Cornelia Ivancan als traumatisierte Frau und Mutter.

Luna Filmverleih

Es sind nicht nur die Augen oder bisweilen die Talente, die man als Kind von seinen Eltern erbt. Es sind auch deren Probleme, Kindheitstraumata, die man dann, oft unbewusst, auch bei seinen eigenen Nachkommen reproduziert. In seinem Spielfilmdebüt verpackt der österreichische Regisseur Achmed Abdel-Salam dieses Phänomen geschickt in ein Horrorsetting.

Filmladen Filmverleih

Eine Frau muss sich den Dämonen ihrer Vergangenheit stellen und gleichzeitig das Verhältnis zu ihrer Tochter kitten. Dabei stellen sich ihr mysteriöse Begebenheiten in den Weg. Und stets hängt die Frage in der Luft, ob es für einen Ausbruch aus dieser Spirale aus Trauma und Vererbung nicht schon zu spät ist.

Cornelia Ivancan verleiht Abdel-Salams Protagonistin Michi eine eiskalte Verschlossenheit, unter der stets verzweifelte Unsicherheiten aufflackern. Etwas ist Michi in ihrer Kindheit in einem niederösterreichischen Dorf widerfahren, sodass sie noch zwanzig Jahre später die Erinnerung regelmäßig mit Alkohol wegspülen will. Nach einem durch zu viel Promille verursachten Autounfall mit ihrer Tochter Hanna hat sich nicht nur diese von ihr entfremdet, sondern auch Ehemann Alex. Dieser familiäre Zwist wird neu aufgemischt, als Michi die Nachricht erhält, dass ihr Vater verstorben ist. Mit der Familie geht es also zurück zum Ort des Traumas.

Angst vor dem Sonnenblumenfeld

Nachbar Peppi, mit stoisch-kaltem Mitgefühl von Heinz Trixner verkörpert, ist davon gar nicht begeistert. Denn Michi beschließt spontan, ein paar Tage mit Hanna allein zu bleiben, das Haus leerzuräumen und dann an der Mutter-Tochter-Beziehung zu arbeiten.

Nach und nach kommen immer mehr Ungereimtheiten auf. Warum sind im Haus keine Fotos von Oma, will Hanna wissen. Warum hat Michi so viel Angst vor dem Sonnenblumenfeld? Und warum hat Peppis Ehefrau Gerti (Inge Maux) so viel Angst, dass jemand Michi etwas antun könnte? Hinzu kommen die nächtlichen mysteriösen Erscheinungen und Geräusche und aufflackernde Erinnerungen, die Michi psychisch immer mehr in jene Ecke drängen, aus der sie eigentlich ausbrechen wollte.

Die emotionale Steigerung ins Paranoide legt Abdel-Salam nicht als visuellen Schocker an. Stattdessen richtet er den Blick auf die panisch aufgerissenen Augen Michis, ihren Wechsel zwischen Sorge und Aggression. Abdel-Salam, der auch von der Alkoholkrankheit seiner eigenen Mutter inspiriert wurde, lässt sich schließlich zu keinem Urteil über Michis Mutterqualitäten hinreißen. Vielmehr ist sein Film eine schmerzhafte Offenbarung, wie schwer die Konfrontation mit der familiären Vergangenheit und Vergebung sein kann. (Susanne Gottlieb, 12.4.2023)