Ich habe ein Faible für Ost-Architektur. Obwohl man fairerweise sagen muss, das berühmte Hotel Neptun in Warnemünde an der Ostsee, das zu einer DDR-Ikone wurde, ist eigentlich von deutsch-schwedischen Architekten gebaut worden: Fritz Jaenecke und Sten Samuelson aus Malmö stellten den Betonbau 1971 fertig, genialerweise haben alle der rund 350 Zimmer einen Blick aufs Meer. Noch heute ist das Hotel ein Wahrzeichen der Stadt – wie der sogenannte Teepott, ein 1968 errichteter Schalenrundbau.

Das Hotel Neptun in Warnemünde.
Foto: Karin Cerny

Von Berlin bin ich in rund zwei Stunden in Rostock, die S-Bahn bringt mich direkt ans Meer. Im Sommer ist es hier furchtbar überlaufen, dann legen die Kreuzfahrtschiffe an. Von Jänner bis März ist es noch relativ verschlafen, ideal, um sich den rauen Wind um die Ohren wehen zu lassen. Mein Zimmer ist klein, aber der Balkon traumhaft, um den langen Strand von Warnemünde zu überblicken. Das Wasser schlägt hohe Wellen, Kitesurfer haben ihren Spaß.

Der "Teepott" genannte Schalenrundbau von Warnemünde.
Foto: Karin Cerny

Im Wellness-Bereich gibt es eine Sauna mit Meeresblick und einen kleinen Pool mit Meereswasser. Ein Großteil der Gäste ist längst in Pension, im Ruheraum ist es tatsächlich ruhig, außer jemand schnarcht, weil es unglaublich entspannend ist, die Sonne im Meer versinken zu sehen. Das Frühstückbuffet ist nicht der Rede wert, aber deswegen bin ich ja auch nicht hier. Das Hotel ist modern renoviert, Vorlegeware, also Teppich auf dem Boden gibt es aber noch immer. Früher war jedes Zimmer verkabelt, vor allem Staatsgäste wurden abgehört, weshalb das Neptun von den Einheimischen auch "Stasi-Hotel" genannt wurde. Die Lage ist fantastisch: Vom Hotel raus, und schon ist man in den Dünen, näher am Strand geht kaum.

Der Alte Strom, der Ostseehafen von Warnemünde.
Foto: Karin Cerny

Ich nutze die Gelegenheit aber auch, um mir die DDR-Neubauviertel von Rostock anzusehen, nur zwei Stationen mit der S-Bahn entfernt liegt das Sonnenblumenhaus im Stadtteil Lichtenhagen, das traurige Bekanntheit erlangte durch die rechtsextremen Ausschreitungen von 1992, als der riesige Plattenbau als Unterkunft für Asylsuchende genutzt wurde. Bilder der rassistischen Übergriffe gingen um die Welt.

Das Sonnenblumenhaus in Rostock.
Foto: Karin Cerny

Wie sieht es heute dort aus? Ich bin positiv überrascht, das Haus wurde renoviert, einige Rentner gehen gerade einkaufen, die Stimmung wirkt entspannt. Natürlich bin ich die einzige Touristin, aber die Menschen sind neugierig und freundlich. Ich merke auch bei den anderen Plattenbauten, an denen Wandreliefs sind, die ich begeistert fotografiere: Oft ist der Blick von außen wichtig, der einem zeigt, wie cool die Architektur ist, an der man täglich blind vorbeiläuft. Ein Relief zeigt die Geschichte der Luftfahrt, ein anderes bunte Drachen, die in die Luft steigen. Sie stammen vom DDR-Bildhauer Reinhard Dietrich.

Ein Hochhaus in Rostock, dessen Fassade die Geschichte der Luftfahrt illustriert.
Foto: Karin Cerny

Im Stadtteil Evershagen befindet sich in der Bertolt-Brecht-Straße ein Terrassenhochhaus, das mittlerweile unter Denkmalschutz steht. Begrünte Dachgärten sorgen für Erholung, Sauna und Bibliothek gibt es auch, die treppenförmigen Terrassen an der Südseite des riesigen Plattenbaus sind noch heute begehrt.

Das Terrassenhochhaus in der Bertolt-Brecht-Straße steht unter Denkmalschutz.
Foto: Karin Cerny

Ein wenig befremdlich ist, dass man durch ein kleines Waldstück muss, um zur S-Bahn zu kommen. Theoretisch ist das nett, praktisch ein wenig unheimlich, vor allem abends. Aber dann bin ich ohnehin schon wieder in meinem DDR-Hotel, das sich wie ein Teil einer Zeitreise anfühlt. Absolut im guten Sinne. (Karin Cerny, 10.4.2023)