Im Gastblog zeigt Jurist und Mediator Ulrich Wanderer, wie bei einer Scheidung von der Klage zu einer Mediation gewechselt werden kann – und umgekehrt.

Bei der Scheidung, so lehren es die Bücher und Vortragende, gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Wege. Den Streitweg, welcher durch eine Scheidungsklage eingeläutet wird, oder auf der anderen Seite den – auf den ersten Blick – konsensualen außerstreitigen Weg der einvernehmlichen Scheidung. Wie verhalten sich diese beiden Möglichkeiten zueinander, wann und wie ist ein Wechsel zwischen den beiden Prozessordnungen (die Zivilprozessordnung für die Scheidungsklage und das Außerstreitgesetz für die einvernehmliche Scheidung) möglich? Was gilt es zu beachten?

Eine Scheidung kann über zwei Wege erfolgen. Entscheidet man sich für eine Option, wird dadurch die andere aber nicht zur Gänze ausgeschlossen.
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Von der Scheidungsklage zur Mediation

Beginnen wir mit dem Fall der Scheidungsklage. Mit der Zustellung der Klage wird ein genormtes Procedere in Gang gesetzt, die beklagte Person wird zur Klagebeantwortung aufgefordert, kann unter anderem mit Gegenklage oder Mitverschuldensantrag den Fehdehandschuh aufheben und sich – unterstützt durch einen juristischen Sekundanten – ins Duell begeben. Ja, die Diktion ist martialisch, doch ebenso sind es im Falle der Scheidungsklage auch die Emotionen. Schnell werden die Stufen der Eskalationstreppe übersprungen, und der klassische Rosenkrieg nimmt seinen Lauf. Doch nicht notwendigerweise.

Die erste Tagsatzung

Kommt es im Rahmen des Scheidungsverfahrens zur sogenannten ersten Tagsatzung, so besteht die Chance, hier noch auf den einvernehmlichen Weg zu wechseln. Ja, das Gericht versucht üblicherweise sogar, die Parteien auf den Pfad der einvernehmlichen Scheidung zu bringen. Natürlich kommt es auch sehr stark auf die vorgebrachten Scheidungsgründe an. Bestehen schwerwiegende Vorwürfe in Richtung Gewalt oder Alkoholmissbrauch, so wird ein Wechsel ins außerstreitige Verfahren schwerer zu argumentieren sein als beim "lieblosen Verhalten" der beklagten Partei. Insbesondere für den Fall, dass die Scheidung auch das Leben minderjähriger Kinder betrifft, wird also das Gericht den Wunsch der beklagten Seite nach einem Versuch, eine einvernehmliche Lösung zu finden, dahingehend entgegenkommen, als der erste "echte" Verhandlungstag erst in zeitlicher Ferne angesetzt werden könnte. Inzwischen hätten die Parteien die Chance, sich unter Zuhilfenahme von Mediation oder Familienberatung auf einen umfassenden Scheidungsfolgenvergleich zu einigen.

Bis zur Rechtskraft

Erfahrungsgemäß ist ein Wechsel vom streitigen Verfahren hin zur einvernehmlichen Scheidung auch noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich, doch stehen die Chancen umso besser, je weniger des sprichwörtlichen Porzellans zuvor zerschlagen wurde. Wichtig ist jedoch auch zu bedenken, dass in einigen – glücklicherweise wenigen – Fällen der Wechsel ins außerstreitige Verfahren möglicherweise auch taktisch-strategische Gründe haben könnte. So wäre hier beispielsweise eine Verzögerung des Verfahrens ein möglicher – auch im Sinne der Ernsthaftigkeit der Mediation zu beachtender – Grund.

Einvernehmliche Einleitung einer Klage

Eine weitere Möglichkeit des Wechsels zwischen den Verfahrensarten wäre auch die Einleitung der Scheidung bei gleichzeitiger Betonung des Wunsches nach einer einvernehmlichen. So kann die Formulierung "A klagt B auf Scheidung der Ehe aufgrund des lieblosen Verhaltens von B. Aufgrund der gemeinsamen Kinder strebt die klagende Partei jedoch grundsätzlich eine einvernehmliche Auflösung der Ehe an" bei Einbringung der Scheidungsklage verwendet werden. Diese auf den ersten Blick widersinnige Klage signalisiert dem Gericht wie auch der beklagten Partei den Wunsch nach einer einvernehmlichen Lösung, wenngleich offenbar der Weg über die Scheidungsklage begonnen wird.

