Fast könnte man meinen, sie spielen ein "Good Cop, Bad Cop"-Spiel: Nahezu zeitgleich treffen am Mittwoch der französische Präsident Emmanuel Macron und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Peking ein. Zusammen stehen sie für die komplexen und in Teilen widersprüchlichen Beziehungen der EU zu Peking.

Von der Leyen steht für die neue, härtere Linie, die die EU gegenüber Peking fahren möchte: einen deutlicheren Fokus auf Menschenrechte, eine Industriepolitik, die die Abhängigkeit von China verringern soll, und konkret das Pochen auf eine klare Linie Pekings im Ukraine-Konflikt. Noch vergangene Woche hat von der Leyen in ihrer Grundsatzrede zur China-Politik den chinesischen Präsidenten Xi Jinping deswegen kritisiert und zu einem "De-Risking" der Wirtschaftsbeziehungen aufgerufen. Auch die Menschenrechtsverletzungen in der Region Xinjiang sprach von der Leyen deutlich an. Gerade erst ist zudem eine Studie erschienen, die die Verwicklungen der Autoindustrie – vor allem der deutschen – in die Zwangsarbeit in Xinjiang ausführlich belegt.

Französische Wirtschaftsinteressen

Der Élysée-Palast dagegen hat betont, dass man "nicht die Absicht hat, sich von China abzukoppeln". Dort hofft man auf neue Aufträge, zum Beispiel für neue Airbus-Maschinen. Das europäische Gemeinschaftsunternehmen hat zuletzt 2019 einen Auftrag in Höhe von 30 Milliarden aus Peking erhalten.

Macron der Good Cop, von der Leyen der Bad Cop?
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Macron wird am Donnerstag auf den neuen chinesischen Premierminister Li Qiang treffen und anschließend mit einer 50 Mann starken Wirtschaftsdelegation in die südliche Provinz Guangdong reisen. Hinzu kommen 15 Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft.

Von der Leyen trifft am Donnerstag auf EU-Handelskammerchef Jörg Wuttke und Vertreter europäischer Firmen in China sowie Premier Li. Anschließend steht ein trilaterales Treffen mit Macron und Xi Jinping auf dem Programm. Ein bilaterales Treffen von der Leyens und Xis soll nun doch zustande kommen, nachdem Peking nach von der Leyens Grundsatzrede zunächst wenig Interesse gezeigt hatte.

Wenig Interesse an VdL

Und Peking? Gerade erst hat Xi eine neue "Weiterbildungskampagne für Parteimitglieder" verkündet. Das "Xi-Jinping-Denken" soll damit noch tiefer verankert werden. Tatsache ist, dass China derzeit eine ebenso undurchsichtige wie geschickte Macht- und Geopolitik betreibt. Bei seiner Moskau-Reise beteuerten Xi und Putin ihre Freundschaft. Gleichzeitig vermeidet die chinesische Führung eine offene Parteinahme für Russland und gibt sich als Friedensvermittler. Während der Handelskrieg mit den USA weiter tobt, baut China seine Beziehungen zu anderen Brics-Staaten aus.

Xi dürfte hoffen, dass die Europäer wieder einmal Wirtschaftsinteressen über Menschenrechte stellen.
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Hinsichtlich der EU dürfte man aus chinesischer Sicht darauf hoffen, dass den Europäern ihre Wirtschaftsbeziehungen zu China wichtiger sind als Menschenrechte und Loyalität zu den USA. Die einzelnen Mitgliedsstaaten der EU auseinanderzudividieren ist seit Jahren Strategie Pekings. Immer wieder ist es Peking mit Investitionen gelungen, das Abstimmungsverhalten kleinerer Länder wie Ungarn oder Griechenland zu beeinflussen. In der chinesischen Presse findet der Besuch von der Leyens folgerichtig kaum Erwähnung, Macrons Staatsbesuch wird dagegen als "wichtiger Motor" bezeichnet, um die chinesisch-französischen Beziehungen wiederzubeleben. (Philipp Mattheis, 5.4.2023)