Mit zuletzt 25,3 Millionen Euro Werbeausgaben ist Wien nicht weit von seinem Rekord seit Einführung der Pflichtmeldungen entfernt.

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Wenn, wie aktuell in der Causa Dichand, die Bundes-ÖVP wegen Werbeschaltungen in Medien in die Kritik gerät, dann dauert es meist nicht lange, bis auch die Anzeigenpolitik der Wiener SPÖ in der Debatte auftaucht. Der Tenor: Im rot regierten Rathaus sitze das Geld, besonders für den Boulevard, mindestens genauso locker wie im türkisen Kanzleramt oder in den Ministerien – Stichwort "System Faymann".

Gemeint ist damit wohlwollende Berichterstattung parallel zu üppigen Werbeschaltungen des langjährigen Wiener Wohnbaustadtrats und späteren Ministers und Kanzlers Werner Faymann. Doch was sagen die Zahlen?

Fakt ist: Wien ist unter den Bundesländern Anzeigenkaiser. Im Vorjahr kaufte die Hauptstadt, wie vor kurzem bekannt wurde, um 25,3 Millionen Euro Inserate, Banner, Spots und dergleichen in Medien. Der Wert basiert auf Daten, die die Stadt bei der Medienbehörde Komm Austria eingemeldet hat. Nicht inkludiert sind Ausgaben ausgelagerter städtischer Unternehmen.

Wien gab somit mehr Geld aus als die anderen acht Bundesländer zusammen. Die Werbebuchungen des Bundes waren im Vorjahr um 3,6 Millionen höher als jene der Hauptstadt: Türkis-Grün steckte im Vorjahr 28,9 Millionen Euro in Anzeigen. Spitzenreiter war das grüne Klimaministerium mit 6,5 Millionen Euro, gefolgt vom türkisen Kanzleramt mit 5,8 Millionen Euro.

Faktor Impfkampagne

Mit zuletzt 25,3 Millionen Euro Werbeausgaben ist Wien nicht weit von seinem Rekord seit Einführung der Pflichtmeldungen entfernt: 2015 wurden 28,2 Millionen Euro aufgewendet. Dann sanken die Beträge – auf das bisherige Minimum von 14,7 Millionen Euro im Jahr 2018. Hintergrund: Die damaligen Koalitionspartner SPÖ und Grüne hatten eine Reduktion vereinbart.

In der Folge ging es aber wieder aufwärts – ab 2020 betrugen die Ausgaben laut Komm Austria bereits mehr als 24 Millionen Euro. Seitens des Presse- und Informationsdienstes (PID), der den Großteil des Werbebudgets im Rathaus verwaltet, wird dies mit einem erhöhten Kommunikationsaufwand wegen der Wien-Wahl im Herbst 2020 und der Pandemie ab Frühling 2020 erklärt.

Ein verzerrender Faktor sei die Impfkampagne, sagt PID-Chef Martin Schipany. Um über die Corona-Impfung zu informieren, stellte der Bund den Gemeinden insgesamt 75 Millionen Euro zur Verfügung. Das habe bei den Meldesummen an die Behörde zu dem "verzerrten Bild" geführt, dass die Ausgaben der Gemeinden "gestiegen oder auf hohem Niveau geblieben sind, während der Bund die seinen nur scheinbar reduzierte", erklärt Schipany. Eigentlich habe Wien 2022 rund 5,5 Millionen Euro weniger für Werbung ausgegeben als 2021.

Verteilung des Werbekuchens

Die größten Stücke des Wiener Werbekuchens fallen laut Auswertung der FH Joanneum für den Boulevard ab. Das Match um Platz eins spielt sich traditionell zwischen "Kronen Zeitung" und "Heute" – Medien von Christoph und Eva Dichand – ab. Im Vorjahr schaltete die Stadt bei "Heute" um 3,2 Millionen Euro Werbung, bei der "Krone" um 3,15 Millionen Euro.

Den dritten Platz belegte in den vergangenen Jahren die "Österreich"-Gruppe – abgesehen vom Vorjahr, wo Der STANDARD mit 2,69 Millionen Euro knapp diesen Rang erreichte. Diese "Realität der Ausgaben spiegelt die Preisgestaltung in den Mediengattungen und das Nutzungsverhalten der Bevölkerung wider", sagt Schipany. Boulevardmedien würden genauso genutzt wie DER STANDARD und andere Titel.

Neue Regelung für Vergabe

Die jüngsten Verschiebungen im Muster erklärt Schipany mit Umstellungen in der Werbepolitik. Um nachvollziehbarer zu machen, wo die Stadt wie viel Werbung bucht, legte Stadtchef Michal Ludwig 2019 neue Regeln fest. Seither wird jährlich in einer Mediendiskursstudie erhoben, über welche Themen sich Wienerinnen und Wiener auf welchen Kanälen und in welcher Qualität informieren. Darauf basierend werde abhängig von Kommunikationsziel, Botschaft und Zielgruppe für jedes Kommunikationsprojekt berechnet, in welchen Medien Werbung gekauft werde, sagt Schipany.

Das Aufschließen des STANDARD sei mit dem guten Abschneiden in der Studie zu erklären. Demnach lasen im Vorjahr 39 Prozent der Wiener Bevölkerung täglich oder mehrmals wöchentlich die gedruckte "Heute", 37 Prozent "Kronen Zeitung", 33 Prozent "Österreich" und 30 Prozent den STANDARD. Online lag Letzterer deutlich vor den anderen drei Medien, aber hinter orf.at.

Für Schipany kann vor diesem Hintergrund keine Rede von einem "System Faymann" sein. Wenn schon, würde er von einem "System der Neuausrichtung" sprechen. (Stefanie Rachbauer, 11.4.2023)