Martin Kocher und Harald Mahrer wollen stärker kooperieren, um mehr qualifizierte Fachkräfte nach Österreich zu holen. Konkret wurden sie allerdings nicht.

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Wien – In praktisch jeder Branche leiden Unternehmen unter dem massiven Arbeitskräftemangel und wissen nicht, wo sie geeignetes Personal finden sollen. Obwohl die Lage in Österreich bereits jetzt besonders angespannt ist, in keinem EU-Land fehlen aktuell mehr Fachkräfte, wird sich die Situation in den kommenden Jahren weiter zuspitzen. Aus diesem Grund haben sich nun die Wirtschaftskammer (WKO) und das Arbeits- und Wirtschaftsministerium vorgenommen, gemeinsam etwas gegen das Problem zu unternehmen.

Wenn der Wohlstand in Österreich auch in Zukunft aufrecht bleiben soll, müsse man mehr Arbeitskräfte anlocken. Daneben gehe es auch um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs, sagte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit WKO-Präsident Harald Mahrer. Auch in anderen Ländern wie Deutschland werde derzeit viel unternommen, um rasch neue Arbeitskräfte aus anderen Ländern anzuwerben. "Die Konkurrenz schläft nicht", so Mahrer.

Nadelöhr Rot-Weiß-Rot-Karte

Ein bekanntes Nadelöhr, um Fachkräfte ins Land zu bekommen, ist die sogenannte Rot-Weiß-Rot-Karte (RWR-Karte). Sie berechtigt Menschen aus Drittstaaten, in Österreich zu arbeiten. Der Weg hin zu dieser Karte galt stets als hochbürokratisch, langwierig und mühsam. Im Herbst wurde sie reformiert, um Verfahren zu beschleunigen. Die Reform trägt laut Kocher bereits erste Früchte. So habe es bei bewilligten Rot-Weiß-Rot-Karten in den ersten drei Monaten 2023 einen Anstieg um 50 Prozent zur Vorjahresperiode gegeben. In den ersten drei Monaten waren es rund 1.900. Und es sollen mehr werden, meint der Minister. Laut Mahrer muss sich die Zahl mittelfristig "in den fünfstelligen Bereich" entwickeln, um die Zielsetzung zu erreichen.

Stärkere Kooperation

Die beiden Institutionen wollen stärker kooperieren, um den Arbeitsmarkt Österreich intensiver zu bewerben. Es gehe im Grunde darum, die bereits existierenden Tätigkeiten beider Institutionen zu erweitern, meint Kocher. Neben der Festlegung einer konkreten Aufgabenverteilung zwischen WKO und Ministerium sollen auch die Austrian Business Agency und das AMS stark in die Bemühungen einbezogen werden. Wie viele Arbeitskräfte aber genau bis wann aus dem Ausland geholt werden sollen, blieb unbeantwortet. Die Frage könne derzeit noch nicht seriös beantwortet werden, sagt Mahrer. Wirklich konkret wurden die beiden nirgends.

Fokus auf Südeuropa

Österreich hat bei der Suche nach Arbeitskräften den Fokus mittlerweile auf Südosteuropa gelegt. "Wir sehen noch großes Potenzial in Albanien, Kosovo und Nordmazedonien", heißt es bei der Austrian Business Agency (ABA). Dort gebe es viele gut ausgebildete junge Menschen im IT- und Elektronikbereich. Viele würden auch gut Deutsch sprechen. Aktiv anwerben wolle man vor allem Uni-Absolventen. Bisher lag der Schwerpunkt der Anwerbungen auf den EU-Ländern Polen, Rumänien und Bulgarien. Dort ist das Fachkräfteangebot aber deutlich geschrumpft, da sie in ganz Europa gesucht werden.

Kritische Reaktionen

Auf wenig Begeisterung stieß die Pressekonferenz von Mahrer und Kocher etwa bei der Grünen Wirtschaft. Deren Bundessprecherin Sabine Jungwirth bezeichnete den Auftritt in einer Aussendung als "heiße Luft". Es sei alles nur Show, konkrete Maßnahmen gebe es keine.

Scharfe Kritik kommt von den Unos, der pinken Interessenvertretung in der Wirtschaftskammer, an dem, was Kocher und Mahrer präsentiert haben. So lasse sich der Mangel sicher nicht beheben, Kammer und Regierung hätten das Problem verschlafen, heißt es. Geht es nach den Neos, muss die grassierende Personalnot in Österreich prioritär behandelt werden. Andernfalls müsse man sich hierzulande um den Wohlstand und die Erhaltung des Sozialsystems Sorgen machen, betonte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger am Dienstag. Es brauche qualifizierte Zuwanderung bei gleichzeitiger Bekämpfung der illegalen Migration. Weltweit sei der Kampf um die besten Köpfe ausgebrochen, und Österreich verliere ihn "mit wehenden Fahnen".

Weniger scharf reagiert der ÖGB auf die Präsentation. "Natürlich ist es ein richtiges Zeichen, dass Österreich alles unternimmt, um den Fachkräftebedarf zu decken, aber wir dürfen uns hier nicht nur auf das Ausland verlassen", sagt Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB. Betriebe müssten sich mehr anstrengen und attraktive Arbeitsplätze anbieten. Der ÖGB fordert zudem weiter den Ausbau der Kinderbildungsplätze in Österreich und einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag des Kindes. (and, APA, 18.4.2023)