Der kanadische Künstler Drake hat sich in der Vergangenheit mehrfach kritisch gegenüber KI in der Kunst geäußert.

Foto: ROBYN BECK, AFP

Der kanadische Rapper Drake ist ein Weltstar, ebenso wie sein gelegentlicher Studio- und Bühnenpartner, The Weeknd. Der jüngste Hit des Duos ging auf Streamingplattformen viral und wurde millionenfach angehört. Nun stellte sich heraus: Der Song stammte nicht von den Stars, sondern wurde mithilfe einer KI generiert. Dennoch klang er genau wie die beiden Künstler.

In der Musikbranche ist der Aufruhr groß, wie das US-Magazin "Billboard" berichtet. Die Universal Music Group veröffentlichte am Montag eine Erklärung, in der sie "verletzende Inhalte, die mit generativer KI erstellt wurden", verurteilt.

Mysteriöser Urheber

Der Track "Heart on My Sleeve" wurde von einem anonymen Tiktok-Nutzer namens Ghostwriter977 veröffentlicht. "Ghostwriter" war auch der Name, der auf den Streamingplattformen verwendet wurde. Der Titel gab die Stimme der beiden Stars verblüffend echt wieder. Nach Angaben des nach wie vor unbekannten Urhebers entstand der Song durch den Einsatz künstlicher Intelligenz. Es ist jedoch unklar, ob der gesamte Song mit künstlicher Intelligenz erstellt wurde oder nur die Stimmen.

Am Montagnachmittag wurde der Song bereits mehr als 600.000-mal auf Spotify angeklickt, und die Tiktok-Videos von Ghostwriter977 wurden mehr als 15 Millionen Mal aufgerufen. Ein Youtube-Video hatte weitere 275.000 Aufrufe. Darunter fand sich ein ominöser Kommentar des Urhebers: "Das ist erst der Anfang."

Die Hörerschaft schien von dem Werk der KI einigermaßen angetan zu sein. Unter den 75.000 Likes hieß es: "Der erste KI-Song, der mich wirklich beeindruckt hat." Andere User meinten, Ghostwriter würde "bessere Drake-Songs herausbringen als Drake selbst".

Universal Music reagiert scharf

Dieser erstaunliche Erfolg machte die Universal Music Group aufmerksam, die sofort gegen Ghostwriter und sein KI-Werk vorging. So wurde der Song am Montagabend von Spotify entfernt. Auch auf Apple und Amazon Music sowie Deezer und Tidal ist "Heart on My Sleeve" nicht mehr verfügbar. Auf diversen Videoplattformen finden sich aber noch zahlreiche Reuploads des Werks.

Hinweise auf Marketingstunt

Wer hinter Ghostwriter steckt, ist noch nicht ganz klar, und die Online-Detektive sind schon dabei, das Mysterium zu lösen. Anfangs wurde vermutet, es könnte sich um einen geschickten Marketingstunt von Drake selbst handeln. Das ist aber eher unwahrscheinlich, weil sie der Kanadier selbst in der Vergangenheit überaus kritisch zu KI-generierter Kunst geäußert hat.

Der KI-generierte Song ist durch Reuploads noch hundertfach auf Youtube zu finden.
XENEN

Dass es sich bei Ghostwriter um eine Einzelperson handelt, ist zwar möglich, aber: Einen täuschend echten Drake-Song kann man nicht einfach mit wenigen Mausklicks generieren. Dazu braucht man technisches und vor allem musikalisches Verständnis und wahrscheinlich mehrere Dutzend Versuche, bis das Ergebnis glaubwürdig klingt. Deshalb liegt der Verdacht nahe, dass ein Unternehmen dahintersteckt. Mitchell Cohen von der Beratungsplattform Appsumo geht davon aus, dass das US-Start-up Laylo hinter dem KI-generierten Song steckt.

Der Tiktok-Account von "ghostwriter977" verweist auf eine Landingpage auf laylo.com. Dort können Interessierte einen Link zur kompletten Version des Songs anfordern. Laylo-Gründer Alex Ellin ist darüber hinaus bekennender Drake-Fan und hat schon mehrfach Vorhersagen zu KI-generierten Inhalten getroffen. Laylo selbst ist ein Dienst, der Kunstschaffende und deren Inhalte vermarktet.

Panik in der Industrie

Laut "Billboard" hat der Fake aber einen tiefen Eindruck in der Musikindustrie hinterlassen. Universal forderte Plattformen wie Spotify auf, Unternehmen den Zugriff auf die Songs des Labels zu entziehen, aus Angst, damit könnten künstliche Intelligenzen trainiert werden. Mehrere Branchenvertreter warnten davor, dass KI menschliche Künstler ersetzen könnte. Die Sorge scheint jedenfalls groß zu sein: In einem Statement mahnte Universal alle Beteiligten, dass sie sich nun entscheiden müssten, "auf welcher Seite der Geschichte" sie stehen.

Der Napster-Moment

Ghostwriter selbst scheint seine Freude an dem Aufruhr zu haben. Er teilte den Screenshot eines Tweets des KI-Experten Roberto Nickson, der von einem "Napster-Moment" für die Musikindustrie sprach. Napster war in den frühen 2000ern eine kostenlose Tauschplattform für Musikstücke, die immens populär wurde. Auf Druck der Musikindustrie wurde der Service so eingeschränkt, dass es einem Verbot von Napster gleichkam. Napster hat aber eine wichtige Debatte über Urheberrecht und die Distributionsmethoden der Musikindustrie angestoßen, die letztendlich den Markt verändert und zu modernen Streamingangeboten geführt hat. (red, 19.4.2023)