Laut dem Obersten Gerichtshof schützt die Kontrollpflicht der Anwaltskammer einzelne Mandanten nicht.

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Der kuriose Fall eines Rechtsanwalts, der knapp eine halbe Million Euro seines eigenen Mandanten verloren hatte, beschäftigte kürzlich den Obersten Gerichtshof (OGH). Der Anwalt parkte das Geld, das sein Mandant in einem Rechtsstreit gewonnen hatte, nicht wie vorgeschrieben auf einem separaten Fremdgeldkonto, sondern buchte es auf sein persönliches Kanzleikonto. Bevor er das Geld an den Mandanten weiterüberwies, verbrauchte er es für eigene Zwecke und ging dann in Konkurs. Die halbe Million war verloren.

Der Anwalt wurde in einem strafrechtlichen Prozess wegen Untreue freigesprochen. Es konnte nicht bewiesen werden, dass er das Geld vorsätzlich veruntreute. Monetär war von ihm aber ohnehin nichts mehr zu holen. Der Mandant, ein Unternehmen, suchte deshalb nach anderen Möglichkeiten, das Geld wiederzubekommen – und klagte die Rechtsanwaltskammer. Das Argument: Die Kammer sei laut Gesetz dazu verpflichtet, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu kontrollieren. Sie hätte deshalb dafür sorgen müssen, dass der Anwalt die Klientengelder auf Fremdgeldkonten verwahrt und nicht mit seinem eigenen Vermögen vermischt.

Die Rechtsanwaltskammer war wenig überraschend anderer Meinung: Sie habe ihre Pflicht zur Kontrolle nicht verletzt. Die Kontrolle diene außerdem nicht dem Schutz einzelner Mandanten, diese können daher auch keine Ansprüche gegen die Kammer ableiten. Im Übrigen sei der Anspruch bereits verjährt.

Kein Schutz für einzelne Mandanten

Das Landesgericht Wien folgte diesem Argument. Es habe für die Rechtsanwaltskammer keinen konkreten Anlass gegeben, die Kontoführung des Rechtsanwalts zu überprüfen. Routinemäßige stichprobenartige Überprüfungen habe diese nach dem Zufallsprinzip ohnehin durchgeführt. Da schon der Anspruch ganz grundsätzlich nicht bestehe, erübrige sich auch die Frage der Verjährung.

Der Oberste Gerichtshof hat diese Entscheidung nun bestätigt und den Fall zum Anlass genommen, sich ganz grundsätzlich mit der Haftung der Rechtsanwaltskammer auseinanderzusetzen (OGH 27.1.2023, 1 Ob 165/22d).

Zweck der "Überwachungs- und Aufsichtspflicht" der Kammer sei es demnach, "Ehre und Ansehen des Rechtsanwaltsstands" zu wahren. Sie diene dagegen nicht dazu, das Vermögen einzelner Mandanten zu schützen. Dem Unternehmen stünde daher selbst dann kein Ersatzanspruch gegen die Kammer zu, wenn ihr bei der Beaufsichtigung des Rechtsanwalts ein Fehler unterlaufen wäre. (japf, 16.4.2023)