Mark Waschke, der im Berliner "Tatort"Kommissar Robert Karow spielt, hat eine neue Partnerin an seiner Seite: Corinna Harfouch ermittelt als Susanne Bonard.

Foto: ORF/rbb/Marcus Glahn

Es war ein dramatisches Ende. Im Mai 2022 wurde die Berliner Tatort-Kommissarin Nina Rubin (gespielt von Meret Becker) im Einsatz erschossen. Ihr Kompagnon Robert Karow (dargestellt von Mark Waschke) blieb allein zurück.

In der Doppelfolge Nichts als die Wahrheit am Ostersonntag und am Ostermontag um 20 Uhr 15 bekommt er nun eine neue Partnerin: Corinna Harfouch (68) steigt als Ermittlerin Susanne Bonard ein.

Im ersten Fall der beiden geht es um ein Komplott in rechtsextremen Kreisen. Bonard lehrt zunächst an der Polizeiakademie, doch dann wechselt sie in den aktiven Polizeidienst, um einen folgenschweren Fehler wiedergutzumachen.

Wir haben uns fast gefreut, dass es nach einem Dreh wieder einmal den Beweis dafür gab, dass das Thema nicht ganz unwichtig ist. Aber natürlich waren wir verstört.

STANDARD: Sie kämpfen bei Ihrem "Tatort"-Einstieg gegen Rechtsextreme, die einen Umsturz planen. Gedreht wurde im Sommer 2022. Im Dezember 2022 verhaftete die Bundesanwaltschaft in Deutschland eine rechtsextreme Gruppe, die verdächtigt wird, genau so etwas in der Realität geplant zu haben. Was empfanden Sie da?

Harfouch: Das klingt jetzt ein bisschen pervers, aber wir haben uns fast gefreut, dass es nach einem Dreh wieder einmal den Beweis dafür gab, dass das Thema nicht ganz unwichtig ist. Aber natürlich waren wir verstört. Es hat uns umgehauen, und wir haben uns alle gegenseitig angerufen. Die Parallelen sind erschreckend.

STANDARD: In Ihrem Alter gehen viele in Pension. Warum fangen Sie als "Tatort"-Kommissarin noch einmal ein neues Kapitel an?

Harfouch: Es ist überhaupt erst jetzt das richtige Alter für mich. Mit 30 oder 40 Jahren hätte ich mich auf so eine Rolle nicht festlegen wollen. Ich hätte Angst gehabt, dass man da nicht mehr rauskommt oder keine anderen Rollen angeboten bekommt. Aber nun, in meinem Alter, ist ja auch klar, dass ich das keine Ewigkeit mache.

STANDARD: Was reizte Sie nun an der Rolle für den "Tatort"?

Harfouch: Ich finde es spannend, dass so eine erfahrene Frau mit den Vorzügen, die das Alter so hat, noch einmal nach langer Pause in den tatsächlichen Polizeidienst einsteigt. Sie kommt ja als Lehrende von der Polizeiakademie. Bei den Ermittlungen ist sie also gleichzeitig Schülerin und muss eine gewisse Vorsicht und Unsicherheit haben. Andererseits weiß sie sehr viel.

Ihr Hauptwerkzeug ist nicht die Waffe, sondern das Gespräch. Der Vorzug von Susanne Bonard ist, dass sie Menschen emphatisch einschätzen kann.

STANDARD: Mit dem Schießen hat sie es ja nicht so.

Harfouch: Nein. Ihr Hauptwerkzeug ist nicht die Waffe, sondern das Gespräch. Der Vorzug von Susanne Bonard ist, dass sie Menschen emphatisch einschätzen kann. Das möchte ich in den nächsten Folgen noch verstärken, da werde ich mich noch stärker einmischen.

STANDARD: Was mögen Sie an "Ihrer" Kommissarin?

Harfouch: Sie ist sehr lässig und lässt sich, um ihr Ziel zu erreichen, auf einem merkwürdig kurzen Dienstweg installieren. Weil sie das Gefühl hat: Da will ich hin.

STANDARD: Im Kampf gegen Rechtsextremismus hingegen ist sie auch in den eigenen Reihen sehr hartnäckig und drückt kein Auge zu.