Wechsel auf außerstreitigen Weg nach Trennung

Ein weiterer Grund für einen Wechsel kann im Zusammenhang mit der "Scheidung wegen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft" liegen. Wenngleich die Scheidung gemäß § 55 EheG grundsätzliche Vorteile hinsichtlich des nachehelichen Unterhaltsanspruches aber auch bezüglich des Anspruches auf Hinterbliebenenpension bietet, so ändert dies wenig daran, dass es sich bei der Einleitung um eben eine Klage handelt. Im Gegensatz zum gemeinsamen Antrag, der am Beginn einer einvernehmlichen Scheidung steht, klagt hier eine Partei die andere, was oftmals auch einen gewissen Schock bei der beklagten Partei auslösen kann.

Hier liegt oftmals der Irrtum zugrunde, dass es sich bei der betreffenden Scheidungsform um einen Automatismus handeln, also schlicht keine andere Wahl offenstehen würde. Dem ist freilich nicht so. Selbst nach viele Jahren der Trennung ist eine einvernehmliche Auflösung der Ehe im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung immer noch möglich. Ebenso wie es auch ein Wechsel zwischen den Verfahrensarten ist. Wird also eine §55 Scheidung durch eine Partei eingeleitet, so ist es grundsätzlich bis zur Rechtskraft des Urteils möglich, auf den außerstreitigen Weg zu wechseln.

Durch Mediation und Familienberatung unterstützen

Nachvollziehbarerweise ist die Stimmung zwischen den zukünftigen Ex-Partnern nach einer Scheidungsklage in der Regel am Tiefpunkt. Daher ist es gerade für den Fall des Wechsels auf den außerstreitigen Weg die Aufgabe von unterstützenden Settings wie Trennungsbegleitung, Scheidungsberatung, Familienberatung oder eben Mediation den Parteien zu helfen, ein Umfeld zu schaffen, in welchem die Parteien zu einem nachhaltigen und konsensualen Ergebnis kommen können.

Um keine Risiken hinsichtlich der Ansprüche einzugehen, können sich die Parteien einer Mediation, welche von eingetragenen Mediatorinnen und Mediatoren durchgeführt wird darauf verlassen, dass die Fristen der Verjährung gehemmt werden. Mediatorinnen und Mediatoren, die aufgrund eines Gewerbescheins – also ohne Eintragung – tätig sind, können den Parteien eine Ruhensvereinbarung beziehungsweise einen Verjährungsverzicht vereinbaren, um auch hier sicher zu gehen, im Falle eines Scheiterns der Mediation keine Ansprüche zu verlieren. Wobei die Mediation in diesem Kontext dann als gescheitert anzusehen wäre, wenn es eben keine gütliche Einigung hinsichtlich der Scheidungsfolgen gäbe. Die restlichen Kollateralvorteile der Mediation können möglicherweise auf anderer Ebene eine Wirkung entfalten.

Wechsel von Mediation zur Klage

Selbst wenn der umgekehrte Weg beschritten werden sollte und trotz des Versuchs einer Mediation keine Einigung erreicht werden, sondern der Weg über eine Scheidungs- (oder auch eine andere) Klage beschritten werden sollte, so können unterschiedliche Vorteile des mediativen Verfahrens auch im streitigen Verfahren helfen. Möglicherweise konnte man einzelne Punkte außer Streit stellen und so die Dauer des gerichtlichen Verfahrens verkürzen. Wichtig ist hierbei jedoch zu erwähnen, dass die gesetzlich garantierte Verschwiegenheit nur die Mediatorinnen und Mediatoren trifft und sich eben nicht auf die Parteien ausdehnt.

Keine Einbahnstraßen

Weder Mediation noch das Klagsverfahren sind schlichte Einbahnstraßen. Der eine oder andere prozessuale Kreisverkehr bietet immer wieder die Möglichkeit eines Wechsels zwischen den Verfahrensarten. Die Vorteile der Mediation liegen auf der Hand, die Parteien sind selber Herr oder Frau des Verfahrens und können maßgeschneiderte eigene Lösungen erreichen. Dennoch kann in einzelnen Fällen auch die gerichtliche Autorität wichtig sein, um einen eskalierten Konflikt zu deeskalieren. Das Wissen um die vielen Möglichkeiten kann dabei helfen, im Einzelfall die eine oder andere Ausfahrt zu finden, um eine Lösung für den höchstpersönlichen Konflikt zu finden. (Ulrich Wanderer, 27.4.2023)