Kredenzte ein stimmliches Menü aus lauter Hauptgängen: Piotr Beczala.

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Vielleicht ist er der Tenor, der bei der arg zerstrittenen Opernliebhaberschaft zurzeit die meiste Zustimmung findet: Piotr Beczala. Was Alchemisten nie geglückt ist, schafft der Pole. Er kreiert Gold, und zwar aus den Schwingungen seiner Stimmbänder. Und ähnlich zum Goldenen Schnitt scheint sein viriles, südländisches Timbre ideale Mischverhältnisse aufzuweisen. Tragfähigkeit, Biegsamkeit und Wohlklang stehen zueinander in einer idealen Proportion. Davon profitierten zahlreiche Rodolfos, Don Josés, Ducas und Cavaradossis; im Juni kommt (in Zürich) der Kalaf aus Turandot dazu.

Seit über einem Vierteljahrhundert wird Beczala auch an der Staatsoper gefeiert, und natürlich war sein Solistenkonzert am Dienstagabend auch ein Ariendefilee. Zum Abschied von Massenets Werther sang der 56-Jährige etwa ein fünfteiliges Best-Of der Titelpartie: ein knapp zwanzigminütiger Kraftakt, den mit dieser Selbstverständlichkeit nicht viele schaffen.

Russisches Repertoire

Im ersten Teil des Programms widmete sich Beczala dem russischen Repertoire, hauptsächlich Tschaikowski. Acht ausgewählte Lieder interpretierte der Tenor mit opernhaftem Feuer, zuvor Lenskis Arioso aus dem 1. Akt des Eugen Onegin (nein, leider nicht Kuda, kuda).

Arien sind im Normalfall die Filetstücke einer Oper; nach Beczalas Solistenkonzert hatte man das Gefühl, ein Zwölf-Gänge-Menü konsumiert zu haben, das nur aus Hauptgerichten bestand. Sehr sättigend!

Auch weil sich der Weltstar mit den leisen Tönen nicht so leichttut wie sein Kollege Jonas Kaufmann, der Kopf- und Mischstimme deutlich virtuoser einzusetzen versteht. Am Steinway begleitete Sarah Tysman akkurat, beim Lenski etwas zu trocken und leise. Abgesehen von einer kleinen Verirrung in der ersten der drei Zugaben (Dein ist mein ganzes Herz) eine tadellose Leistung. Jubel für die freigiebigen Köche. (Stefan Ender, 19.4.2023)