Harfouch: Nein, da nicht. Das ist auch mein persönliches Thema. Insofern kann ich es sehr gut verstehen, dass es da ein Feuer, eine Leidenschaft und ein klares Bedürfnis gibt. Wenn man gegen Rechtsextreme etwas tun kann, dann muss man es auch tun.

STANDARD: Der "Tatort" zeigt in dieser Doppelfolge auch Polizisten, die das alles halb so wild sehen. Haben Sie Verständnis?

Harfouch: Es gibt viele menschliche Themen, wo man sich Zeit nehmen muss, um zu verstehen, warum der andere genau dort hingekommen ist. Dann kann man vielleicht sagen, okay, das akzeptiere ich, auch wenn ich es anders sehe. Aber das gilt nicht für Rechtsextremismus. Ich mag auch das Verantwortungsgefühl von Susanne Bonard. Wir müssen uns fragen, was der tiefe Grund für rechtes Gedankengut ist, sowohl bei Politikern als auch bei ganz normalen Leuten, einschließlich Polizisten. Warum macht es nicht allen Leuten mehr Spaß, an einer lichten, heiteren Demokratie mitzuwirken?

STANDARD: Bonard fühlt sich schuldig am Tod einer jungen Polizistin.

Harfouch: Ihr wird angeboten, in den Vorruhestand zu gehen, bei vollen Bezügen. Der Ehemann lockt auch, komm, lass uns endlich durch die Provence reisen – das tun, was wir immer schon wollten. Aber das will sie nicht. Sie hat eine moralische Instanz in sich, das mochte ich.

STANDARD: Apropos Ehemann. Susanne Bonard hat ein intaktes Familienleben. Das ist ja fast erstaunlich. Ihre Vorgängerin Nina Rubin (Meret Becker) war ganz anders.

Harfouch: Ich mag das, ich wollte das genau so. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass Susanne Bonard in dem Alter, in dem sie und ich sind, ziel- und heillos durch das Berliner Nachtleben zieht. Solche Phasen gibt’s im Leben, das weiß ich. Aber es würde nur ablenken. Das Thema ist so groß, warum sollte ich mich wichtiger machen. Es wäre nicht angemessen.

STANDARD: Sie haben schon öfter im "Tatort" gespielt. Welches Verhältnis haben Sie zur Fernsehlegende?

Harfouch: Mir war nicht klar, welche Riesenaufmerksamkeit mich erwartet. Das macht mich verlegen. Neulich wurde ich auf einer Konzertlesung als "neue ,Tatort‘-Kommissarin" angekündigt. Da war ich allerdings wütend.

STANDARD: Das klingt nach: Jetzt hat es Corinna Harfouch auch zu etwas gebracht.

Harfouch: Ich hoffe, das legt sich wieder. Jedenfalls ist mir dieses Lagerfeuergefühl, das beim "Tatort" oft beschworen wird, nicht geläufig.

STANDARD: Man hört häufig, für Frauen ab 40 Jahren sei es im Fernsehen schwierig. Ist Ihre "Tatort"-Rolle ein Engagement dagegen?

Harfouch: Ich hoffe, dass das so ist. Für mich ist es selbstverständlich, dass man arbeitet und Kinder hat. Das Problem, zu verschwinden, hatte ich nie. Ich spiele auch keine traurige, gekränkte Ehefrau mehr – deren Mann weg ist und bei der alles zusammenbricht, weil auch die Kinder aus dem Haus sind. Diese Erzählung gibt es im deutschen Fernsehen massenhaft. Schon vor Jahren habe ich gesagt, an dieser Erzählung beteilige ich mich nicht mehr.

STANDARD: Sie erleben es anders?

Harfouch: Und wie! Ich kenne so viele starke Frauen, die neugierig sind und auch im fortgeschrittenen Alter etwas Neues beginnen. Frauen leben im Alter interessanter als Männer. Das wird im Fernsehen aber oft nicht richtig abgebildet. Die Erzählung der starken Frau darf sich nicht darauf belaufen, dass die sich mal einen tollen Urlaub mit einem tollen Boy leistet oder mit ihren Mädels beim Saufabend einen draufmacht. (Birgit Baumann, 9.4.2023)

Mehr über Serien: