Der Tupperdose entfährt ein leiser Seufzer. Das passiert normalerweise durch das Entweichen überschüssiger Luft beim Anheben des Deckels. Der Klang ist so markant, dass sich die Bezeichnung "Tupperseufzer" etablierte, manche sprechen sogar von einem Rülpsen. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage dürfte nicht nur dem bekannten Plastikgeschirr, sondern auch dem Unternehmen die Luft ausgehen. Am Montag brach die Tupperware-Aktie um 49 Prozent ein. Liquiditätsprobleme bedrohen den Konzern nicht zum ersten Mal, doch könnten sie nun endgültig das Ende von Tupperpartys und bunten Behältern bedeuten. Aber was ließ die Partystimmung und den Aktienkurs derart in den Keller stürzen?

Die Tupperparty galt lange als geniales Marketinginstrument.
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Wunderschüssel und Tupperparty

Den Siegeszug in Millionen Haushalten trat Tupperware in den 1940er-Jahren an. Gründer Earl Silas Tupper kam durch seine Arbeit beim Chemieunternehmen DuPont die Idee, den Kunststoff Polyethylen für den täglichen Gebrauch in Küchen einzusetzen. Er entwickelte Vorratsdosen aus dem vielseitig einsetzbaren Material. Mit seiner sogenannten Wunderschüssel, die 1946 auf den Markt kam, veränderte er die Aufbewahrung von Lebensmitteln nachhaltig. Davor zählten luftdicht verschließbare Plastikbehälter nicht zum Standardinventar einer Küche. Durch den innovativen Deckel blieben die Lebensmittel länger haltbar. Damals verfügte nicht jeder Haushalt über einen Kühlschrank, das neue Produkt erleichterte daher den Alltag vieler Hausfrauen.

Tupperware hatte eine riesige Zielgruppe gefunden und sollte im Laufe der Jahrzehnte daran festhalten. Am Konzept der Tupperpartys wurde mit Tupperware-Verkäuferin Brownie Wise getüftelt. Sie erkannte, dass die emotionale Bindung zu Produkt und Unternehmen die Verkaufszahlen steigerte. Zukünftig wurde das Plastikgeschirr bei einem Kaffeekränzchen im Kreise befreundeter Hausfrauen angepriesen. Das Geschäft über persönliche Beziehung diente bald auch in Europa als Erfolgsgarant. Mittlerweile dürfte dieses Marketingkonzept für einen ohnehin nicht mehr besonders spannenden Artikel den meisten Menschen nicht mehr schmecken.

Das veraltete Klischee der Hausfrau

Viele Jahrzehnte galt der Konzern als Paradebeispiel für erfolgreiches Multi-Level-Marketing. Das ist eine Form des Direktvertriebs, bei dem selbstständige Vertriebspartner für das Unternehmen tätig sind. Tupperware setze dabei auf Tupperpartys und versprach Frauen einen Zuverdienst neben der Arbeit im Haushalt. Das mag Mitte des letzten Jahrhunderts noch verlockend geklungen haben, mittlerweile ist dieses Modell jedoch veraltet.

Die meisten Frauen sind heutzutage berufstätig, und das klassische Rollenbild von der Ehegattin hinterm Herd ist nicht mehr zeitgemäß. Zusammenkünfte, die sich um Küchenartikel drehen, scheinen angesichts dieser Tatsache verstaubt. Trotzdem sind auf der deutschen Website von Tupperware fast ausschließlich Bilder von Frauen zu sehen. Das Unternehmen wirbt mit einer starken Community und damit, dass Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben bleibt. Darüber befindet sich eine Aufnahme, die eine Frau mit einem Kind zeigt. Gemeinsam putzen die beiden lachend ein Fenster. Aber nicht nur das!

Die Tupperdosen haben Konkurrenz bekommen.
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Teures Plastik

Das Panorama-Trio von Tupperware besteht aus einer großen Schüssel mit 1,4 Litern Fassungsvermögen, in die zwei kleineren Behälter passen 300 Milliliter. Dafür verlangt der Hersteller knappe 30 Euro. Das ist vielen Menschen zu teuer. Immerhin gibt es bei Ikea das 17-teilige Vorratsdosenset Pruta um schlanke sieben Euro. Auch andere Geschäfte wie Depot oder TK Maxx bieten Vorratsdosen um weniger Geld an. Für den günstigeren Preis nimmt man dann eben in Kauf, dass die Behälter unter Umständen weniger luftdicht abschließen.

Anders als in den 1940ern steht im Jahr 2023 fast in jedem Haushalt ein Kühlschrank. Die Haltbarkeit der Lebensmittel ist nicht mehr zwingend von einem guten Verschluss abhängig. Auch Plastik kommt bei der an Nachhaltigkeit interessierten Kundschaft längst nicht mehr so gut an. Die Nachfrage nach Vorratsdosen aus Edelstahl oder Glas steigt. Das stellt für einen Konzern, der sich auf Produkte aus Kunststoff spezialisiert hat, ein Problem dar. Tupperware bietet die transparente Linie Clear Line an, laut Hersteller "wirkt das Material wie Glas". Allerdings legt man für das mittlere Set aus vier Schüsseln fast 130 Euro hin. Da seufzt nicht nur die Tupperdose. (Elena Sterlini, 12.4.2023)