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Was macht mich wirklich glücklich? Das muss man nicht gleich nach der Ausbildung wissen.
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Miriam H. (25) liebt eigentlich die immer neuen Herausforderungen ihres Masterstudiums in Physik. Sie ist gut darin, hat den Bachelor bereits mit Auszeichnung abgeschlossen. In einem Jahr ist sie mit dem Master fertig. Und dann?

"Ich weiß es echt nicht." Die junge Studentin hat noch viele Fragezeichen in ihrem Kopf: Soll es zu einem Start-up gehen, um an Innovationen zu tüfteln? Zu einem Großunternehmen und Quantencomputer programmieren? Oder doch lieber erst einmal den Doktor machen?

"In manchen Momenten mache ich mir Sorgen", erzählt Miriam. "Aber ich sage mir dann, ich studiere erst fertig, eins nach dem anderen." Diese Momente kennt nicht nur Miriam, viele junge Menschen fühlen sich heute überfordert von dem Überangebot an Jobs. Unternehmen suchen händeringend nach neuem Personal, es heißt, es herrscht Talentemangel.

Wie findet man in diesem Wirrwarr, in diesem Potpourri aus Verwirklichungen das beste Angebot? Für nachhaltige Freude auf dem Karriereweg ist es zwar wichtig, etwas zu finden, das einem ein gutes Gefühl gibt – das muss aber nicht unbedingt die tägliche Entfaltung der Ideen sein. Das kann ruhig auch das Geld auf dem Konto oder die Bequemlichkeit sein. Egal was einer Person wichtig ist, der Weg dorthin hat oft Tücken und mehrere Abzweigungen.

Und nicht für jeden stellt sich heraus, dass der erste Ausbildungsweg der richtige war oder genügend Spaß macht. Schlimm ist das aber sicher nicht. Denn den richtigen Beruf oder Berufswunsch zu finden hat keine Altersgrenze und auch kein immer funktionierendes Erfolgsrezept.

Kaum jemand findet seinen Karriereweg linear.

Es wird immer Menschen geben, die jahrzehntelang unzufrieden arbeiten. Oder Menschen, die bis zur Diagnose Burnout (wenn man wortwörtlich bis zum Ausgebranntsein zu viel arbeitet) oder Bore-out (so wenig Bereicherung, dass man verzweifelt) leiden. Immerhin mehr als 45 Prozent der Arbeitnehmenden sind der Meinung, dass ihr Arbeitsplatz psychisch und emotional nicht gesund sei. Zu diesem Ergebnis kommt die globale "Employee Engagement"-Studie von Great Place to Work mit 14.000 Teilnehmenden aus 37 Ländern.

20 Prozent Spaß, zehn Prozent Gehalt

Laut "Karriereguru" Tobias Jost reicht ein hohes Gehalt oder auch die Bewunderung für den eigenen Jobtitel noch lange nicht aus, um einen glücklich zu machen. Viel eher dröselt er die Faktoren, die zum Glück im Beruf führen, auf: 20 Prozent zähle die mentale Gesundheit, 20 Prozent die körperliche Gesundheit, 20 Prozent die Freizeit, 20 Prozent der Spaß an der Arbeit, zehn Prozent das Gehalt und zehn Prozent der Jobtitel.

Natürlich heißt es aber nicht, dass man zwingend glücklich ist, wenn diese Punkte im Wesentlichen erfüllt sind. Es gibt Zeiten, schreibt Jost in seinem Buch "Mission: Traumjob", die sind anstrengend und nervig. Ein entscheidender Punkt sei: In einem Traumjob findet eine Person nach stressigen Tagen immer wieder zum Spaß zurück. Auch die Entlohnung muss eine Summe sein, mit der das Leben bestritten werden kann.

Für René K. (30) hat es eine Weile gedauert, bis er dort angekommen ist, wo er sich wohlfühlt. Er hatte absolut keine Ahnung, wo er in seiner beruflichen Laufbahn hinmöchte, und hat auf den Rat seiner Mutter hin eine Lehre zum Großhandelskaufmann gemacht. Die Entscheidung, ob das sein Ding ist, hat ihm die Firma gleich abgenommen, als sie ihn wegen Kapazitätsmangels nach der Lehre nicht weiter anstellte.

