Foto: DENIS BALIBOUSE

Mehrere auf Grund- und Freiheitsrechte in der digitalen Welt spezialisierte NGOs warnen vor dem UN-Abkommen zu Cyberkriminalität. "Das Abkommen könnte Standard dafür sein, wie wir alle unsere Privatsphäre verlieren", sagte Tanja Fachathaler, Policy Advisor der in Österreich ansässigen Organisation Epicenter Works, Donnerstagabend auf einer Pressekonferenz in Wien. Diese Woche läuft die fünfte Sitzungsrunde zu den Verhandlungen in Wien.

Keine sicheren Daten mehr

"Es weitet die Möglichkeiten der Behörden, auf unsere Daten zuzugreifen, massiv aus", so Fachathaler. "Wir brauchen dringend strenge Sicherheitsmaßnahmen", forderte sie. Eine davon müsse der Ausschluss staatlich organisierter Hackingangriffe sein. "Das würde geheimen Zugriff auf persönliche Geräte ermöglichen." Eine solche Erlaubnis würde sogar so weit gehen, dass auch Kontaktpersonen der beobachteten Person betroffen sein dürfen.

Epicenter Works sei nicht gegen moderne Strafverfolgungsmethoden, stellte Fachathaler klar. Doch der aktuelle Entwurf gehe zu weit – "viel weiter als das, was die Staaten aufgrund internationaler Abkommen bisher schon verbieten müssen". In einer Aussendung zur Pressekonferenz hieß es: "Die Vorschläge für breite Überwachungsbefugnisse und Kriminalisierung der Redefreiheit stellen eine Gefahr für Journalist:innen, Menschenrechtsvertreter:innen und Dissident:innen dar."

Die tschechisch-slowakische Anwältin Barbora Bukovská von der Menschenrechtsorganisation Article 19 hielt auf der Pressekonferenz fest: "Viele der geplanten Eingriffe betreffen das Grundrecht der freien Meinungsäußerung." Im Entwurf genannte Delikte wie Terrorismus oder die Verbreitung von Fake News seien extrem vage definiert. "Das gibt allen, die wollen, eine Blankovollmacht."

Behörden könnten gegen Personen ermitteln, die jenen selbst kritisch gegenüberstehen, meinte Bukovská. Doch nicht einmal eine kritische Einstellung müsste sein: Wer unwissentlich Fake News teilt, könnte genauso betroffen sein wie ein Cybersicherheitsforscher, der Hacking-Methoden verwendet, um Schwachstellen in IT-Systemen zu finden, heißt es auf der Website von Article 19.

Ohne Sicherheitsmechanismen

Katitza Rodriguez von der Electronic Frontier Foundation (EFF) kritisierte, dass die "weitreichende Überwachungsbefugnisse ohne Sicherheitsmechanismen" ermögliche. Im derzeitigen Entwurf sind "besondere Ermittlungsmethoden" geplant – dies sei ein leerer Begriff, der alles Mögliche heißen könne, so Rodriguez. "Wir hoffen, dass der gesamte Artikel entfernt wird." Sie wies zudem darauf hin, dass einige Länder, darunter Russland und der Iran, einen Artikel des Abkommens aufheben wollten, der sich auf internationale Menschenrechtsverpflichtungen beruft.

Raman Jit Singh Chima von Access Now bemängelte die grundsätzliche Herangehensweise im multilateralen Entstehungsprozess. "Jedwedes Cybersicherheitsabkommen sollte uns mehr Sicherheit geben, nicht weniger", verlangte Chima. Die derzeitige Fassung würde jedoch die Arbeit von Journalisten, Aktivisten und anderen verunmöglichen. (APA, 14.4.2023)