Durch die Impfung während der Schwangerschaft werden Antikörper über die Plazenta und später über die Muttermilch an das Baby weitergegeben.

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Im November und Dezember vergangenen Jahres sorgte das RS-Virus dafür, dass viele Kinderstationen in Spitälern an ihr Limit kamen. DER STANDARD berichtete hier. RSV steht dabei für respiratorische Synzytialviren. Schnupfen und hartnäckiger Husten gehören zu den häufigsten Symptomen. Die Kinder trinken weniger, in schweren Fällen kommt es zur Atemnot, und sie müssen im Spital versorgt werden. Infektionen mit dem RS-Virus können vor allem für Neugeborene und Babys bis zum ersten Lebensjahr gefährlich werden.

An sich kommt jedes Kind in den ersten Lebensjahren mit dem Virus in Berührung. Dadurch baut sich im Immunsystem ein natürlicher Schutz auf, die Kleinen sind in weiterer Folge besser vor dem Virus geschützt. Bei einer späteren Infektion entwickeln sie häufig nur noch Erkältungssymptome. Vorsicht ist jedoch vor allem in den ersten sechs bis zwölf Monaten geboten. Eine Impfung, die bereits während der Schwangerschaft verabreicht wird, soll eine zu frühe Infektion verhindern.

Antikörper über Plazenta und Muttermilch

Eine solche Impfung wurde vom Pharmaunternehmen Pfizer entwickelt und befindet sich derzeit in der dritten und somit auch letzten Studienphase. Die Studienergebnisse wurden nun im Fachjournal "The New England Journal of Medicine" veröffentlicht. Besonders interessant sind dabei die Daten zur Sicherheit der Impfung. Der Impfstoff wird der werdenden Mutter intramuskulär während der 24. und 36. Schwangerschaftswoche verabreicht, es handelt sich um eine sogenannte maternale Immunisierung. Die durch den Impfstoff erzeugten Antikörper werden über die Plazenta im Mutterleib und später über die Muttermilch an den Säugling weitergegeben. Sie sollen diesen vor allem vor potenziell schwerwiegenden Infektionen mit RSV schützen.

Anhand der nun veröffentlichten Zwischenergebnisse der Phase-III-Studie von Pfizer kommen die Studienautoren und Studienautorinnen zu dem Fazit, dass bisher keine Sicherheitsbedenken für den Impfstoff vorliegen. Die Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen, die innerhalb eines Monats nach der Injektion oder innerhalb eines Monats nach der Geburt gemeldet wurden, war in der Impfstoffgruppe und in der Placebogruppe vergleichbar. Allerdings wurden in der klinischen Studie Risikoschwangerschaften von der Impfung ausgeschlossen. Insofern liegen für diese Gruppe keine Sicherheitsinformationen vor.

Diesen Punkt kritisiert auch Roland Elling, pädiatrischer Infektiologe am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Freiburg: "Die Studie wurde an gesunden Frauen mit einem maximalen Alter von 49 Jahren mit unkomplizierter Schwangerschaft durchgeführt. Mehrlingsschwangerschaften oder Schwangere mit einem erhöhten Risiko für eine Frühgeburt wurden in der Studie nicht eingeschlossen. Insofern sind Ergebnisse nicht direkt auf diese Risikoschwangerschaften übertragbar."

Abnehmender Schutz vor Infektion wichtig

Insgesamt erhielten 3.682 Mütter den Impfstoff und 3.676 ein Placebo. 3.558 Säuglinge wurden untersucht. 90 Tage nach der Geburt konnte eine Wirksamkeit des Impfstoffs gegen schwere RSV-assoziierte Erkrankungen der unteren Atemwege von 81,8 Prozent ermittelt werden. Ungefähr ein halbes Jahr nach der Geburt betrug die Wirksamkeit des Impfstoffs noch 69,4 Prozent. Bei milderen RSV-assoziierten Erkrankungen der unteren Atemwege, die innerhalb der ersten 90 Tage auftraten, fiel der Schutz deutlich geringer aus. Dieser lag bei 57,1 Prozent.

Wichtig sei jedoch der Schutz vor schweren Erkrankungen, wie der Experte verdeutlicht: "Könnte man wirklich die Hälfte aller krankenhauspflichtigen RSV-Infektionen von Säuglingen im ersten Lebenshalbjahr verhindern, wäre das nach allen bisher nicht geglückten Versuchen einer RSV-Impfung für das Säuglingsalter ein wichtiger Erfolg."

Dass der Schutz nach einiger Zeit weniger wird und irgendwann ganz nachlässt, ist für den Infektiologen Elling in Ordnung: "Insgesamt muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass das komplette Verhindern einer RSV-Infektion durch eine Impfung kein realistisches Ziel ist. Jedes Kind wird irgendwann mit dem Virus in Kontakt kommen. Das primäre Ziel der Impfstrategie ist die Vermeidung von Infektionen in der vulnerablen Phase der Säuglingsperiode, in der die RSV-Infektion am häufigsten zu einer Krankenhausaufnahme führt."

Impfung überhaupt notwendig?

Da es sich bei RSV um ein saisonales Virus handelt – es tritt vor allem im Herbst und Winter auf –, ist eine Impfung aus immunologischen Gründen anspruchsvoll, erläutert Elling: "Für ein Kind, das während der RSV-Saison auf die Welt kommt, muss sie ab den ersten Lebenstagen wirken. Auf der anderen Seite benötigen Kinder, die außerhalb der Saison auf die Welt kommen, erst während der nächsten RSV-Saison, also unter Umständen erst nach einem halben Jahr, die höchste Schutzwirkung." Möglicherweise müssten deshalb differenzierte Impfstrategien entwickelt werden, die Ärztinnen und Ärzte vor eine große Herausforderung stellen würden.

Für werdende Mütter ist jede Impfung in der Schwangerschaft auch mit Sorgen behaftet. Zum einen will man sein Baby natürlich schützen, zum anderen ist die Impfung auch mit Ängsten im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen verbunden. Neben der Impfung für Schwangere wurde auch an monoklonalen Antikörpern geforscht, die Neugeborene ebenfalls vor einer RSV-Infektion schützen sollen. Diese Impfung würde demnach nicht der Mutter sondern dem Säuglingen einmal, kurz nach der Geburt, verabreicht werden und könnte auch bei älteren Personen, die ebenfalls ein höheres Risiko für schwere Erkrankung durch RS-Viren haben, eingesetzt werden. Bernhard Resch, Stellvertretender Leiter der klinischen Abteilung für Neonatologie an der Med-Uni Graz, erklärt: "Der monoklonale Antikörper Nirsevimab käme für alle jungen Säuglinge infrage. Dieser würde nicht nur die Schwangeren entlasten, Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Schutzrate fast höher zu sein scheint", sagt Resch. Bei beiden Impfungen gebe es jedoch noch viele Fragen, die (noch) nicht sicher beantwortet werden können.

Grundlegend stellt sich für Resch jedoch die Frage der Notwenigkeit einer Impfung gegen Viren, die zwar in manchen Fällen zu Krankenhausaufenthalten führen, allerdings gut behandelbar seien: "Das ist für mich die wirkliche Kernfrage. Ob sich Schwangere impfen lassen werden, wenn es sich bei RSV zwar in jungen Monaten und Wochen um eine schwere Lungenerkrankung handelt, aber in der westlichen Welt so gut wie keine Todesfälle zu beobachten sind." (Jasmin Altrock, 6.4.2023)