Am Ende des Druckvorgangs wird das überschüssige Pulver abgesaugt. Übrig bleiben die 3D-Drucke.

Foto: Zellinger/DerStandard

Denkt man an das US-Unternehmen Hewlett-Packard oder HP, denken die meisten Menschen wohl an Laptops oder den Tintenstrahldrucker unter dem Schreibtisch. Ausgerechnet letztere, seit Jahrzehnten mehr oder weniger gemochte Technologie erlebt einen zweiten Frühling: Sie macht es möglich, dass nun mit 3D-Druck komplexe Bauteile hergestellt werden können, wie es mit herkömmlichen Methoden nicht möglich wäre.

Was die wenigsten Menschen wissen dürften: HP experimentiert seit über 20 Jahren im Bereich des 3D-Drucks und hat dafür das Konzept des Tintenstrahldruckers weiterentwickelt. Die Geräte sind aber ausschließlich für die Industrie bestimmt, für Heimanwender ist die Technik des 3D-Drucks mit Tinentstrahltechnik aus mehreren Gründen nicht verfügbar – doch dazu später mehr.

Drei dieser industriellen 3D-Drucker stehen hinter einer unscheinbaren Bürotür im Technologiezentrum Seestadt im 22. Bezirk. Bei dem erst drei Jahren alten Unternehmen d4pro entstehen nicht nur Bauteile für Industrieanlagen mit dem 3D-Drucker, in dem Sechs-Personen-Betrieb werden diese Werkzeuge genutzt, um die Art, wie Produkte weltweit hergestellt werden, zu verändern.

Sandspielkiste für Große

Tatsächlich ist der gesamte Ablauf einem Tintenstrahldruck verblüffend ähnlich – ja, der 3D-Drucker selbst sieht aus wie die raumfüllende Industrieversion eines Deskjet. Selbst bei der Namensgebung blieb man bei HP den seit Jahrzehnten gepflegten Konventionen treu. Statt Inkjet oder Deskjet steht in der Produktionshalle nun eben der Jet Fusion.

Kaltenegger vor dem HP Jet Fusion und der Build Unit.
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Bei Heimanwendern wird üblicherweise ein Filamentfaden auf Glas oder einem beschichteten Bett gedruckt. In der Industrievariante wird das Druckbett durch einen mit Pulver gefüllten Behälter ersetzt. Zuerst wird eine 70 Mikrometer (also 0,07 Millimeter) dicke Pulverschicht auf dem Druckbett ausgewalzt. Anschließend "besprüht" der Druckkopf die zu druckende Oberfläche mit einer Flüssigkeit, die das feine Acrylpulver miteinander verbindet – dem sogenannten Fusing Agent. Daraufhin verändert sich die Farbe des derart behandelten Pulvers – alles wie bei Tinte auf Papier.

Mit einer UV-Lampe härtet nur das schwarze Material aus – das Pulver, das nicht mit dem Fusing Agent in Berührung kam, schmilzt dabei nicht. Wiederholt man diesen Ablauf 5.000-mal, ist der komplette Druckbereich in der Größe einer Bierkiste ausgenutzt und der Druck abgeschlossen. Nach einer Abkühlphase wird das überschüssige Pulver in einer eigenen Anlage abgesaugt, und übrig bleiben die Druckobjekte. Diese werden noch mit Glasperlen gestrahlt, um sie von allen Rückständen zu befreien. Bei der Demonstration für den STANDARD waren dies Rohre für die Industriemaschinen eines großen österreichischen Unternehmens.

Ein kompletter Roboter-Greifarm aus einem Druck

Wer daheim schon mit 3D-Druckern experimentiert hat, weiß: Wer Objekte mit komplexen Geometrien drucken möchte, braucht Stützstrukturen. Diese erweisen sich aber oft als Schwachpunkt – versagt eine dieser Strukturen, ist der Druck meist nicht mehr zu retten. Der Industriedrucker braucht derartige Krücken nicht – das Pulverbett übernimmt die Stützfunktion.

Gleichzeitig ist es möglich, feinste Strukturen wie Kapillarröhrchen mitzudrucken. Derartige Feinheiten wären mit herkömmlichen Zerspanungs- oder Spritzgussverfahren nur schwer möglich. Das wiederum macht den Weg frei für allerlei kreative Anwendungsmöglichkeiten. Der CEO von d4pro, Wolfgang Kaltenegger, präsentiert etwa einen funktionsfähigen Greifarm für eine Industriemaschine mit Gelenken, Zahnantrieb und Schraubanschlüssen – gedruckt in einem Stück.

