Reels, kurze Videos auf Instagram, sind bei Unternehmen und Influencern ein beliebtes Marketingtool.

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Große Aufregung herrscht derzeit in Influencer-Kreisen: Rechtsanwaltskanzleien in Deutschland versenden Abmahnungen an gewerbliche Instagram-Nutzer aufgrund von Urheberrechtsverstößen. Teilweise werden existenzbedrohende fünfstellige Summen gefordert. Hintergrund ist die Nutzung von Reels, die mit Musik unterlegt sind. Auch österreichischen Usern droht Ungemach.

Bei Reels handelt es sich um eine Videofunktion auf der Social-Media-Plattform Instagram, die es den Nutzern ermöglicht, (derzeit bis zu 90 Sekunden lange) Videos zu erstellen und zu teilen. Vom Algorithmus offenbar bevorzugt, erreichen Reels ein größeres Publikum. Sie sind daher ein attraktives Marketingtool für Onlineunternehmer, zu denen beispielsweise auch Influencer zählen. Um den Videos noch einen bestimmten Touch zu geben, werden sie mit Musik unterlegt – und hier beginnt die Problematik.

Eigenverantwortung der User

Musikstücke genießen als "Werke der Tonkunst" urheberrechtlichen Schutz. Dem Urheber steht das alleinige Recht zu, sein Werk öffentlich zugänglich zu machen und zu verwerten. Urheber sowie allfällige Lizenznehmer können gegen Dritte, die Musik ohne Lizenz verwenden, vorgehen. Dafür bietet das Gesetz unter anderem Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche, aber auch den Anspruch auf ein angemessenes Entgelt für die unrechtmäßige Nutzung des Werks. Was heißt das aber konkret für die Verwendung von Musik für Reels?

Hier ist zunächst ein Blick auf die Nutzungsbedingungen von Instagram zu werfen, die wiederum auf die Musikrichtlinie des Plattformbetreibers Meta verweisen. Dort findet man unter anderem den Passus, dass User für die Inhalte, die sie posten, selbst verantwortlich sind. Das gilt auch für Musik, wobei hier zwischen privaten und gewerblichen Nutzern unterschieden wird.

Letzteren ist es ohne Lizenz verboten, Musik – auch für Reels – zu verwenden. Nun stellt Instagram selbst seinen Usern Musikstücke für den Upload von Content zur Verfügung: Während Nutzer mit "persönlichen Accounts" und "Creator-Accounts" auf die umfangreiche Instagram-Musikbibliothek zugreifen können, sollen Inhaber von "Business-Accounts" grundsätzlich nur auf Angebote wie "Facebook's Sound Collection" angewiesen sein, die aus lizenzfreien (meist unbekannten) Songs bestehen. Das wird damit begründet, dass sich die Vereinbarungen zwischen Meta und den Rechteinhabern lediglich auf die persönliche, nichtkommerzielle Nutzung von Musik beschränken.

Achtung: Privat ist nicht privat

Ungeachtet ihrer Bezeichnung können private Accounts aber aufgrund gewisser Parameter (Konzeption, Follower-Anzahl, Art der Beiträge et cetera) auch als Business-Accounts gewertet werden. Scheinbar private Nutzer verstoßen dann bei der Verwendung von Musik aus der Instagram-Musikbibliothek gegen die Instagram-Nutzungsbedingungen sowie gegen Urheberrechte.

Dasselbe gilt für Creator-Account-Nutzer, die ihren Account gewerblich betreiben und Musik aus der Instagram-Musikbibliothek für ihre Reels verwenden. Sie verstoßen mangels Lizenz ebenfalls gegen die Instagram-Nutzungsbedingungen und gegen Urheberrechte. Und schließlich berichten einige Influencer, dass auch ihre Business-Accounts auf die Instagram-Musikbibliothek zugreifen können, ohne dass Instagram diesen Zugriff blockiert.

Diesen Umstand greifen derzeit einige deutsche Anwaltskanzleien auf, die Abmahnungen an gewerbliche User schicken, die zuvor ohne Lizenz urheberrechtlich geschützte Musik für Reels verwendet haben. Inhalt der Abmahnung ist die Aufforderung, die Verwendung des urheberrechtlichen Musikstücks zu unterlassen, eine hohe Summe (in manchen Fällen ist von bis zu 25.000 Euro die Rede) für die Urheberrechtsverletzung zu zahlen und die Anwaltskosten zu ersetzen. Auch gewerbliche User in Österreich können belangt werden.

Bagatellgrenze

Zudem stellt sich die Frage, ob die kommerzielle Nutzung eines bis zu 15 Sekunden dauernden Clips, in dem Musik ohne Lizenz verwendet wird, auch zu Abmahnungen führen kann. Wenngleich deutsche und österreichische Urheberrechtsbestimmungen eine Bagatellgrenze für 15 Sekunden Clips vorsehen, betrifft diese Grenze in erster Linie die Frage, ob ein so kurzer Clip, in dem urheberrechtlich geschützte Musik wiedergegeben wird, automatisch blockiert werden muss.

Sie sagt aber – anders als in Deutschland, wo sie vermutet wird – grundsätzlich nichts über die Rechtmäßigkeit der Verwendung der Musiktitel aus. Rechteinhaber können aber laut den Erläuterungen zum Gesetz bei Kenntnis einer Rechtsverletzung auch gegen solche Videos vorgehen. Daher birgt diese 15-Sekunden-Bagatellgrenze enormes Konfliktpotenzial zwischen Rechteinhabern und kommerziellen Nutzern von Social-Media-Plattformen.

Große Unsicherheit

Seit Beginn der neuesten Abmahnungswelle herrscht auch hierzulande in Influencer-Kreisen große Unsicherheit, wie damit umzugehen ist. Während einige gewerbliche User ihre Reels entfernen, posten andere gewerbliche User weiterhin solche Kurzvideos, die mit Musik unterlegt sind.

Eine Abmahnung kann jedenfalls nur dann vermieden werden, wenn bestehende Reels mit unterlegter Musik gelöscht oder bis zur allfälligen Einführung einer Musikaustauschfunktion archiviert und neue Reels nur mit lizenzfreier Musik hinterlegt werden. Sollte eine Abmahnung einlangen, ist diese jedenfalls ernst zu nehmen – und sie sollte inhaltlich geprüft werden. (Andreas Kezer, 16.4.2023)