergabeverfahren für die neuen Konzessionen – mit einigen Änderungen. So werden nur noch vier Betreiber die Erlaubnis erhalten, die Vergabe ist zudem an strengere Regeln gekoppelt. In inneren Bezirken gebe es ein "überbordendes Angebot" und eine hohe Anzahl an Beschwerden, erklärt die Stadt Wien das Motiv dahinter.

Das Angebot soll daher reduziert werden, statt 2.500 Scootern in der Inneren Stadt soll es künftig etwa maximal 500 geben; in den Bezirken zwei bis neun und in Brigittenau höchstens 1.500. Eine zentrale Neuerung ab Mai ist zudem das Abstellverbot von Scootern auf Gehsteigen und die Einrichtung eigener Abstellflächen für die E-Roller.

"Das ist grundsätzlich eine gute Idee, weil es letztlich Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern vermeidet", sagt Daniel Fuchs-Bauer, General Manager Österreich bei Tier. In der Praxis könne es aber herausfordernd werden. "Selbst wenn die geliehenen Scooter richtigerweise auf dem Parkplatz abgestellt werden, kann es sein, dass sie von Autofahrern wieder weggestellt werden." Ein Argument, das in der Branche immer wieder zu hören ist.

Generell ist das Abstellen der Scooter ein seit längerem diskutiertes Problem. "Die Parksituation hat sich durch die Scooter-Ordner aber enorm verbessert", sieht Laurenz Vavrovsky erste positive Entwicklungen. Für einen weiteren Anstoß soll das firmenintern eingeführte "Strike-System" sorgen, erzählt der General Manager der DACH-Region bei Link. Falschparker erhalten seit März eine Benachrichtigung per SMS oder in der App. Die ersten zwei Verwarnungen sind gebührenfrei, ab der dritten wird eine "Umparkgebühr" in Höhe von fünf Euro fällig.

Sicherheitsbedenken

Auch der Leihscooter-Betreiber Tier setzt erste Maßnahmen. "Unser Fokus ist einerseits die richtige Kommunikation", spielt Fuchs-Bauer auf die Möglichkeiten der Smartphone-App an – Anreize für das richtige Verhalten inbegriffen. "Andererseits gibt es auch technische Lösungsansätze", also etwa Fotos der Parkposition beim Beenden der Fahrt. Technischer Hilfsmittel bedient sich auch die Stadt Wien ab Mai dieses Jahres.

Ein digitales Dashboard soll "die Kontrolle in Echtzeit" erlauben. Regelverstöße sollen dadurch ausnahmslos geahndet werden – "auch rückwirkend". Bezahlen sollen die Betreiber selbst. Wie diese dann weiter damit verfahren und ob den verursachenden Nutzern Konsequenzen drohen, obliegt letztlich den Anbietern selbst.

Zu möglichen Verstößen zählen auch Geschwindigkeitsüberschreitungen. 25 Stundenkilometer dürfen die Scooter höchstens fahren, in Begegnungszonen gilt Schrittgeschwindigkeit. "Es gibt aber reichlich risikofreudige Nutzer, die das Risiko leider mit den Fußgängern teilen", sagt Günter Emberger.

Der Forschungsbereichsleiter für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik an der Technischen Universität (TU) Wien hält die elektrisch betriebenen Leihscooter generell für sicherheitsbedenklich. Hinzu käme, dass sie kaum nennenswerte Vorteile brächten – auch im Hinblick auf die Verkehrswende.

Wirklich nachhaltig?

Studien würden zeigen, dass E-Roller fast keine Autowege substituieren. "Vorher ist er zu Fuß gegangen oder mit dem Fahrrad gefahren, nun mit dem Scooter", veranschaulicht Emberger die Studienerkenntnisse. Zu einem ähnlichen Schluss kam auch das deutsche Umweltbundesamt in einer Analyse von vor zwei Jahren. In Innenstädten mit guter öffentlicher Anbindung brächten Roller eher Nachteile. Schließlich sei es klimafreundlicher, den Weg zur Bahn zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen.

Einzig als Ersatz für die Fahrt mit dem Auto bringe die Nutzung von E-Rollern Potenzial für eine nachhaltigere Mobilität mit. Mancherorts, etwa in San Francisco, ist das einer Umfrage der Verkehrsbehörde nach der Fall. Immerhin 42 Prozent der E-Scooter-Fahrer nutzen ihn anstelle des Autos. In europäischen Untersuchungen liegt der Anteil stattdessen im einstelligen Prozentbereich. (Nicolas Dworak, 4.4.2023)