Der Chef der italienischen Küstenwache spielte auf Malta an, das laut Berichten seit Beginn des Jahres einen einzigen Migranten aufgenommen hat.

Foto: REUTERS/DARRIN ZAMMIT LUPI

Rom – Das Rettungsschiff Geo Barents hat 440 Geflüchtete bei einer Rettungsaktion in internationalen Gewässern nahe Malta an Bord genommen. Das teilte die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) am Dienstagabend mit. Insgesamt waren rund 500 in Libyen gestartete Menschen auf ihrem Boot in Seenot geraten, hatte die Hilfsorganisation Alarm Phone davor berichtet.

Eine stark dehydrierte Frau wurde per Hubschrauber nach Malta evakuiert. Die Überlebenden berichteten, sie seien vier Tage auf See unterwegs gewesen. Die letzten zwei Tagen hätten die am Samstag von der libyschen Stadt Benghazi abgefahrenen Migranten ohne Wasser und Lebensmittel verbracht. Die meisten Geretteten stammen aus Syrien, Pakistan, Bangladesch, Ägypten und Somalia, teilten die Retter mit. Der Geo Barents wurde die süditalienische Adria-Stadt Brindisi als Hafen zugewiesen.

Alarm Phone hatte am Dienstag nach einem ersten Alarm am Montag erneut an die Behörden appelliert, die Gruppe von Migranten im maltesischen Such- und Rettungsgebiet (SAR) zu retten. Laut Alarm Phone befanden sich zwei Handelsschiffe in der Nähe des Bootes, sie waren aber nicht für eine so große Rettungsaktion ausgerüstet.

Warnung vor Notstand

Der Präsident der Region Sizilien, Renato Schifani, warnte vor einer präzedenzlosen Migrationswelle aus Nordafrika. "Die Migrationsströme wurden in den letzten Tagen vom schlechten Wetter gestoppt, werden in den nächsten Wochen jedoch wieder stark zunehmen. Wir stehen vor einem Notstand. Um die Abfahrten in Richtung Italien zu stoppen, muss man sich für mehr Stabilität in Tunesien engagieren", erklärte Schifani im Interview mit dem Radiosender "Radio anch'io". Von Tunesien fahren mehrere Boote ab, die täglich die Insel Lampedusa erreichen.

Der Chef der italienischen Küstenwache, Admiral Nicola Carlone, erklärte am Dienstag vor dem Parlament in Rom, dass seine Schiffe eine wachsende Zahl von Rettungseinsätzen fernab von Italien durchführen, da die Rettungskapazitäten anderer Küstenstaaten "nicht vorhanden oder unzureichend" seien.

1,2 Millionen Migranten gerettet

Carlone bezog sich damit indirekt auf Malta, das seit Jahresbeginn einen einzigen Migranten aufgenommen habe, wie aus Medienangaben hervorgeht. Die italienische Küstenwache habe in den Jahren zwischen 1991 und 2022 1,2 Millionen Migranten und Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet habe.

Seit Anfang 2023 kamen 28.028 Migranten und Flüchtlinge auf dem Seeweg in Italien an, gegenüber 6.832 im gleichen Zeitraum im Jahr 2022 und 8.394 im Jahr 2021, so die Statistik des Innenministeriums in Rom. Sehr viele Menschen machen sich trotz der gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer weiter auf den Weg nach Europa. (APA, red, 5.4.2023)