Das spart zusätzlich Kosten und Zeit, denn mit herkömmlichen Verfahren wäre eine derartige Konstruktion nicht möglich. Sprich: Jemand müsste die Teile manuell zusammenbauen – in der Seestadt laufen sie in einem Stück aus dem Drucker. Es ist sogar möglich, dass rund um eine Handvoll Kleinteile die Verpackung gleich herumgedruckt wird. "Das spart uns später das Zählen", schmunzelt Kaltenegger.

Kleinteile werden gleich in ihrer Verpackung gedruckt.
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Anders als beim Zerspanen, also dem Fräsen eines Bauteils aus einem massiven Metallblock, fällt beim 3D-Druck kaum überschüssiges Material an. Das abgesaugte Pulver kann mehrfach wiederverwendet werden und wird im Idealfall vollständig verbraucht.

"Nicht Waren, sondern Dateien bewegen"

"Die Idee ist, dass nicht Waren, sondern Dateien bewegt werden", erklärt der Managing Director von HP Österreich, Michael Smetana. Ein Beispiel: Der Griff des Kühlschranks bricht zu Hause ab. Statt das Ersatzteil mühsam über die Explosionszeichnung des Herstellers nachzubestellen, schickt dieser einfach eine Druckdatei an ein Unternehmen wie d4pro in der Seestadt. Dort wird der Türgriff ausgedruckt und kann am nächsten Tag abgeholt werden. Das hat auch für die Hersteller Vorteile, müssen sie doch nicht mehr tausende Ersatzteile auf Vorrat produzieren, die wahrscheinlich am Ende der Produktlebensdauer ohnehin entsorgt werden.

Michael Smetana (HP) und Wolfgang Kaltenegger (d4pro).

"3D-Druck spart enorme Lagerkapazitäten", erklärt Smetana. Aber nicht nur das: Die Dateien, mit denen der 3D-Drucker gefüttert wird, sind leicht anzupassen. Das mache es Herstellern möglich, das Design ihrer Produkte laufend anzupassen. Bei herkömmlichen Fertigungsmethoden wie der Spritzgussfertigung wäre dieses Maß an Flexibilität kaum wirtschaftlich erreichbar. Anders gesagt: Millionenfach den immer gleichen Türgriff für ein einziges Kühlschrankmodell auf Verdacht zu produzieren wird in Zukunft nicht mehr nötig sein.

Wachstumsbereich Medizin

Heimische Unternehmen wie KTM und Rotax setzen das Druckverfahren bereits ein. Aber nicht nur die Automobilzulieferindustrie setzt auf 3D-Druck, auch andere Branchen beginnen die Vorzüge zu erkennen – allen voran die Medizin. So ist es dank der Flexibilität von 3D-Drucken möglich, Zahnspangen laufend an die Kundschaft anzupassen. Ähnliche Vorteile bietet die Technologie für orthopädische Schuhe, wenn etwa das neue Fußbett aus dem Drucker kommt.

Es geht aber noch wilder: Mit den extrem genauen Düsen können auch feinste Dosierungen von Medikamenten gedruckt werden. Die Maschine kann sogar das oft noch händisch durchgeführte Pipettieren in der medizinischen Forschung übernehmen.

Dieser voll funktionsfähige Greifarm wurde in einem Stück gedruckt.

Bei HP ist man gerade dabei, den Druck von Metallteilen nach demselben Prinzip möglich zu machen. Der Landmaschinenhersteller John Deere fertigt mittlerweile Bauteile wie einen Dieselfilter mit dem Metal Jet. In der Seestadt hat Firmengründer Kaltenegger eine ganz andere Vorstellung, wie sich die Branche weiterentwickeln wird: dank KI. "Nehmen wir unseren Greifarm: In Zukunft werde ich der Software einfach einige Parameter wie Größe und Belastbarkeit vorgeben, und sie wird die Konstruktion für uns machen", so Kaltenbrunner.

(Noch) keine Chance für Privatnutzer

Dass es die Pulverbettdrucker je in das Consumer-Segment und damit in die Hände von Privatpersonen schaffen, scheint derzeit aber eher ausgeschlossen, wie der Chef von HP Österreich dem STANDARD versichert. Zugegeben, der "HP Jet Fusion 3D 4210", so die volle Modellbezeichnung, ist mit seinen 2,2 mal 1,2 mal 1,4 Meter messenden Dimensionen eher nicht für das Wohnzimmer geeignet. Außerdem dürften die Stückkosten von ungefähr 350.000 Euro für die Grundausstattung (Absaugungsanlage und Sandstrahlkabine kommen da noch dazu) auf Privatkunden eher abschreckend wirken. (Peter Zellinger, 16.4.2023)