"Fühle mich angekommen"

Es folgte eine neue Lehre als Mechatroniker und Wagenhersteller, damit hätte er die Firma seines Vaters übernehmen können. Aber auch die Ausbildung motivierte ihn nicht genügend. René holte die Matura nach, doch er wollte danach auch nicht studieren. Weil er selbst Sportler ist, hätte er sich noch Physiotherapie vorstellen können. Oder doch Unternehmensführung für den monetären Erfolg? Es folgten Jobs bei großen Unternehmen wie Philips und Rewe, Jobs als Großhandelskaufmann und als Mechatroniker.

Hängen geblieben ist bei ihm dann der Beruf eines Freundes, der so wie René gerne Computerspiele spielt. "Ich dachte, IT ist ein aufstrebender Sektor und geht durch die Decke", sagt er. "Außerdem sagt mein Freund, die Verdienstmöglichkeiten sind sehr gut." Letztendlich hat er den gleichen Job bei einem großen IT-Unternehmen bekommen und verkauft nun Notebooks. "Ich fühle mich jetzt wirklich angekommen."

Natürlich gibt es auch Situationen, da muss die Suche nach dem Job einfach nur schnell gehen. Denn die verschiedenen Rechnungen zahlen sich nicht von selbst, der Auszug aus dem Elternhaus passiert nicht ohne Ressourcen. Reisen sowie Hobbys funktionieren auch nicht ohne Geld. Eine Berufswahl muss also nicht immer spirituell beglücken oder sich exakt mit privaten Interessen decken.

Weg zur richtigen Stelle

DER STANDARD hat bei einer Karriereberaterin nachgefragt, wie die Suche nach dem Berufsglück am besten losgehen kann. Lisa Eckhardt hat selbst acht Jahre Erfahrung als Recruiterin in der Wirtschaft gesammelt und sich in der Folge als Karrierecoach und Mentorin für das Berufsleben selbstständig gemacht. Sie berät regelmäßig Klientinnen und Klienten in Wien, die Hilfe bei der Jobsuche brauchen.

Lisa Eckhardt ist Karrierecoach in Wien und berät junge Menschen auf dem Weg zu ihrem Traumberuf.
Foto: privat

Bei der Suche startet sie damit, den Personen ihre Denkweise und die Verbindung zu sich selbst näherzubringen. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Klientinnen zu Beginn der Zusammenarbeit den Glauben verloren haben, dass es überhaupt einen passenden Job für sie geben kann", berichtet Eckhardt. Es brauche erst einmal ein Gefühl für die eigenen Bedürfnisse und Intuition.

Plan schmieden

Um zu finden, was uns liegt, muss es vielleicht auch einmal eine Lücke im Lebenslauf sein.

Herrscht eine Unzufriedenheit, kann es auch helfen, diese erst einmal zu definieren, rät die Coachin. Das könnte der Aufgabenbereich sein, das Umfeld, der fehlende Sinn oder die starren Strukturen. Dann geht es weiter mit der Selbstreflexion: Am besten definiert man die eigenen Stärken, Interessen, Werte und Bedürfnisse. Der Weg dorthin ist nicht für jede Person leicht, denn wichtig ist auch, den eigenen Selbstwert zu kennen.

"Zuletzt braucht es einen guten Umsetzungsplan, denn eine Idee ohne Plan bleibt leider oft nur eine Idee", rät die Beraterin. Kürzlich erst hat sie mit einer Klientin einen Plan abgeschlossen, die zu Beginn frustriert und hoffnungslos wirkte. Nach acht Wochen in mehreren Bewerbungsprozessen bekam sie ein Angebot.

Die Physikstudentin Miriam weiß, sie will sicher niemals von 9 bis 15 Uhr in einem Büro sitzen. Das kann sie sich nicht vorstellen, sagt sie, sie braucht ein sich wandelndes Umfeld, "jeden Tag soll etwas Neues passieren". Gerade hat sie sich für eine Stelle als Tutorin an ihrer Uni beworben. Bevor sie selbst nach dem Masterstudium Bewerbungen abschickt, kann sie ihre Interessen in dem Fach an Mitstudierende weitergeben. Bis sie sich bald selbst konkreter festlegen muss. (Melanie Raidl, 14.4.2023)